TRENDFORSCHUNG ALS GAMECHANGER an der DESIGN FACTORY INTERNATIONAL (DFI)

TRENDFORSCHUNG ALS GAMECHANGER an der DESIGN FACTORY INTERNATIONAL (DFI)

Wie Trendforschung den Zeitgeist einfängt und auf welche Weise Kommunikationsdesigner diesen in Bildsprache übersetzen, haben wir mit dem Trendforschungsexperten und Dozenten der DESIGN FACTORY INTERNATIONAL (DFI) Marc Völler diskutiert.
Marc Völler ist seit mehr als zwanzig Jahren Trendforscher. Seine Agentur Neogarde erstellt Trendanalysen für Marken, Unternehmen und zukünftige Märkte auf Basis aktueller Zeitgeist- und Generationsphänomene. Seine Analyseergebnisse helfen Unternehmen bei der Entwicklung von Strategien, Produktentwicklungen und gelungener Markenkommunikation. Zudem unterrichtet er seit 15 Jahren als Dozent für Trendanalyse an der Akademie Mode & Design (AMD) und leitet seit 2022 an der Design Factory International den Kurs Trends & Changekultur.

Herr Völler, wie sind Sie auf die Idee gekommen, Trendforscher zu werden?

Für mich war die Auseinandersetzung mit dem Thema ‚Trend‘ die logische Schlussfolgerung aus den Dingen, die ich vorher beruflich gemacht habe. Ich komme ursprünglich aus der Werbung, habe ganz klassisch Werbekaufmann gelernt und danach zwei Jahre als Berater für diverse Kampagnen fungiert. Da ich aber immer schon schnell gelangweilt und neugierig auf die Bandbreite an weiteren kreativen Möglichkeiten war, habe ich zusätzlich Modedesign studiert. Ich wollte zwar nie Designer werden, wollte aber meine kaufmännische Ausbildung um einen kreativen Input ergänzen. Der Einblick in die Welt der Mode, die wie kaum eine andere Branche durch aktuelle Trends geprägt ist, hat mich letztendlich zur Trendforschung gebracht. Im Jahr 2000 habe ich dann zusammen mit meiner Frau unsere Trendagentur Neogarde gegründet. Mittlerweile sind wir seit mehr als zwanzig Jahren aufgrund unserer Untersuchungsergebnisse gefragte Experten im Trendgeschäft.

War damals Trendforschung schon ein aktuelles Thema?

Trendforschung gibt es schon lange, aber die Idee zur Gründung einer Trendforschungsagentur war tatsächlich noch nicht so weit verbreitet. Der Wunsch, die Zusammenhänge zwischen gesellschaftlichen Strömungen und verändertem Konsumverhalten auch für Unternehmen zugänglich zu machen, war dabei unsere Überlegung und unser Antrieb.

Wie ordnen Sie Ihr Fachgebiet in Bezug auf Ihre Arbeit mit angehenden Kommunikationsdesigner/innen ein? Ist Trendforschung ein Motor für Kreativität?

Zur Kreativität gehört natürlich noch viel mehr, aber über eins sind wir uns wohl alle einig: Die Zeiten waren noch nie so bewegt und komplex, was den Umbau der Gesellschaft und die Geschwindigkeit der Entwicklung angeht. Wir reden hier nicht von kurzfristigen Trends, sondern von Megatrends, die einen gesellschaftlichen Wandel hervorrufen. Genau an diesem Punkt setzte ich als Dozent an. Ich bin der Überzeugung, dass es auch in Zukunft Menschen brauchen wird, die gesellschaftliche Veränderungen wahrnehmen können, darauf hinweisen müssen und das Phänomen Changekultur weiterdenken können. In meinen Kursen stelle ich anhand von Beispielen die Frage, was mit uns allen als Konsumenten passiert, wenn sich Trends ständig überholen und wie wir trotzdem das Innovativste und Bestmögliche für die Kunden realisieren können. Auf diese Weise starten wir einen Dialog über neuartige Denkweisen und damit über neuartige Kampagnen, aber auch über Selbstbewusstsein, welches man als angehender Kommunikationsdesigner als Antrieb für die spätere Umsetzung innerhalb eines Unternehmens braucht.

Wir erleben momentan durch Social-Media & Co. Trendveränderungen im Sekundentakt. Wie gehen Ihre Studierenden damit um? Nutzen sie den Input oder hemmt dieser manchmal sogar den kreativen Prozess?

Natürlich besteht aufgrund unserer Kultur des Hinterfragens manchmal eine gewisse Hemmschwelle, kreative Ansätze, die in anderer Form schon mal umgesetzt wurden, zu adaptieren, beziehungsweise einfach mal weiterzudenken. Genau dafür ist der Kurs aber gedacht! Ich sehe es als meine Aufgabe an, nicht nur auf Trendveränderungen aufmerksam zu machen, sondern diese Wahrnehmungen mit den Studierenden weiterzuentwickeln und zu fragen, was dies denn eigentlich für ihre kreative Arbeit genau bedeuten könnte. Mein Ziel als Dozent der Design Factory International ist es, eine generelle Offenheit für Trends zu professionalisieren.

Mann vor sitzender Gruppe

Trendforschung versucht, Phänomene sichtbar zu machen und zu benennen.

Sie bezeichnen sich auf Ihrer Webseite als Gen Z Lobbyist. Diese Generation, die Sie als Dozent betreuen, ist durch ein ganz anderes Wertesystem als das Ihrer Eltern geprägt. Ein Gedankenspiel: Angenommen, jemand bekommt als Angestellter einer Agentur den Auftrag, eine Kampagne für einen Kunden durchzuführen, der offensichtlich Greenwashing betreibt, wie würden Sie den Umgang ihrer Studierenden mit so einem Auftrag einschätzen?

Gerade als Gen Z Lobbyist weiß ich, dass diese Generation sich dagegen wehrt, in einem System arbeiten zu müssen, was aus ihrer Sicht nicht mehr funktioniert. Über diese Tatsache diskutiere ich ständig mit meinen Studierenden und ermutige sie dazu, ihrer kritischen Haltung Ausdruck zu geben, denn sie liegen damit genau richtig. Als zukünftige Designer und Gestalter im Auftrag ihrer eigenen Generation sind sie geradezu verpflichtet, eine eigene Entscheidungskraft zu entwickeln, die dann auch zum Tragen kommt. Unsere Zielsetzung ist es, zukünftige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Agenturen als selbständige, Persönlichkeiten auszubilden – weil dies langfristig gute Produkte und gute Kampagnen für die neue Zielgruppe garantiert.

Aber eine eigene Haltung reicht in Agenturen, die als Dienstleister der Unternehmen funktionieren müssen, nicht immer aus!

Ich arbeite aus meinem Trendblickwinkel heraus und weiß, dass man durch eine fundierte Trendstudie Signale der Veränderung abbilden kann – sowohl positive als auch negative – dadurch kann schnell verdeutlicht werden, dass solche Phänomene wie Greenwashing langfristig nicht gewinnbringend sind, wenn man die Gen Z weder als Arbeitnehmer noch als Konsument verlieren möchte und an ihren Bedürfnissen vorbei plant. Dieses Wissen führt zu einer Bewusstseinsänderung, die auch den Entscheider in Agenturen und den Kunden überzeugt.

Wie arbeiten Sie ganz praktisch mit den Studierenden an der DFI?

Wir arbeiten zum Beispiel an konkreten Aufträgen von Unternehmen, die ihren Designauftritt verändert haben möchten, aber wir widmen uns auch dem aktuellen Zeitgeschehen – wie zum Beispiel dem Rammstein-Skandal – und beschäftigen uns u.a. mit den Folgen für die Werbepartner. Wir versuchen anhand von praktischen Bezügen, Designfragen zu ermitteln und die Studierenden vollumfänglich zu sensibilisieren.

Gibt es auch Studierende, die nach ihrem Kurs die Trendforschung als berufliche Perspektive in Betracht ziehen?

Heutzutage ist Trendforschung in jedem Unternehmen ein Thema. Deshalb muss man sich aber nicht darauf spezialisieren, man sollte sie nur nicht aus dem Blick verlieren. Für Kommunikationsdesigner ist es wichtig, sich mit dem Thema vertraut zu machen und es in die Arbeit einzubinden. Auf diese Weise können sie Statements setzen und sogar Veränderungen im Unternehmen herbeiführen. Ich freue mich immer zu sehen, dass unsere Studierenden das erworbene Wissen nutzen und stetig auf der Suche nach Veränderung bleiben.

Nach Abschluss der Ausbildung an der Design Factory International hat man keinen Bachelor- oder Masterabschluss, diese Titel können durch ein anschließendes Studium erworben werden. Trotzdem stellt das für viele Absolventinnen und Absolventen der DFI bei der Jobsuche keine Hürde dar. Legen die Agenturen bei der Nachwuchssuche wirklich keinen Wert darauf?

Meine Antwort ist sehr eindeutig: Nein! In der neuen Generation Z existiert oftmals der eine, der richtige, der klassische Werdegang nicht mehr und Titel schreiben keine Erfolgsgeschichte mehr. In meiner Funktion als Berater von Unternehmen stelle ich täglich fest, dass der frühere Trend, die Leute von den Elite-Unis zu holen, nicht mehr besteht. Das liegt zum einen daran, dass die Unternehmen verstärkt ihren Nachwuchs im eigenen Hause ausbilden und zum anderen, dass sie verstanden haben, ihren Fokus auf die zum Unternehmen passenden Persönlichkeiten – auch unbequeme Persönlichkeiten – zu legen, um kreatives Potenzial zu fördern. Auch eine Trendwende, die dem Zeitgeist entspricht.

Mehr über Design Factory International: Die Faszination, Bilder zum Leben zu erwecken, animierte den Fotografen Steffen Ullrich, sich im Bereich Motion Design zu spezialisieren. Im Interview mit ME2BE verrät er, was Motion Design heute bedeutet.

TEXT Anja Nacken dfi design factory dfi design factory dfi
FOTO Sebastian Weimar design factory dfi design dfi