Ein Gespräch mit den Schulsozialarbeitern Norman Röper und Kristin Wedemeyer
Seit Jahren gibt es an der Toni-Jensen-Gemeinschaftsschule eine etablierte Schulsozialarbeit. Die Schule gehört zur Landeshauptstadt Kiel, die mittlerweile in allen ihren Schulen eine Schulsozialarbeit zur Seite stellt, um den Schülern neben dem regulären Lehrplan zusätzliche sozialpädagogische Unterstützung zu bieten. Ein Hauptziel dieses Ansatzes ist es, insbesondere Schülern mit Migrationshintergrund, mit sozialen Benachteiligungen oder anderweitigen Problemen den Schulaufenthalt und -abschluss zu erleichtern und Schulabbrüche zu verhindern.
Die Fachkräfte Norman Röper und Kristin Wedemeyer bilden ein eingespieltes Team. Sie bieten Beratungs-, Kontakt-, Präventions- und Projektangebote an, die zur Lösung von Problemen im Schulalltag und zu einem positiven Schulklima beitragen. Im Interview berichten die Schulsozialarbeiter über ihre Arbeit.
Könnten Sie bitte kurz Ihre Rolle als Sozialarbeiter an dieser Schule beschreiben?
Röper: Wir sind bei der Stadt Kiel angestellt und hier an der Toni-Jensen-Gemeinschaftsschule mittlerweile seit zwölf Jahren tätig. Die Grundlage für unsere Arbeit bildet eine Kooperationsvereinbarung zwischen der Schule und der Stadt Kiel. Unsere Aufgaben sind durch das Sozialgesetzbuch bestimmt.
Wedemeyer: Unsere Hauptaufgabe liegt darin, möglichst frühzeitig gefährdende Problemlagen von Kindern und Jugendlichen zu erkennen, diesen zu begegnen und weiteren Schaden abzuwenden. Wir gehen dabei präventiv und niedrigschwellig vor. Wir betreuen alle 800 Schüler von der fünften Klasse bis zum 13. Jahrgang. In unseren beiden Büros sind wir an jedem Schultag für die Kinder und Jugendlichen sowie die Lehrkräfte, aber auch für die Eltern erreichbar.
Mit welchen besonderen Herausforderungen sehen Sie sich konfrontiert?
Wedemeyer: Unsere Schule ist inklusiv und umfasst eine vielfältige Schülerschaft mit unterschiedlichen Bedürfnissen. Wir haben Kinder aus verschiedenen Lebensverhältnissen und Entwicklungsphasen, die alle gemeinsam lernen.
Migration ist ein bedeutendes Thema bei uns und wir leben eine ausgeprägte Vielfalt. Es kommen Schüler mit unterschiedlichen Problemen und Anliegen zu uns. Wir bieten Unterstützung für ein breites Spektrum von Mobbing über Konflikte in der Familie bis hin zu persönlichen Fragen zur Geschlechteridentität.
Röper: Ich möchte ergänzen, dass wir hier ebenso mit Armut konfrontiert sind, denn viele Kinder, die unsere Schule besuchen, kommen aus benachteiligten Vierteln und bringen dementsprechende Probleme mit.
Wie gehen Sie mit der Situation um?
Wedemeyer: Unsere Aufgabe ist es, den Schülern zuzuhören und ihnen Unterstützung zu bieten. Wir schaffen einen vertraulichen Raum, in dem sie ihre Sorgen und Herausforderungen besprechen können. Gemeinsam arbeiten wir an Lösungen und beziehen ggf. Lehrkräfte, Eltern und andere Fachleute mit ein, um eine ganzheitliche Unterstützung zu gewährleisten.
Röper: Dabei orientieren wir uns an den Grundsätzen der Schulsozialarbeit: Schweigepflicht, Freiwilligkeit und Neutralität. Diese Grundsätze sind von großer Bedeutung. Es ist essenziell, ein Vertrauensverhältnis zu den Schülern aufzubauen, damit sie sicher sein können, dass wir ihre Anliegen vertraulich behandeln und sie nicht negativ beeinflussen.
Wie ist der Ablauf?
Röper: Wir stellen uns zunächst in allen fünften Klassen vor, damit die Kinder uns kennenlernen. Anschließend haben sie verschiedene Möglichkeiten, sich an uns zu wenden: Sie können einfach Hallo sagen, ein Anliegen oder Problem vorbringen oder einen Termin vereinbaren. Bei akuten seelischen oder psychischen Herausforderungen behalten wir die Kinder hier und bieten Unterstützung an. Die Zusammenarbeit mit der Schule funktioniert gut, sodass wir schnell helfen können. Und wenn wir nicht helfen können: Wir sind in ein Netzwerk von Experten eingebunden.
Gibt es besonders effektive Methoden oder Ansätze?
Röper: Wir nutzen ein breites Spektrum an Methoden der sozialen Arbeit, die sich, wie meine Kollegin bereits sagte, am individuellen Bedarf der Kinder und Jugendlichen orientieren. Es gibt keine Standardlösung oder Blaupause, sondern wir betrachten jeden Fall individuell, um die passende Unterstützung zu bieten. Dabei binden wir externe Ressourcen und gegebenenfalls notwendige Hilfe von Lehrkräften oder weiteren Unterstützungsangeboten außerhalb der Schule ein.
Wedemeyer: Freiwilligkeit ist entscheidend. Wir können die Schüler nicht zwingen; sie kommen aus eigenem Antrieb zu uns. Manchmal bitten Lehrer die Schüler, zur Schulsozialarbeit zu gehen, wenn sie glauben, dass Unterstützung nötig ist. In solchen Fällen prüfen wir, wie wir ein passendes Angebot machen können. Schüler können nicht von der Schule gezwungen werden, mit uns zu arbeiten. Auch die Schule kann uns nicht vorschreiben, wie wir arbeiten sollen.
Wie kommen Sie zu Problemlösungen?
Wedemeyer: Wir machen keine festen Vorgaben, sondern unterstützen die Kinder bei eigenen Entscheidungen. Statt ihnen vorzuschreiben, was zu tun ist, zeigen wir verschiedene Optionen und deren Konsequenzen auf. Wenn ein Kind beispielsweise überlegen muss, ob es eine Klasse wiederholen soll oder nicht, erklären wir die Folgen beider Möglichkeiten und helfen ihm, die benötigten Schritte zu verstehen. Die Entscheidung bleibt beim Kind, um Selbstbestimmung und Eigenverantwortung zu fördern.
Röper: Hier kommt die Priorisierung ins Spiel. Wir analysieren, welche Vorteile und Nachteile jede Entscheidung hat und vergleichen die verschiedenen Optionen. Durch diese methodische Herangehensweise helfen wir dem Schüler, seinen eigenen Weg zu finden, ohne dass wir diesen vorgeben.
Arbeiten Sie auch präventiv?
Wedemeyer: Präventiv können wir wirken, wenn die Kinder uns bereits kennen und Vertrauen aufgebaut haben, bevor Probleme auftreten. Dies erreichen wir durch soziale Lernangebote und Gruppenaktivitäten, bei denen ein Vertrauensverhältnis entsteht. Auch wenn das nicht immer gelingt, ist dies unser präventiver Ansatz. Kinder, die uns in späteren Klassenstufen aufsuchen, sind dann eher bereit, offen über ihre Probleme zu sprechen, weil sie uns als vertraute Ansprechpartner kennen.
Röper: Unser Ziel ist es, darüber hinaus ein Präventionskonzept an der Schule zu etablieren. Durch unsere präventive Arbeit wollen wir ein Konzept entwickeln, das in den verschiedenen Klassenstufen umgesetzt wird und effektiv zur Unterstützung der Schüler beiträgt.
Wie unterstützen Sie Schüler beim Erreichen ihrer Ziele?
Röper: Unser sozialpädagogischer Ansatz umfasst die Schritte sortieren, beraten, vernetzen und begleiten. Diese Prinzipien verdeutlichen unsere Vorgehensweise. Gemeinsam ermitteln wir, welche spezifischen Ressourcen benötigt werden und wie sie eingesetzt werden müssen, um den Schülern zu helfen, ihre Ziele zu erreichen.
Wedemeyer: Wir nehmen die Kinder so, wie sie sind. Wir bewerten nicht. Die Lehrer müssen nach bestimmten Skalen bewerten, das müssen wir nicht, wir schauen gemeinsam nach Potenzialen. Dabei versuchen wir, die Kinder dahin zu bringen, ihre eigenen Potenziale zu erkennen.
Zum Schluss auf einen Blick: Welche Angebote stellen Sie insgesamt zur Verfügung?
Einzelfallhilfe und Beratung: Wir leisten Hilfestellung bei Problemen, bieten Präventionsangebote an und führen Krisenintervention durch.
Sozialpädagogische Gruppenarbeit: Wir bieten soziales Training an, behandeln Themen wie Gewalt und Aggression und vermitteln in Konflikten.
Familien- und Elternarbeit: Wir bieten Beratungsangebote an, führen Hausbesuche durch und organisieren Elternabende.
Schulorientierte Gemeinwesenarbeit: Wir fördern Kooperation und führen Netzwerkarbeit durch.
TEXT Hilke Ohrt
FOTO Reinhard Witt