Ein Interview mit Stephen Ullrich, Motion Designer und Dozent an der DESIGN FACTORY INTERNATIONAL
Die Faszination, Bilder zum Leben zu erwecken, animierte den Video Editor Stephen Ullrich, sich im Bereich Motion Design zu spezialisieren. Seit 2016 gibt er seine Leidenschaft für das Bewegtbild als Dozent an der DFI weiter. Im Interview mit ME2BE verrät er, was Motion Design heute bedeutet, wie ein roter Kreis auf schwarzem Hintergrund zu einem Planeten wird, und erläutert, welche Berufschancen Motion-Designer erwarten.
Motion Design gehört zu den zukunftsweisenden, neuen Studiengängen, die immer beliebter werden. Was verbirgt sich hinter dem Studiengang an der DFI?
Motion Design umfasst im Grunde alles, was sich auf dem Monitor bewegt – ob es sich um eine animierte Schrift handelt, die in das Bild fliegt, ein komplett illustrierter Animationsfilm oder Special Effects in Spielfilmen. In dem Beruf des Motion Designers geht es darum, Bilder zum Leben zu erwecken. Beim Motion Design kommen alle Disziplinen zusammen. Selbst Filter bei Instagram sind animiert und müssen gestaltet werden. Heute ist alles in Bewegung!
Ein Studiengang, den nicht jeder als erstes auf dem Zettel hat, wenn er sich überlegt, was er mal werden möchte. Wie bist du zum Motion Designer geworden?
Die Perfektion der Bildgestaltung war schon immer mein Steckenpferd. Auf der Suche nach der perfekten Komposition zog ich mit meiner Kamera los und sammelte Bilder – von Menschen, von Architektur und Momenten. Durch ein Praktikum bei einem Studiofotografen lernte ich schließlich den Blick fürs Detail und entschied mich, meine Kenntnisse im Kommunikationsdesign mit dem Schwerpunkt Animation bei der DFI zu vertiefen.
Warum Motion Design?
Die Faszination, die Kameraaufnahmen in ein unterhaltsames Endprodukt zu verwandeln, hat mich von Anfang an begeistert. In diesem kreativen Prozess kann ich meine Detailversessenheit akribisch ausleben und visuelle Geschichten erschaffen, die die Zuschauer fesseln. Die Möglichkeit, Bilder zum Leben zu erwecken und Bewegung mit künstlerischem Ausdruck zu kombinieren, macht das Motion Design für mich zu einer einzigartigen und erfüllenden Leidenschaft.
Welche Eigenschaften sollte ein angehender Motion Designer besitzen?
In erster Linie Fleiß und Motivation, da es wichtig ist, viel zu üben und ein Gespür für Bewegtbilder zu entwickeln. Wer denkt, dass man in drei Wochenstunden zum Motion Designer wird, der irrt. Als ich früher von der Uni kam, habe ich mich selbst mit Tutorials fortgebildet, viel ausprobiert und eigene Erfahrungen gesammelt. Kreativität ist natürlich auch ein wichtiger Faktor. Ich vertrete jedoch den Standpunkt, dass man kreatives Denken lernen kann.
Das klingt vielversprechend. Mit welchen Methoden werden denn kreative Prozesse gefördert?
An der DFI vermitteln wir den Studierenden verschiedene Techniken, die ihnen dabei helfen, abstrakt zu denken und Ideen zu einem konkreten Thema zu entwickeln. Zum Beispiel lehren wir, aus welcher Perspektive ein Thema beleuchtet werden kann – ob man dafür oder dagegen ist. Bereits diese Entscheidung beeinflusst die Komposition und Farbwahl maßgeblich. Denn um eine wirkungsvolle Botschaft zu transportieren, muss man ein Thema auf verschiedenen Ebenen durchdringen und es auf eine vielschichtige Weise darstellen.
Welche Lerninhalte erwarten Studierende mit dem Schwerpunkt Motion Design?
Im Studiengang Motion Design liegt der Fokus aller Aufgaben auf dem Verständnis für Bewegungen und dem technischen Know-how, um diese gekonnt zu erzeugen. Dafür beschäftigen wir uns intensiv mit Themen wie der Antizipation: dem Bewusstsein, dass jeder Bewegung eine Vorbewegung vorausgeht, welche die notwendige Energie für die Hauptbewegung erzeugt. Kein Mensch kann hochspringen, ohne vorher in die Hocke zu gehen. Wer das weiß, hat die Möglichkeit, eine Bewegung authentisch darzustellen.
Zudem legen wir großen Wert auf das Verständnis für fließende Bewegungen. Dazu gehört das Wissen um Proportionen und die Anwendung künstlerischer Regeln wie dem Goldenen Schnitt, um sie in die Bewegung zu integrieren und visuelle Harmonie zu schaffen. Durch diese vielseitigen Lerninhalte sind unsere Studierenden bestens darauf vorbereitet, kreative und ästhetische Bewegtbild-Projekte zu realisieren.
Filme erzeugen durch Musik und Töne oft eine kraftvolle emotionale Wirkung. Welche Rolle spielt der Sound im Motion Design?
Im Motion Design spielt der Ton ebenfalls eine entscheidende Rolle und wirkt auf vielfältige Weise. Durch verschiedene Ebenen von Sounds kann ich als Motion Designer beispielsweise einen bestimmten Ort atmosphärisch definieren. Die von mir erzeugte Geräuschkulisse kann den Betrachter in unterschiedliche Welten entführen – sei es ein roter Kreis auf schwarzem Hintergrund im Weltall, in einer düsteren Fabrikhalle oder in einem lebendigen Tetris-Spiel.
In diesem Moment entfaltet sich die Geschichte, das Storytelling, und der Ton spielt eine maßgebliche Rolle dabei, die emotionale und narrative Wirkung der Bewegtbilder zu steigern. Die passende Klangkulisse kann die Stimmung einer Szene verstärken, Emotionen hervorrufen und das Gesamterlebnis für die Zuschauer intensivieren. Dadurch wird das Motion Design zu einem lebendigen und mitreißenden Medium, das die Botschaft des Werkes auf vielschichtige Weise vermittelt und eine tiefere Verbindung zwischen den Betrachtern und den Bewegtbildern schafft.
Wie könnte eine typische Aufgabe für Studierende lauten?
Eine typische Aufgabe für Studierende im Motion Design könnte darin bestehen, eine eigene Bewegung zu filmen, beispielsweise wie man eine Tasse in die Hand nimmt oder sie wieder hinstellt. Anschließend müssten die Studierenden diese Bewegung in abstrakten Formen mit Kreisen und Vierecken animieren und dabei besonders darauf achten, wann sich die Tasse dreht und ob die Bewegung der Tasse zeitlich mit der Drehung im Handgelenk synchronisiert ist.
Diese Übung würde darauf abzielen, dass die Studierenden die Bewegung tiefgehend verstehen und durchdringen lernen. Denn nur, wenn sie die Feinheiten einer Bewegung wirklich erfassen, sind sie in der Lage, sie überzeugend nachzuahmen und in ihre animierten Projekte einzubringen. Die Aufgabe fördert somit nicht nur das technische Geschick im Motion Design, sondern auch das Bewusstsein für flüssige und realistische Bewegungen, die für die Qualität der Animationen von entscheidender Bedeutung sind.
Welche Berufsaussichten erwarten Motion Designer?
Die Berufsaussichten für Motion Designer sind äußerst vielversprechend. Mit der wachsenden Bedeutung von Bewegtbildinhalten in verschiedenen Bereichen spielen sie eine entscheidende Rolle in Filmproduktionen und Werbeagenturen, da immer mehr Inhalte animiert werden. Von der Erstellung visueller Effekte in Filmen bis hin zur Gestaltung animierter Werbekampagnen ist das Fachwissen von Motion Designern gefragt. Darüber hinaus haben auch viele Unternehmen eine eigene Motion-Design-Abteilung, um ihre Inhalte für Social Media und andere digitale Plattformen zu animieren.
Mehr zur DFI: Wie Trendforschung den Zeitgeist einfängt und auf welche Weise Kommunikationsdesigner diesen in Bildsprache übersetzen, haben wir mit dem Trendforschungsexperten und Dozenten Marc Völler diskutiert.
TEXT Sophie Blady
FOTO Sebastian Weimar