Marcel Möller ist seit Sommer 2022 der neue BO-Lehrer der Gemeinschaftsschule Bredstedt. Er hat WIPO und Sport studiert und unterrichtet in Bredstedt zusätzlich Mathe und Weltkunde. Erst während seines Referendariats hat er sich näher mit dem Thema Berufsorientierung an Schulen beschäftigt, da er die Aufgabe übernommen hatte, Schülerinnen und Schüler während der ersten Praktikumsphasen zu betreuen. Diese Erfahrung weckte sein Interesse und er hat trotz der kurzen Lehrzeit in Bredstedt bereits konkrete Vorstellungen, worauf es ihm bei seiner neuen Tätigkeit ankommt.
Berufsorientierung ist kein Studienfach, woher haben Sie Ihr Wissen?
Man lernt doch einiges im Referendariat über Berufsorientierung und kann sich eingängig über Literatur und entsprechende Arbeitsblätter informieren. Es gibt natürlich auch an unserer Schule verschiedene festgelegte Module, wie den Stärkenparcours, die Praktikumsphasen oder die Jobmessen, die zum Ablaufplan der Berufsorientierung gehören.
Was macht Ihrer Ansicht nach einen guten Berufsorientierungsunterricht aus?
Zunächst einmal ist mir ganz wichtig, dass die Schülerinnen und Schüler überhaupt verstehen, was berufliche Orientierung ist und warum sie diese brauchen. Ich versuche mittels des vorher genannten Ablaufplans die Jugendlichen sukzessive an das Thema heranzuführen.
Wie gehen Sie dabei vor?
In einer ersten Phase werden die Stärken ermittelt, die auch durch Partnerarbeit in Bezug auf Selbst- und Fremdeinschätzung noch mal ganz neue Perspektiven aufwerfen können. Danach versuchen wir herauszufinden, ob die individuellen Stärken zu den beruflichen Wünschen passen könnten. Dann erst spezifizieren wir Berufsfelder, welche Berufe es innerhalb der einzelnen Berufsfelder gibt und welche Fähigkeiten man jeweils mitbringen sollte.
In der Praxis suchen Unternehmen händeringend Auszubildende. Was muss Ihrer Meinung nach im BO-Unterricht stärker vermittelt werden, um dem Problem wirksam zu begegnen?
Wir müssen das Bewusstsein dafür schärfen, dass auch handwerkliche Berufe sehr gute Karrieremöglichkeiten bieten und nicht nur akademische Berufe gute Zukunftschancen in Aussicht stellen.
Welche Rolle spielt hierbei die Einbeziehung der Eltern?
Natürlich spielen die Herkunft und die soziale Umgebung bezüglich der Berufsorientierung der Kinder eine große Rolle. Diese Faktoren beeinflussen oftmals unbewusst die Berufswahl. Es wäre wünschenswert, wenn die Eltern noch stärker mit uns zusammenarbeiten und zum Beispiel die Praktikumssuche insofern unterstützen würden, dass sie den Kindern nicht aus Bequemlichkeit einen Platz im familiären Umfeld besorgen, sondern die Jugendlichen dazu ermuntern, weitere Möglichkeiten wahrzunehmen.
Greifen Sie aktiv ein, wenn Sie feststellen, dass die Kinder, obwohl sie andere Interessen haben, in die Fußstapfen der Eltern treten sollen?
Spätestens im zweiten Praktikum in der Jahrgangsstufe 9 finde ich es wichtig, nochmal zu verdeutlichen, dass es nicht darum geht, nur schnell die Praktikumszeit im elterlichen Betrieb abzuarbeiten. Das Praktikum bietet in meinen Augen eine echte Chance, auch andere Erfahrungen zu sammeln und sich dabei persönlich weiterzuentwickeln. Ich habe schon oftmals die Erfahrung gemacht, dass die Schülerinnen und Schüler auf diesem Weg ihren ganz persönlichen Berufswunsch entdeckt haben.
Wie gehen Sie mit der Angst der Schülerinnen und Schüler vor einer Berufsentscheidung um?
Ich habe dafür großes Verständnis. Auch ich hatte während des Studiums manchmal Zweifel, ob meine Entscheidung richtig war, aber mit zunehmend praxisbezogenen Anteilen des Lehrberufs war ich mir sicher, die richtige Wahl getroffen zu haben. Außerdem muss man ganz klar sagen, dass die Zeiten, in denen man vom Einstieg bis zum Ausstieg aus dem Beruf keine Alternativen mehr hat, vorbei sind – auch das ist Thema des Berufsorientierungsunterrichts.
Wir müssen das Bewusstsein dafür schärfen, dass auch handwerkliche Berufe sehr gute Karrieremöglichkeiten bieten und nicht nur akademische Berufe gute Zukunftschancen in Aussicht stellen.
Dieser Artikel ist in der JobNight 2023 erschienen. Hier geht es zum E-Paper!
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TEXT Anja Nacken
FOTO Reinhard Witt