In DaZ-Klassen (Deutsch als Zweitsprache) lernen Kinder, die aus anderen Ländern nach Deutschland kommen, die deutsche Sprache zu sprechen, zu schreiben und zu lesen. Das Erlernen der deutschen Sprache ermöglicht den Kindern eine bessere Teilhabe am Schulalltag, im Regelunterricht und die Möglichkeit eines Schulabschlusses. An der Gemeinschaftsschule Bredstedt haben die teilnehmenden Schülerinnen und Schüler zusätzlich zum regulären Unterricht individuell einige Wochenstunden DaZ-Unterricht. Lehrerin Gesa Köhne, die Lehramt mit den Fächern Dänisch und Philosophie studierte, ist seit ihrem Referendariat an der Gemeinschaftsschule Bredstedt und wurde im Jahr 2014 als feste Kollegin übernommen. Mit ME2BE sprach die engagierte Lehrerin über die Herausforderungen und Glücksgefühle, die einem beim Unterrichten von DaZ-Klassen begegnen.
Dem Bedarf begegnen
Angefangen hatte alles mit ein paar DaZ-Stunden und sieben Kindern, die Gesa Köhne und eine Kollegin vereinzelt unterrichteten, doch der Bedarf vergrößerte sich. „Als 2016 der Krieg in Syrien ausbrach, wuchs der Bedarf und ich engagierte mich, das Konzept an unserer Schule auszubauen und zu optimieren.“ So wurde die Gemeinschaftsschule Bredstedt DaZ-Zentrum mit Gesa Köhne als Leiterin. Heute unterrichtet die gebürtige Eutinerin zusammen mit einer ukrainischen Kollegin, die auf DaZ-Mathe spezialisiert ist, und zwei weiteren Kollegen sowie zwei Lehramtsstudierenden hundert Kinder mit unterschiedlichsten Lern- und Sprachniveaus. Unterrichtet wird in sechs Gruppen, die nach Leistungsstand und Jahrgang unterteilt sind. So gibt es eine Anfängergruppe für die Klassen fünf und sechs, eine für die Jahrgangsstufen sieben und acht und eine für die Klassen neun und zehn, die jeweils zwanzig Wochenstunden in DaZ-Unterricht erhalten. Sobald die Kinder etwas Deutsch sprechen, sollen sie zeitnah an spracheinfache Unterrichtsfächer wie Sport integriert werden, um die Integration in die Stammklasse zu ermöglichen. Mit Unterstützung sollen sie auch stets zeitnah an das Fach Mathe herangeführt werden. „Das Pensum an regulärem Unterricht wächst Stück für Stück und das DaZ-Pensum verringert sich über die Zeit“, erklärt Gesa Köhne.
Menschliche und digitale Dolmetscher Hand in Hand
Die Schülerinnen und Schüler, die den DaZ-Unterricht besuchen, kommen unter anderem aus dem Irak, dem Iran, aus Syrien, der Ukraine oder Brasilien. „Ich spreche keine dieser Sprachen. Im Unterricht läuft viel über Gestik und Mimik. Teilweise unterstützen die Kinder, die bereits etwas Deutsch gelernt haben und helfen zu übersetzen. Das finde ich großartig, da diese Kinder dadurch das Erfolgsgefühl haben, etwas unter Beweis stellen zu können.“ Aber auch digitale Helfer wie gängige Übersetzer-Apps und Stimmenübersetzer dürfen im Alltag einer DaZ-Klasse nicht fehlen.
Individuelle Perspektiven
So stolz die Lehrerin ist, wenn DaZ-Schülerinnen und -Schülern einen ESA und MSA erreichen, sind die Wege vielfältig und keiner wird zurückgelassen. „Wenn jemand mit fünfzehn Jahren nach Deutschland kommt, schafft man in einem Jahr normalerweise keinen Abschluss. Hier schauen wir individuell auf das Kind. Diejenigen, die schulmüde sind, lernen dann eher Deutsch durch pragmatische Maßnahmen wie Praktika oder gehen ans BAW in Niebüll. Manche absolvieren erst einmal ein AVSH (Anm. d. Red.: AVSH steht für Ausbildungsvorbereitung Schleswig-Holstein). Eine weitere Option ist die Herkunftssprachenprüfung als Alternative zu Englisch oder das Deutsche Sprachdiplom – beides von der IHK anerkannt. So könnte man theoretisch eine Ausbildung beginnen.“ Da ihr Inklusion und Integration am Herzen liegen, versucht Gesa Köhne, die Eltern mit einzubeziehen und ihnen zu helfen. „Wir unterstützen sie beispielsweise bei Arztterminen, auch vor Ort, bei Amtsschreiben und Übersetzungen, wenn es sich um Fragen zum Unterricht, zu Konferenzen oder Klassenfahrten handelt. Zudem unterstütze ich Kolleginnen und Kollegen, wenn es darum geht, eine Arbeit der Kinder zu bewerten.“
Stimmen aus der DaZ-Klasse
Safiullah ist einer der Schüler, der zusätzlich zum regulären Unterricht vier Wochenstunden die DaZ-Klasse besucht. Er ist 16 Jahre alt, geht in die neunte Klasse und wurde in Afghanistan geboren. Seit eineinhalb Jahren wohnt er in Deutschland und besucht seitdem die Gemeinschaftsschule Bredstedt. „In der ersten Zeit war es aufgrund der Sprache schwierig, Freunde zu finden. Aber dann habe ich Deutsch gelernt und so Freunde gefunden.“ Auch die siebzehnjährige Manal wohnt seit vier Jahren in Deutschland. Sie wurde im Jemen geboren. „Am Anfang fühlte man sich neu und allein, doch seit ich etwas Deutsch spreche, habe ich viel Spaß mit meiner Klasse und Freunde gefunden.“ Auch Manal besucht zusätzlich die DaZ-Klasse. „Im normalen Unterricht habe ich in Mathe manchmal Probleme, aber die Lehrerin der DaZ-Klasse erklärt den Stoff langsamer, sodass ich ihn besser verstehe.“
Herausforderungen einer DaZ-Klasse
Eine große Herausforderung der DaZ-Klassen sieht die Lehrerin im divergierenden Leistungsstand und den heterogenen Gruppen aus leistungsstarken und leistungsschwächeren Kindern. „Manche haben theoretisch einen Förderbedarf oder benötigten Einzelbetreuung. Andere sind Analphabeten, die auch in ihrer Muttersprache weder lesen noch schreiben können. Es ist selten der Fall, dass zwei Kinder aus einer Gruppe auf dem gleichen Stand sind.“ Auch kulturelle Aspekte würden die Klasse häufiger herausfordern, da Konflikte zwischen Ländern sich manchmal in die Schule verlagern würden. „Eines der größten Probleme stellt die traumatische Belastung der Kinder dar. Viele haben einen Rucksack zu tragen, den wir nicht nachempfinden können. Sie dann dazu zu animieren, sich auf den eigenen Schulabschluss zu konzentrieren und nach vorne zu blicken, fällt manchmal schwer.“
Glücksgefühle des Fortschritts
Das schönste Gefühl für Gesa Köhne? „Wenn meine Schülerinnen und Schüler Deutsch sprechen und auf einmal Sätze sagen wie: ,Das war cool! ‘ Und wenn sie in der Stammklasse ankommen, Freunde finden und sich verabreden.“ Wenn sich die jungen DaZ-Teilnehmenden dahingehend entwickeln, ist die Lehrerin glücklich und freut sich, ihren Teil dazu beigetragen zu haben. Denn im Sich-Mitteilen-Können sieht sie den Schlüssel für Kontakte und Integration. Besonders stolz ist die 39-Jährige, wenn Schülerinnen und Schüler der DaZ-Klasse Prüfungen bestehen, zum Beispiel das Deutsche Sprachdiplom, die Herkunftssprachenprüfung oder sie den ESA oder MSA schaffen. „Einer meiner ehemaligen Schüler legt gerade sein Abitur ab. Von diesen Fortschritten zehrt man wirklich und die Freude begleitet einen nachhaltig.“
Im Unterricht läuft viel über Gestik und Mimik. Teilweise unterstützen die Kinder, die bereits etwas Deutsch gelernt haben, und helfen zu übersetzen. Das finde ich großartig.
Dieser Artikel ist in der JobNight 2023 erschienen. Hier geht es zum E-Paper!
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TEXT Kristina Krijom
FOTO Reinhard Witt