Prof. Dr. Volker Looks von der Hochschule Flensburg über den neuen Studiengang Gründung, Innovation, Entwicklung (GIE), den Wandel der Gründerszene und den positiven Druck, schneller Ideenkreation.
Der neue Studiengang Gründung, Innovation, Entwicklung (GIE) ist bundesweit so einzigartig, wie es seine Studierenden sein sollen. Er verbindet das finnische Team-Academy-Konzept, ein Lernmodell, bei dem die Studierenden durch die Gründung und das Betreiben echter Unternehmen lernen, wie dies erfolgreich funktioniert, mit einer interdisziplinären Ausrichtung über die vier Fachbereiche der Hochschule hinweg.
Herr Professor Looks, Sie sind gelernter Flugzeugbauer – heute arbeiten Sie als Professor für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre an der Hochschule Flensburg. Wie kam es dazu?
Nach der Realschule habe ich zunächst eine Ausbildung zum Flugzeugbauer absolviert und war ein paar Jahre lang als solcher in einem Tech-Startup, einer Flugzeugbaufirma in Berlin, tätig. Währenddessen holte ich mein Fachabitur nach, um anschließend Flugzeugbau und später Produktionstechnik und Produktionsmanagement zu studieren. Danach arbeitete ich 15 Jahre lang für BMW und parallel dazu an meiner Doktorarbeit. Schließlich zog es mich als Quereinsteiger an eine Berufsschule in Schleswig-Holstein und im Anschluss daran erhielt ich meine Professur. Die Zeit als Lehrer war toll und zeigte mir, was ich immer vermutet hatte: dass ich mit Leib und Seele lehren möchte. Das ist jetzt fast 14 Jahre her und seitdem bin ich hier an der Hochschule.
Wie ist der neue Studiengang Gründung, Innovation, Entwicklung (GIE) entstanden?
Vor fünf Jahren haben wir, ein Team von neun Kolleginnen und Kollegen aus allen Fakultäten der Hochschule, ein Projekt gestartet. Im Rahmen dessen wurde die bisherige wirtschaftliche Gründungsunterstützung, die es schon lange auf dem Campus gibt, um eine technische Gründungsunterstützung ergänzt. Aus diesem Engagement ist der neue Studiengang Gründung, Innovation, Entwicklung entstanden. Es ist ein Studiengang, in dem das Gründen programmatisch dazugehört.
Wie hat sich die Gründerszene in Deutschland in den letzten Jahren entwickelt?
Während der Corona-Zeit hatten wir noch mehr Gründungen auf dem Campus als danach. Ich denke, diejenigen, die während Corona zur Schule gingen, hat es hart getroffen. So langsam haben wir aber das Gefühl, dass der Corona-Schock herauswächst und tolle Events wiederbelebt werden. Die Hochzeit der Gründung war hierzulande in den Sechziger-, Siebzigerjahren, als sich viele Mittelständler gründeten. Heute gibt es eine riesige Gründungsunterstützung. Die rechtlichen Rahmenbedingungen sind natürlich auch umfangreicher geworden. Es gibt in diesem Land viele hilfreiche Fördertöpfe, aber auch viele Regeln. Was es vor drei, vier Jahrzehnten noch nicht gab, ist diese Gründerkultur ohne große Inhalte ganz schnell reich werden zu wollen. In den besagten Sechziger-, Siebzigerjahren waren es eher junge Männer, oft gut ausgebildete Ingenieure, die in großen Unternehmen viel gelernt hatten und sich mit diesem technischen Wissen selbstständig machten. Neben den ganz großen Playern, die man kennt, gibt es sehr viele 50- bis 200-Mitarbeiter-Unternehmen, die das Rückgrat der deutschen Autoindustrie bilden und die damals entstanden sind. Dieses Schema ist seltener geworden. Heute gibt es viele Themen, mit denen man sehr einfach Gründen kann – scheinbar. Aber damit wirklich Umsätze zu generieren und Kunden zu gewinnen, ist ein anderes Thema. Dennoch fluten all diese schnellen Gründer den Markt. Der Markt ist mit Informationen und Produkten gesättigt. Sich da abzuheben, ist die Kunst.
Inwiefern hilft der neue Studiengang dabei, langfristig erfolgreich am Markt bestehen zu können?
Das Studium ist äußerst praxisbezogen. Jede Gründung birgt andere Herausforderungen und wir als großes Team aus 19 Kolleginnen und Kollegen, die den Kern des Studiengangs ausmachen, möchten unsere unterschiedlichen Kernkompetenzen einbringen. So kenne ich mich mit Produktion und Lieferketten aus, jemand anderes mit den rechtlichen Fragen von Gründern. Neben Vorlesungen wird es viel freie Arbeit zum Austausch über die individuellen Projekte in unseren sieben Laboren geben. Gründen werden die 30 Studierenden bereits im ersten Semester. Nach ein paar Vorwochen geht das Studium am 22. September los. Die ersten drei Wochen gelten dem Ideationsprozess, also der Ideenfindung für die Gründung. Manche haben noch keine Idee und wir haben Methoden, ihnen zu helfen. Nach drei Wochen sollen sich um die Ideen interdisziplinäre Teams gründen. Diese Teams haben dann wieder drei Wochen Zeit, um einen Prototypen zu bauen und zu evaluieren. Ziel ist es, bis zum Ende des Semesters ein sogenanntes MVP entwickelt zu haben, ein Minimum Viable Product (Anm. d. Red.: zu Deutsch minimal brauchbares Produkt). Hierzu betrachtet man die Gesamtidee, die ein bis mehrere Jahre brauchen wird und löst einen Teilaspekt heraus, der sich in den nächsten Wochen an eine Auswahl von Kunden verkaufen lässt. Diese MVPs helfen dabei, echtes Feedback zu erhalten. Das bedeutet Druck für die Studierenden, aber auch Druck für uns.
Müssen die Gründungsideen technischer Natur sein?
Die Studierenden sind da komplett frei – vorausgesetzt, die Ideen sind legal und moralisch unzweifelhaft. Viele andere europaweite Gründungsstudiengänge haben einen dominanten BWL-Schwerpunkt. Wir hingegen haben vier Profile und die Möglichkeit, sowohl den Bachelor of Arts als auch den Bachelor of Science als Abschluss zu erwerben.
An wen richtet sich der Studiengang?
Vom frischen Abiturienten mit Gründungsidee bis zur Persona mit Familie, die eine Agentur gründen möchte, ist jeder willkommen. Jemand muss keine Idee haben und auch noch nicht wissen, ob er oder sie BWLer, Informatiker oder Maschinenbauer werden will. Der innere Antrieb sollte alle vereinen. Wir wünschen uns eine diverse Gruppe, weil wir glauben, dass aus dieser Diversität heraus wertvolle Ideen entstehen. Wir kennen keinen erfolgreichen Gründer oder Gründerin in der Region, der oder die alles alleine gemacht hat. Deswegen sprechen wir gerne wie die Finnen von Teampreneur statt vom Entrepreneur. Wir suchen Teamplayer, die offen sind und über ein gewisses Verantwortungsgefühl verfügen.
Was lernt man in dem Studiengang, was man in Betriebswirtschaft oder Businessmanagement nicht lernt?
Es geht schon damit los, dass man im ersten Semester Module hat wie Konstruktionslehre, Fertigungstechnik und Grundlagen der Programmierung. Sie haben alle, egal für welchen der vier Schwerpunkte oder Abschlüsse sie sich entscheiden. Die Schwerpunktsetzung erfolgt erst nach dem dritten Semester. Im zweiten Semester müssen die Studierenden einen 3D-Drucker bauen, haben Marketing für Entrepreneure und lernen ganz viel über Design, aber auch über Controlling und erhalten Coachings. Uns war wichtig, dass Absolventen später nicht nur einen Master im BWL-Bereich anschließen können. So können Studierende auch Module in Bereichen wie Elektrotechnik oder Energie- und Umweltmanagement belegen und nachher in dafür passenden Mastern Fuß fassen.
Vielen Dank Prof. Dr. Looks für das Gespräch!
Text: Kristina Krijom
Foto: Hochschule Flensburg