Welche Tipps Gründungsberaterin Nina Jerke bereit hält

Welche Tipps Gründungsberaterin Nina Jerke bereit hält

Was ist für eine erfolgreiche und nachhaltige Unternehmensgründung notwendig? Dieser Frage ist ME2BE am Rande eines Netzwerktages für Berufliche Orientierung zum Thema Entrepreneurship Education an der Fachhochschule Westküste in Heide nachgegangen und konnte darüber mit Gründungsberaterin Nina Jerke vom Centrum für angewandte Technologien (CAT) in Meldorf sprechen.

Welche Herausforderungen begegnen Gründungsinteressierten, die ihre Geschäftsidee umsetzen wollen, und wie unterstützen Sie sie dabei?

Häufig fehlt Gründenden die Orientierung. Sie kommen dann mit Fragen zu uns, die wir dann schon in der ersten Beratung zu klären versuchen. Das kann sein, wie der Anmeldeprozess funktioniert oder aber worauf sie sich für eine fachkundige Stellungnahme oder eine Förderung vorbereitet sein müssen. Wir versuchen immer individuell auf die unterschiedlichen Fragen und Ausgangssituationen der Gründenden einzugehen.

Wie wichtig ist die frühe Identifizierung von Potenzialen und Schwächen bei Gründerinnen und Gründern, und wie gehen Sie dabei vor?

In der Regel haben wir es mit klassischen Existenzgründungen zu tun, bei denen die Personen schon im Berufsleben stehen oder schon lange gestanden haben. Sie kennen in der Regel ihre Stärken und haben in gewissen Bereichen Fachkompetenzen. Wichtig ist, sich mit dem Markt auseinanderzusetzen, um zu schauen, wie groß die Zielgruppe ist und wie die durchschnittlichen Preise der Konkurrenten sind. Um dann eine vernünftige Preis- und Umsatzkalkulation vorzunehmen, um wiederum Rückschlüsse ziehen zu können, ob sie von ihrer Selbstständigkeit leben können.

Können Sie ein Beispiel für eine besonders erfolgreiche Gründungsbegleitung nennen und erklären, was diese auszeichnet?

Ich möchte nicht speziell auf eine Gründung eingehen. Wir haben sehr viele erfolgreiche Gründungen begleitet, die dann gewachsen sind, sich internationalisiert und jetzt viele Mitarbeiter haben. Oder aber auch kleine Unternehmen, die krisenresistent sind, die die Corona-Pandemie erfolgreich überstanden haben, indem sie flexibel ihr Geschäftsmodell auf die neuen Marktgegebenheiten und Möglichkeiten, beziehungsweise Einschränkungen, eingestellt haben. Eben nicht nur reagiert, sondern mit dem Markt agiert haben. Wichtig ist, immer seine Möglichkeiten, seine Kunden und natürlich auch die Finanzen im Blick zu behalten. Die meisten Gründungen, beziehungsweise die meisten Gründenden, die wir erfolgreich begleitet haben, nehmen auch gerne wieder Kontakt zu uns auf und wir unterstützen sie auch bei Folgefragen.

Wie wichtig ist Ihrer Meinung nach eine frühzeitige unternehmerische Bildung und welche Rolle spielen Schulen bei der Vorbereitung auf eine spätere Selbstständigkeit?

Eine frühzeitige unternehmerische Bildung ist definitiv wichtig. Man sollte schon darauf achten, dass Kinder und Jugendliche ein Verständnis dafür entwickeln, was sie sich zum Beispiel für ihr Taschengeld leisten können. Nachher, wenn es aus der Schule ins Berufsleben geht, sind sie junge selbstverantwortliche Erwachsene und auch da müssen sie schauen, um den nächsten Schritt zu gehen. Kann ich mir mit meinem Ausbildungsgehalt die Miete leisten, ist mein Kühlschrank voll, wieviel muss ich arbeiten, damit ich über die Runden komme. Was ist meine Arbeitskraft wert? Was ich immer wieder bei erwachsenen Gründenden feststelle, ist, dass ihnen nicht bewusst ist, was eigentlich zwischen dem Brutto- und dem Nettogehalt passiert. Was für Abzüge den Unterschied zwischen brutto und netto ausmachen, sprich Steuern wie Einkommensteuer, aber auch Krankenversicherung, Rentenvorsorge etc. Das wird oftmals in den Businessplänen nicht berücksichtigt. Was ich heute mitgenommen habe, ist aber, dass Entrepreneurship Education etwas mit Persönlichkeitsbildung zu tun hat. Dass Kinder und Jugendliche lernen, einen Blick für die Bedürfnisse der anderen zu haben, also sich im unternehmerischen Kontext auf die Zielgruppe einstellen. Aufmerksam ihre Umgebung betrachten, um zum Beispiel unternehmerische Möglichkeiten zu erkennen, ein stabiles Selbstwertgefühl zu entwickeln, um selbstbewusst genug zu sein auch die Preise für ihre Dienstleistungen zu kalkulieren, die legitim sind und die eigene Leistung nicht unter Wert zu verkaufen.

Welche Verbindung sehen Sie zwischen Entrepreneurship Education in Schulen und der späteren Gründungsbereitschaft? Sehen Sie eine Lücke zwischen schulischer Ausbildung und den tatsächlichen Anforderungen, die Gründer im Alltag erleben?

Was mir grundsätzlich aufgefallen ist, ist, dass eine wirtschaftliche Grundbildung in der Schule nach wie vor vernachlässigt wird.

Wie oft brauche ich im Alltag eine Gedichtsanalyse oder muss ich wissen, aus welcher Epoche ein Kunstwerk stammt? Ich weiß aber nicht, wie teuer die Lebenshaltungskosten sind, um unabhängig leben zu können, oder welche Versicherungen ich brauche. Es wird in der Gesellschaft immer viel über Steuern geschimpft, aber das liegt daran, dass ein Verständnis für das Sozialsystem und dafür, wofür Steuern überhaupt erhoben werden, fehlt. Ein Umdenken und die Implementierung ist jedoch in Gange und das zeigt das Engagement und die Bereitschaft der Teilnehmenden an der heutigen Veranstaltung.

Wie könnten Schulen und Gründungsberater wie Sie noch besser zusammenarbeiten, um Schüler auf eine mögliche Selbstständigkeit vorzubereiten?

Ich denke, dass ein Netzwerktag, bei denen sich Gründungsberater mit Wirtschaftsförderungsabsichten und Lehrerinnen und Lehrer, mit dem Ziel junge Menschen bestmöglich auf ihre Zukunft vorzubereiten, schon ein guter Schritt in die richtige Richtung ist. Denn auch ich konnte heute meinen Blickwinkel verändern und Verständnis dafür bekommen, wie Enterpreneurship Education an Schulen aussehen kann und dass dort nicht grundsätzlich das Ziel ist, jemanden auf seinem Weg zu einer erfolgreichen Gründung zu begleiten, sondern vielmehr die persönliche Entwicklung zu fördern und ein Mindset zu schaffen.

Welche aktuellen Trends beobachten Sie im Gründungsbereich, die Gründungsinteressierte unbedingt kennen sollten?

Um Digitalisierung als Trend zu nennen, gibt es diesen eigentlich schon viel zu lange, und er sollte eigentlich mittlerweile selbstverständlich sein. Digitalisierung geht meistens auch mit nachhaltigen Geschäftsprozessen und nachhaltigem Wirtschaften einher. Das muss nicht Nachhaltigkeit im ökologischen Sinne bedeuten, sondern eher im Sinne einer langfristigen Beständigkeit und Krisenresistenz. Des Weiteren kommt es auch sehr darauf an, wie die regionale Wirtschaft ausgerichtet ist. Stärken der schleswig-holsteinischen Westküste sind zum Beispiel die maritime Wirtschaft, die blaue Biotechnologie sowie die erneuerbaren Energien.

Was sind aus Ihrer Sicht die größten Stolpersteine, die Gründer beim Übergang von der Idee zur Umsetzung ihrer Geschäftsidee erleben? Welche Unterstützung wird hier am meisten benötigt?

Die Gründenden, die zu uns in die Beratung kommen sind meistens Experten auf ihrem jeweiligen Fachgebiet. Was ihnen in der Regel fehlt, ist die kaufmännische Qualifikation. Am Anfang geht es auch darum, die eigene Geschäftsidee für Außenstehende kurz und prägnant beschreiben zu können, aber auch langfristig in die Zukunft zu schauen und eine stabile finanzielle Grundlage zu schaffen, um die eigenen Lebenshaltungskosten finanzieren zu können. Diese langfristige Planung und die Berücksichtigung verschiedener Einflussfaktoren fällt vielen schwer, auch weil die Planung später im Alltag durchaus abweichen kann und auch darf. Das passiert automatisch mit dem ersten Kundenkontakt oder weil man merkt, dass der Markt anders funktioniert.

Gibt es neue Fördermöglichkeiten oder Programme, die Gründungsinteressierten helfen können, ihre Geschäftsideen erfolgreich zu verwirklichen?

In Schleswig-Holstein gibt es tatsächlich sehr viele Fördermöglichkeiten oder Programme, die Gründende auf ihrem Weg unterstützen können. Da gibt es zum einen das große Existenzgründungsnetzwerk von Startup SH, diverse Gründungswettbewerbe, Acceleratoren, die beim Wachstum sowohl mit Geld als auch mit Mentorenprogrammen unterstützen, Fördergelder und Gründungskredite. Dazu beraten diverse Experten auch kostenlos, dazu gehören sowohl die Förderlotsen von der IB.SH als auch regionale Förderexperten zum Beispiel der Wirtschaftsförderungen der jeweiligen Region, bei uns wäre das zum Beispiel unsere Muttergesellschaft, die Entwicklungsgesellschaft Westholstein.

Gruppe spricht

Durch den Austausch mit Experten und Gleichgesinnten lassen sich wertvolle Kontakte knüpfen und Gründungsvorhaben gezielt vorantreiben (v.l. Johannes Schmidt, Nina Jerke, Prof. Dr. Ines Lietzke-Prinz und Dominik Johänntgen).

Wie wichtig sind Netzwerke und Partnerschaften in der Frühphase einer Gründung und welche Arten von Kooperationen sind besonders wertvoll für angehende Gründer?

Netzwerke sind unerlässlich. Durch diese bekommt man viele Eindrücke und lernt potenzielle Geschäftspartner oder auch Unterstützer kennen. Man kann von der Expertise unterschiedlichster Persönlichkeiten profitieren und diese mit eigenen Erfahrungen verknüpfen, um das eigene Gründungsvorhaben weiterzuentwickeln oder weiter voranzutreiben. Dafür muss man aber rausgehen und Leute treffen, um persönlich ins Gespräch zu kommen. Und ein Netzwerk funktioniert natürlich nicht nur einseitig, das heißt man muss aufgeschlossen und auch bereit sein, sein Wissen und seine Kontakte zu teilen.

Inwiefern können lokale Wirtschaftsregionen und Netzwerke von Unternehmen zur Unterstützung von Gründungsinteressierten beitragen?

Das Portfolio der unterschiedlichen Wirtschaftsförderungsgesellschaften ist zumeist größer als man denkt. Diese helfen nicht nur mit ihrem Expertenwissen zu unterschiedlichen Themenbereichen, sondern auch bei der Ansiedlung von Unternehmen. Sie informieren über mögliche Fördermöglichkeiten oder Finanzierungsmöglichkeiten, sie unterstützen, wie wir beim Schreiben eines Businessplans, indem wir die Gründenden dazu befähigen. Sie bieten Veranstaltungen zu gründungsrelevantem Wissen an, bei dem auch das eigene Netzwerk weiter ausgebaut werden kann. Und sie wissen über die wirtschaftlichen Gegebenheiten in den einzelnen Regionen Bescheid und können so auch mit Tipps und Prognosen unterstützen. Das CAT in Meldorf und das mariCUBE in Büsum bieten zudem eine Infrastruktur für Gründerinnen und Gründer an, das heißt man hat die Möglichkeit in Coworking Spaces zu arbeiten, sich Büros zu mieten, Lagerräume zu bekommen, Werkstätten und Labore zu mieten – und das zu gründungsfreundlichen Konditionen, um einen Start ins erfolgreiche Business zu ermöglichen.

Was motiviert Sie persönlich, Gründungsinteressierte zu begleiten, und welcher ist Ihrer Meinung nach der wichtigste Erfolgsfaktor für eine gelungene Gründung?

Ich arbeite sehr gerne mit Menschen und gebe auch gerne mein Wissen weiter, das war schon immer so.

Dass ich das einsetzen kann, Menschen bei ihrem Traum, sich selbstständig zu machen zu unterstützen, finde ich super. Jede Gründungsgeschichte, jede Biografie, die hinter der Entscheidung steckt, sich selbstständig machen zu wollen, ist anders und sehr interessant. Man lernt nie aus und steht ständig vor der Herausforderung, den eigenen Horizont zu erweitern. Mit das Wichtigste für eine gelungene Gründung ist eine starke Motivation, Durchhaltevermögen und Aufgeschlossenheit. Wenn man dann auch noch gut strukturiert ist und gewillt ist, sich ständig weiterzuentwickeln, neue Dinge zu lernen, ist das eine gute Basis.

Wie bleiben Sie auf dem Laufenden in einem sich ständig verändernden Gründungsumfeld? Gibt es spezielle Ressourcen oder Methoden, die Sie empfehlen können?

Das Zauberwort ist Netzwerken. Denn in einem Netzwerk findet ständiger Austausch statt und jeder hat – basierend auf seinen eigenen Interessen – oftmals den neuesten Stand eines bestimmten Themenbereiches, der für Gründungsförderung interessant und wichtig ist. Ressourcen und Methoden hängen immer von der Zielgruppe ab, mit der man zusammenarbeitet. Möchte man eine Förderung von einer Bank oder einem Förderinstitut, sollte ein guter Businessplan existieren. Möchte man an einem Gründungswettbewerb teilnehmen oder Venture Capital für sein Unternehmen akquirieren, braucht es ein gutes Pitch Deck. Steht man noch ganz am Anfang oder möchte man seine Geschäftsidee erweitern, kann man mit unterschiedlichen Methoden und Vorlagen arbeiten, wie zum Beispiel einem Business Model Canvas oder der Ideation beziehungsweise Design Thinking Methode.

Gelebtes Netzwerken: An der FH Westküste in Heide wurde intensiv über Entrepreneurship Education diskutiert.

So sieht Lorenz Gaede die Entwicklung der Entrepreneurship Education in Schleswig-Holstein.

TEXT Markus Till
FOTO Henrik Matzen