Flensburg, Kiel, Lübeck – Pioniere im Wandel der Zeit

Flensburg, Kiel, Lübeck – Pioniere im Wandel der Zeit

2019 beginnt die Phase der Jubiläen westdeutscher Fachhochschulen. Die ersten Korken knallen im Norden, denn den Anfang machen die drei FH-Nordlichter in Flensburg, Kiel und Lübeck, gefolgt von der Fachhochschule Hamburg, die im Februar 1970 gegründet wurde und folglich im Frühjahr 2020 ihren Fünfzigsten feiern wird. Alle drei Gründungshochschulen blicken jeweils auf eine bewegte Geschichte zurück, haben eigenständig den Sprung in die Moderne geschafft und blicken gut aufgestellt in die Zukunft!

Sarah Friede von der TH Lübeck

Sarah hat an der TH Lübeck Architektur studiert

Die Technische Hochschule Lübeck (TH Lübeck)

… damals: Die Technische Hochschule Lübeck hat ihre Wurzeln in der Navigationsschule von 1808, der späteren Seefahrtschule Lübeck. 1961 wurde sie in die Staatliche Ingenieurschule Lübeck überführt und begann 1962 ihren Lehrbetrieb für Maschinenbau, Elektrotechnik und Physikalische Technik. 1969 wurden diese Ingenieurschulen zur Staatlichen Fachhochschule Lübeck für Technik und Seefahrt zusammengelegt, die seitdem als erste „Staatliche Fachhochschule“ der Moderne gilt. Am 1. September 2018 wurde die Fachhochschule Lübeck in Technische Hochschule Lübeck umbenannt.

… heute: An der TH Lübeck sind rund 4.700 Studierende in 20 Bachelor- und 13 Masterstudiengängen immatrikuliert. Das inhaltliche Profil wird durch die Fachbereiche Angewandte Naturwissenschaften, Bauwesen, Elektrotechnik und Informatik sowie Maschinenbau und Wirtschaft geprägt. Eine Besonderheit liegt in der Nähe zur benachbarten Universität und zum UKSH. Daraus resultiert auch ein hoher Grad an interdisziplinären Veranstaltungen und eine internationale Studienatmosphäre.

Fabian von der Hochschule Flensburg

Fabian studiert Medieninformatik an der Hochschule Flensburg

Die Hochschule Flensburg (HS Flensburg)

… damals: Die Hochschule Flensburg wurde 1877 als Navigationsschule gegründet und 1886 als Königliche Seedampf-Maschinistenschule benannt. 1969 erhielt sie den Status einer Staatlichen Fachhochschule für Technik. Bis 1975 stand die Ausbildung von Ingenieuren in der Schiffsbetriebstechnik sowie von Nautikern im Vordergrund. Das Maritime Zentrum auf dem Flensburger Campus ist heute landesweit die einzige Ausbildungsstätte dieser Art. Nach der Erweiterung in den 1970er Jahren wurden Elektrotechnik und Informatik angeboten, später kamen weitere Fächer hinzu. Am 1. Mai 2016 wurde die Fachhochschule Flensburg in Hochschule Flensburg umbenannt.

… heute: An der Hochschule Flensburg studieren rund 4.000 Studierende in zehn Bachelor- und Masterstudiengängen. Das inhaltliche Profil ist in fünf Fachbereichen organisiert: Maschinenbau, Verfahrenstechnik und Maritime Technologien, Energie und Biotechnologie, Information und Kommunikation sowie Wirtschaft. Eine Besonderheit: Moderne Ausstattung und einzigartige Studiengänge locken Studierende an die nördlichste Hochschule Deutschlands. Der von Natur umgebene Campus auf dem Flensburger Sandberg wird mit der benachbarten Europa-Universität geteilt.

Lasse von der FH Kiel

Lasse (links) studiert Mechatronik (M.Sc.) an der FH Kiel

Die Fachhochschule Kiel (FH Kiel)

… damals: Die Fachhochschule Kiel wurde 1969 aus mehreren staatlichen Ingenieurschulen und Fachschulen zusammengelegt und befindet sich seit 1998 auf einem Campus im Kieler Stadtteil Neumühlen-Dietrichsdorf (mit Ausnahme der Agrarwirtschaft mit Sitz in Osterrönfeld).

… heute: An der FH Kiel studieren rund 7.800 Studierende in 37 Bachelor- und Masterstudiengängen. Das inhaltliche Profil ist in sechs Fachbereiche gegliedert: Agrarwirtschaft, Informatik und Elektrotechnik, Maschinenwesen, Medien und Bauwesen, Soziale Arbeit und Gesundheit, Wirtschaft. Besonderheiten der FH Kiel: Als größte Fachhochschule und zweitgrößte Hochschule des Landes Schleswig-Holstein haben Studierende die Auswahl aus einem breiten Studienangebot. Fremdsprachige Fachveranstaltungen sowie ein Studierendenaustausch mit über 100 Hochschulen in mehr als 40 Ländern verleihen der FH Kiel eine ausgeprägte Internationalität und eine hohe Verzahnung mit der regionalen Wirtschaft.

FH, TH, HS oder HAW?

Die Geschichte vieler Fachhochschulen ist interessant und facettenreich. Von den Gründungen königlicher und kaiserlicher Marine und Maschinistenschulen über die Ingenieur-, Kunst- und Gewerbeschulen bis hin zu staatlichen Fachhochschulen erstreckt sich ein Zeitraum von über 200 Jahren. Trotz gestiegener Anerkennung und Aufwertung der Studienabschlüsse versuchen Fachhochschulen bis heute das Etikett der 1970er Jahre abzuschütteln, FHs seien „nur“ technische Berufsakademien und böten Absolventen schlechtere Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt. Das Gegenteil ist der Fall! Die anfangs mehrheitlich ingenieurwissenschaftlichen Studiengänge sind einer Vielzahl von Studienangeboten gewichen, die für alle Zukunftsbranchen qualifizieren: Biomedizintechnik, Applied Bio and Food Sciences, eHealth, Offshore-Anlagentechnik, Multimedia Productions, Regulatory Affairs … sind nur einige Beispiele aus dem üppigen Angebot der drei Gründungsfachhochschulen. Ist vor diesem Hintergrund der Name „Fachhochschule“ noch zeitgemäß?

Deutsche Fachhochschulen bezeichnen sich heutzutage lieber als „Hochschule für Angewandte Wissenschaften“ bzw. als „University of Applied Sciences“ und möchten sich damit ein moderneres Image geben. Selbst das offizielle Jubiläumsmotto lautet „50 Jahre HAW“ und akzeptiert den darin verborgenen Anachronismus. Die erste formelle Umbenennung im Norden wurde aus Hamburg gemeldet. Aus der FH Hamburg wurde 2001 die Hochschule für Angewandte Wissenschaften HAW Hamburg. Die Flensburger zogen 15 Jahre später nach, strichen das „Fach“ aus dem Namen und heißen seit 2016 „Hochschule Flensburg“. Jüngstes Mitglied im neuen Namensgewand ist die älteste FH Deutschlands. Aus der FH Lübeck wurde 2018 die Technische Hochschule TH Lübeck. Nur die FH Kiel steht noch zu ihrem 50-jährigen Namen und verschafft sich damit eventuell bald ein weiteres Alleinstellungsmerkmal. Traditionen sind wichtig, aber Fachhochschulen denken anwendungsorientiert. Das liegt in ihrer DNA. Egal wie sie heißen. Herzlichen Glückwunsch. Auf die nächsten Fünfzig!

TEXT Christian Dorbandt
FOTO Sebastian Weimar, Frieder Dillmann