Prof. Dr. rer. nat. Antje Labes – Kluge Köpfe der Hochschule Flensburg

Prof. Dr. rer. nat. Antje Labes – Kluge Köpfe der Hochschule Flensburg

Antje Labes ist Professorin für Mikrobiologie und Molekularbiologie an der Hochschule Flensburg. Nach ihrem Biologiestudium in Berlin und Kiel gründete sie die Beratungs- und Trainingsfirma „Ebbe & Flut“, arbeitete als Ausbilderin in Gesundheitsberufen sowie als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung. Sie ist Mitglied im Vorstand der European Society of Marine Biotechnology und Vorsitzende des Nordverbund Marine Biotechnologie. An der Hochschule Flensburg lehrt sie in den Studiengängen Bio-, Lebensmittel- und Verfahrenstechnologie (B.Sc.) sowie Applied Bio and Food Sciences (M.Sc.).

 

ME2BE Campus: Hallo, Frau Professorin Labes. Als Mikrobiologin experimentieren Sie unter anderem mit Algen und Schimmelpilzen. Was fasziniert Sie daran?

Antje Labes: Mich begeistern die biologisch vielfältigen Möglichkeiten dieser kleinen Biester, wie ich sie liebevoll nenne. Die Organismen, mit denen wir uns beschäftigen, vor allem Bakterien, aber auch filamentöse Pilze, können wir in vielen Bereichen verwenden, zum Beispiel als Produzenten von Antioxidantien, Anti-Krebsmedikamente oder als Farbstoffe. Faszinierend finde ich auch die Beobachtung dieser Kleinstlebewesen unter dem Mikroskop. Wir bewegen uns unterhalb der Auflösungsgrenze des Auges, also unterhalb von 200 Mikrometern oder 0,2 Millimetern. Im Gegensatz zu den spezialisierten Biologen schauen wir also genauer hin!

Wann haben Sie die Leidenschaft für Naturwissenschaften entdeckt?

Ich komme aus einer Familie von Naturwissenschaftlern und wollte unbedingt einen biologischen Beruf erlernen. Ich habe früh ein Auge dafür entwickelt, was es da draußen in der Natur alles gibt. Die Fragen, die mich interessiert haben, waren: Was gibt es? Warum gibt es das? Und wie funktioniert das? Dieses Verlangen nach Erklärungen ist bis heute ein permanenter Antrieb. Je tiefer ich in Prozesse blicke, frage ich mich: Warum ist das so?

Was sind Ihre Aufgaben an der Hochschule Flensburg?

Ich bin als Professorin für Mikro- und Molekularbiologie berufen und unterrichte in unseren Bachelor- und Master-Studiengängen im Bereich Bio-, Lebensmittel- und Verfahrenstechnologie. Meine Aufgaben sind zweigeteilt: Zum einen unterrichte ich Grundlagenfächer, beispielsweise Biologie, Biochemie, Organische Chemie und Mikrobiologie, damit Studierende das Handwerkszeug haben, selbständig Problemstellungen zu analysieren und zu lösen. Zum anderen untersuche ich die Nutzung der biologischen Diversität. Ich schaue auf das, was viele Millionen Jahre Evolution bereits hervorgebracht haben und überlege, wie wir Organismen für neue Prozesse, Medikamente, Kosmetika oder für die Verbesserung von Lebensmitteln einsetzen können.

Beschäftigen Sie sich auch mit dem Thema Gentechnik?

Ja, Gentechnik und gentechnologische Veränderungsprozesse gehören zur modernen Biotechnologie dazu. Ich unterrichte auch dieses Fach. Aber wir finden in der Natur so vieles, was wir nachhaltig nutzen können, sodass wir grundsätzlich auf natürlichem Weg in der Lage sind, Fehler zu vermeiden, die wir in der Vergangenheit gemacht haben.

Prof. Dr. Antje Labes schaut genau hin.

Prof. Dr. Antje Labes schaut genau hin.

Haben Sie ein Beispiel für einen solchen Fehler und dessen Überwindung?

Ein typisches Beispiel sind die berühmten Omega-3-Fettsäuren. Wir kennen sie als wertvollen Nährstoff, unter anderem für die Gehirnentwicklung. Gewonnen werden sie aus Kaltwasserfischen, und das sind in der Regel die Raubfische aus dem Ozean. Mittlerweile wissen wir, dass Fische als Quelle viel zu wertvoll sind. Unsere Meere leiden unter der Überfischung, und ganze Öko-Systeme drohen zu kippen. Die Natur hat Omega-3-Fettsäuren aber schon viel früher erfunden und zwar in mikrobieller Form in Mikroalgen. Diese können wir an Land züchten, dafür salz- oder nitrathaltiges Wasser verwenden, also Wasser, für das wir sonst wenig Verwendung haben und wir müssen dafür keinen einzigen Fisch fangen.

Die Bewegung ‚Fridays for Future’ fordert radikalen Klimaschutz. Was kann die Biotechnologie dazu beisteuern?

Sehr viel! Wir erforschen täglich, wie Produkte energiesparend hergestellt werden können oder versuchen Mikroorganismen davon zu überzeugen, Stoffe zu produzieren, die fossile Rohstoffe ersetzen. Beim Thema Wind haben wir eine ‚Power to X’-Situation. Wir haben Wind, können ihn aber nicht ins Regal legen. Als Biotechnologen arbeiten wir daran, Wind in biologisch konservierte Formen zu überführen, zum Beispiel zu Biogas.

Begegnen Ihnen auch privat Ihre kleinen Biester? Anders gefragt: Sehen Sie ständig Prozesse, die andere nicht entdecken?

Spannende Frage. Ich verwende privat Mikroorganismen zur Herstellung von Bier und Joghurt. Ansonsten entdecke ich schnell den mikrobiologischen Zusammenhang zwischen Bauchschmerzen und mangelnder Lebensmittelhygiene und weiß, woher die pupurfarbenen Streifen kommen, die man bei gutem Wetter am Strand entdecken kann: Es sind Purpurbakterien, die für ihre Photosynthese rötliche Farbpigmente verwenden.

TEXT Christian Dorbandt
FOTOS Sebastian Weimar