Seit Februar ist Maiwand Ghafoori für die Berufsberatung der Schülerinnen und Schüler an der Isarnwohld-Schule zuständig. Wenn es um Orientierung geht, weiß der gebürtige Kabuler sehr genau, wovon er spricht. Als er 1996 mit seiner Familie aus Afghanistan nach Norddeutschland kam, musste er sich als Zehnjähriger in einem ganz neuen Leben zurechtfinden. Heute ist er 37 und nicht nur in seiner neuen Heimat Eckernförde, sondern auch in seinem Traumjob angekommen.
Herr Ghafoori, erzählen Sie uns doch bitte von Ihrem Werdegang!
Als ich mit meiner Familie nach Deutschland kam, habe ich nach der Grundschule zunächst die Realschule Gudewerdt besucht. Da ich dem Schulstoff auch aufgrund sprachlicher Probleme nicht ganz folgen konnte, bin ich auf die Fritz-Reuter-Hauptschule gewechselt und habe dann dort in verkürzter Zeit meinen ESA gemacht. Im Anschluss daran absolvierte ich am Berufsbildungszentrum meinen MSA. Obwohl es bis hierher schulisch alles in allem ganz gut gelaufen war, hatte ich nach dem Abschluss noch keinen Plan, was ich beruflich machen wollte. Schließlich habe ich in Düren (NRW) bei Aldi den Beruf des Einzelhandelskaufmanns erlernt. Aber weder meine Tätigkeit im Einzelhandel noch mein Heimweh nach Eckernförde haben mich glücklich gemacht. Nach meiner Rückkehr stand für mich fest, dass ich meine Fachhochschulreife nachholen möchte. Während meiner Weiterqualifizierung an der Fachoberschule in Kiel war der Besuch eines Berufsberaters so etwas wie ein Schlüsselerlebnis für mich. Seine Erläuterungen zu den Inhalten des Studiengangs Wirtschaftsrecht an der FH Westküste trafen einen Nerv bei mir. Die Verbindung zwischen Wirtschaft und Recht und die Praxisnähe des Studiums fand ich sehr spannend. So habe ich mich für das Studium beworben und mein Bachelorstudium im Bereich Personalmanagement und mein Masterstudium im Bereich Green Energy (Planung und Realisierung von Erneuerbare-Energien-Projekten) erfolgreich abgeschlossen.
Ein bewegter Lebenslauf und ein gutes Beispiel für die Durchlässigkeit unseres Bildungssystems. Aber wie sind Sie dann schließlich zur Agentur für Arbeit gekommen?
Da spielte der Zufall eine Rolle. Nach dem Studium war ich als Überbrückung im BAMF (Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge) als Dolmetscher tätig. Dort erhielt ich den Tipp, mich bei der Agentur für Arbeit in Heide zu bewerben. Dort arbeitete ich dann einige Jahre in der Arbeitsvermittlung. Da ich mich aber immer schon für die Arbeit mit jungen Erwachsenen interessierte, überlegte ich, als sich mir die interne Chance bot, nicht lange und wechselte in die Berufsberatung. Seither betreue ich seit mehreren Jahren Gemeinschaftsschulen und Gymnasien unseres Kreises.
Welche Rolle spielen Ihre persönlichen Erlebnisse bei Ihrer Arbeit als Berufsberater?
Mit Sicherheit eine sehr große. Ich erinnere mich noch lebhaft daran, wie es mir damals ergangen ist und welche Unsicherheiten vorhanden waren. Aber meine eigene Vita hat mir gezeigt, dass sich immer wieder neue Chancen bieten, auch solche, die ich vorher nicht für möglich gehalten hätte. Es kommt darauf an, neugierig zu sein, Fragen zu stellen, Informationen zu sammeln und vorhandene Möglichkeiten zu nutzen.
Die vielen Möglichkeiten sind jungen Menschen oft gar nicht bekannt!
Das ist auch meine Erfahrung. Natürlich ist der Übergang zwischen Schule und Beruf für viele problematisch, aber ich kann nur dazu ermutigen, keine Angst zu haben. Bei dem Prozess der beruflichen Orientierung geht es nicht um die Frage nach dem Entweder-oder, sondern um die Frage nach dem Sowohl-als-auch. Das betrifft auch meinen eigenen Werdegang.
Was reizt Sie besonders an Ihrer Arbeit als Berufsberater?
Ich lerne so viele unterschiedliche junge Menschen kennen und es fasziniert mich, ihre Entwicklung zu begleiten. Jede und jeder, der zu uns kommt, ist einzigartig. Einige haben schon konkrete Vorstellungen, andere haben noch gar keinen Plan. Für mich ist das ok, denn wir sind ja dafür da, gemeinsam Optionen herauszuarbeiten und zu schauen, wie und wohin der Weg gehen könnte. Das Thema Berufsorientierung ist in diesem Alter für Schülerinnen und Schüler schon sehr komplex und überfordert manchmal. Da ist jede Hilfe gefragt; deshalb freue ich mich immer besonders darüber, wenn auch die Eltern unterstützend in den Entscheidungsprozess eingebunden sind.
Welche Unterstützung bieten Sie neben den Sprechstunden und der Mitarbeit im Berufsorientierungsunterricht als Agentur für Arbeit noch an?
Ein Beispiel: Für nicht mehr schulpflichtige Interessenten, die eine Ausbildung beginnen wollen, aber sich noch unsicher sind, welcher Beruf für sie in Frage kommen könnte, bieten wir die Möglichkeit einer Berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme (BvB) an. Wir begleiten die Interessenten mithilfe von Experten sowohl theoretisch als auch praktisch auf diesem Weg. Eine Maßnahme, die sich übrigens auch an diejenigen richtet, die eine Ausbildung abgebrochen haben und sich umorientieren möchten.
Wann starten Sie mit Ihrer Arbeit an der Isarnwohld?
Umgehend – und ich freue mich sehr auf die Schülerinnen und Schüler und unsere Zusammenarbeit.
Dieser Artikel ist in der GET BIM 2023 erschienen. Hier geht es zum E-Paper.
Mehr zu Isarnwohld-Schule: Im Gespräch mit dem Schulleitungsteam Marion Ehrich und Jens Gorath
TEXT: Anja Nacken
FOTO: Agentur für Arbeit