Die Schulleiterin Marion Ehrich und der stellvertretende Schulleiter Jens Gorath über nachhaltige Maßnahmen als Zukunftsschule, den Mehrwert persönlichkeitsfördernder AGs und die Verantwortung von Schule in herausfordernden Zeiten.
Frau Ehrich, Herr Gorath, warum ist die Isarnwohld-Schule mehr als ein Ort des Lernens?
Marion Ehrich: Wir sind eine ganz besondere Schule, eine sogenannte organisatorische Verbindung, das bedeutet, wir verbinden zwei Bildungsgänge unter einem Dach, das Gymnasium und die Gemeinschaftsschule – unter einer Leitung. Das birgt den Vorteil, dass wir unseren Schülerinnen und Schülern individuelle Bildungschancen und -karrieren bieten können. Wenn ein Schulwechsel stattfindet, wechseln die Kinder bei uns nur die Tür, nicht aber das Gebäude oder den Schulstandort. Für mich ist Schule auch ein Wohlfühlraum, denn ich bin der festen Überzeugung, nur wenn Schülerinnen und Schüler – und auch das Kollegium – gern in die Schule kommen, kann in Ruhe gelernt, geleistet, gefördert und gefordert werden.
Jens Gorath: Schule ist ja nicht nur ein Lernraum, Schule ist ein Lebensraum. Wir versuchen, Schülerinnen und Schüler über den Unterricht hinaus auf das vorzubereiten, was neben der Schule passiert; durch AGs wie die Blumenwiese- oder die Bienen-AG, Sportangebote, aber auch durch den wichtigen Bereich der Berufsorientierung erweitern wir den Horizont der Kinder und Jugendlichen. So ermöglichen wir ihnen, dass sie sich rechtzeitig über mögliche berufliche Perspektiven Gedanken machen. Als Lehrerinnen und Lehrer möchten wir zudem ihre Talente fördern.
Welche Werte vermitteln Sie den Schülerinnen und Schülern?
Gorath: Beim Sport legen wir großen Wert auf Teambuilding, Respekt voreinander und vor dem Gegner, Toleranz und Akzeptanz. Denn nur im guten Miteinander kann man erfolgreich lernen. Wir sind auch sehr aktiv in den Bereichen Nachhaltigkeit sowie Klimaschutz und leben so die Werte einer Zukunftsschule, der das Zukunftssiegel verliehen wurde. Im Erdgeschoss zeigt ein großer Monitor den gesamten Energieverbrauch unserer Schule pro Tag an. Das bedeutet, die Schülerinnen und Schüler werden informiert und sensibilisiert. Aktuell haben wir auch ein großes Klimaprojekt in Gettorf und unsere Kollegin Frau Dworschak zeigt sich hier sehr engagiert. Alle Klassen sind aufgefordert, einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Zudem hat jede Klasse einen Klima-Coach auserkoren, der dafür sorgt, dass regelmäßig gelüftet wird, die Fenster geschlossen werden, die Heizung reguliert und das Licht gelöscht wird. Im Frühjahr nehmen wir als Schule am Stadtradeln teil, das bedeutet, dass nicht nur die Schülerinnen, Schüler und das Kollegium, sondern auch die Eltern mit angesprochen sind, möglichst viel das Fahrrad und öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen.
Ehrich: Uns Lehrkräften ist es wichtig, die sogenannten traditionellen Werte wie Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit, Pflichtgefühl und Verantwortungsbewusstsein vorzuleben. So möchten wir die Jugendlichen dazu anregen, diese ebenfalls zu praktizieren. Das Board im Erdgeschoss zeigt übrigens auch, wie viel Energie die Schule produziert. Auf unserem Schuldach befinden sich rund 30 Sonnenkollektoren einer Photovoltaikanlage. Wir legen außerdem großen Wert darauf, dass die Schülerinnen und Schüler nicht nur für den Gesamtenergieverbrauch der Schule, sondern auch für den Energieverbrauch ihrer Klasse sensibilisiert werden. Außerdem findet ein Austausch darüber statt, welche weiteren Maßnahmen wir treffen können, um Nachhaltigkeit an der Schule konkret zu leben. So werden Ideen wie Flohmärkte oder Kleidertauschbörsen diskutiert.
Welchen Stellenwert nehmen Schulprojekte und AGs außerhalb des Lehrplans ein, um diese Werte zu transportieren?
Ehrich: Die AGs gehören neben dem regulären Unterricht einfach dazu und geben den Schülerinnen und Schülern jahrgangsübergreifend die Möglichkeit zu einer anderen Form der Begegnung und dazu, Freundschaften zu knüpfen. So trainieren in unseren Sport-AGs Fünft- mit Siebtklässlern zusammen. Ich finde, Schule sollte junge Menschen nicht nur durch Noten motivieren, sondern auch durch den Spaßfaktor – und dafür sind unsere AGs da und werden sehr gut angenommen. Ob in den Bereichen Sport oder Naturwissenschaften, beim Experimentieren oder in der Klima-AG, überall findet man an unserer Schule junge, motivierte Menschen, die neben dem Unterricht etwas bewegen möchten. Im Rahmen des regulären Unterrichts haben wir im Wahlpflichtunterricht nicht nur das Fach Technik, sondern auch das Fach Werkstatt. In diesem Unterricht ab Klasse sieben wird handwerklich gearbeitet. Unter der Leitung unseres Kollegen Herrn Wilhelm bauen die Teilnehmenden alles Mögliche – von hölzernen Kerzenhalten über Vogelhäuser und Nistkästen bis hin zu Insektenhotels.
Gorath: Im Gemeinschaftsschulzweig unterrichten wir das Fach Technik; aber auch im Werkunterricht gibt es technische Projekte. So wurde innerhalb des Projektes Lernen durch Engagement ein ansprechender Schaukasten gebaut. Die AGs sind in erster Linie eine Chance, sich auszuprobieren und Neues zu entdecken – ob Theater-AG oder Floorball. Auf der anderen Seite können bereits vorhandene Talente gefördert und in die Gemeinschaft eingebracht werden, um andere zu inspirieren und dadurch die eigene Persönlichkeit zu entwickeln, weil man etwas vormacht oder eine Mannschaft nach vorne bringt. Das sind Erfahrungen, die das Selbstvertrauen stärken und eine Verbindung mit der Schule herstellen.
Was unternimmt die Isarnwohld-Schule, um queere Menschen zu integrieren?
Ehrich: Wir haben junge Menschen an der Schule, die queer sind, deshalb wurde bereits vor Jahren eine sogenannte Regenbogentoilette etabliert. Wir begegnen queeren jungen Menschen vollkommen offen, sie werden an unserer Schule voll und ganz akzeptiert.
Welche Rolle spielt gute Bildung, um globalen Krisen mit Resilienz zu begegnen?
Ehrich: Resilienz spielt – besonders nach den letzten Jahren – eine wichtige Rolle. Es hat sich herausgestellt, dass viele junge Menschen mit diesen Krisen schlecht zurechtgekommen sind. Viele haben im Bereich der Begegnung durch die temporäre Schließung der Schulen große Defizite erfahren. Aus meiner Sicht war die Schließung der Schulen ein Fehler, denn Schule ist nicht nur ein Lernort, sondern auch ein Ort der Begegnung. Ich halte es für essentiell, dass Lehrerinnen und Lehrer versuchen, ein Vertrauensverhältnis zu ihren Schülerinnen und Schülern aufzubauen; nicht nur zu lehren, sondern auch menschlich für sie da zu sein. Wir sind heute – mehr als zuvor – mit Heterogenität in den Klassen konfrontiert, und daher muss es für jede Kollegin und für jeden Kollegen Aufgabe sein, die Kinder da abzuholen, wo sie stehen – auch hinsichtlich ihrer psychischen Verfassung. An der Schule unterstützen uns zum Glück drei ausgebildete Sozialpädagoginnen – eine von ihnen ist Psychologin. Wir sind froh, Schülerinnen und Schülern, die psychische und psychosoziale Unterstützung benötigen – auch bis ins Elternhaus hinein –, dank unseres Schulträgers sozialpädagogisch begleiten zu können.
Welche Verantwortung hat die Schule, gesellschaftliche und politische Umbrüche einzuordnen?
Gorath: Es ist ganz wichtig, dass wir Hintergrundinformationen liefern, um politische Sachverhalte besser verstehen und einordnen zu können. Hier müssen wir Neutralität wahren und beide Seiten darstellen, damit die Schülerinnen und Schüler in der Lage sind, ihre eigenen Schlussfolgerungen zu ziehen. Wichtig ist, dass die Sachverhalte in der Klasse diskutiert werden – unter Berücksichtigung von Werten wie Respekt, Akzeptanz und Toleranz. Wir möchten die jungen Menschen befähigen, sich auf der Grundlage von Fakten eine fundierte Meinung zu bilden.
Ehrich: Als der Krieg in der Ukraine begann, entstand in unserer Schule eine gewisse Unruhe, insbesondere bei unseren jungen Schülerinnen und Schülern. Sie hatten Angst davor, dass der Krieg näher kommt. Herr Gorath und ich haben das Kollegium damals gebeten, vielfältig, umfangreich und offen über den Krieg zu sprechen und im Unterricht immer wieder, wenn Gesprächsbedarf besteht, Zeit dafür einzuräumen.
Wie steht es um die Berufsorientierung an der Schule?
Ehrich: Unser Koordinator, Herr Dawson, ist für die Berufsorientierung im Gemeinschaftsschulteil verantwortlich. In den Jahrgangsstufen acht und neun findet jeweils ein Praktikum statt. Zudem gibt es ein spezielles Programm namens BOP, das steht für Berufsorientierungsprogramm. Dieses umfasst sogenannte Werkstatttage, z. B. bei AVES in Eckernförde und Praktika bei unseren Kooperationspartnern wie der Firma Punker GmbH, der Förde-Sparkasse oder der AOK. Am Gymnasium ist das Fach Berufsorientierung fester Bestandteil des Oberstufenunterrichts.
Wie werden die Schülerinnen und Schüler auf die Messe vorbereitet?
Gorath: Wir möchten, dass die Jugendlichen informative Gespräche führen. Aus dem Katalog sollen sie Unternehmen recherchieren und möglichst konkrete Fragen vorbereiten, um am betreffenden Stand in ein Gespräch zu kommen.
Ehrich: Die Messevorbereitung läuft in aller Regel über die Klassenlehrkräfte, weil die Schülerinnen und Schüler zu ihnen meist das größte Vertrauensverhältnis pflegen. In Bezug auf die Messe halte ich es für äußerst wichtig, dass die Jugendlichen ihre Hemmschwelle überwinden und mit den Ausstellenden umfänglich ins Gespräch kommen. Gerade bei der Jahrgangsstufe acht und neun besteht eine große Scheu, daher müssen die Lehrkräfte sie besonders gut vorbereiten.
Mit welcher Mission haben Sie das Amt der Schulleitung bzw. stellvertretenden Schulleitung übernommen?
Ehrich: Wir als Team haben in den letzten Jahren viele Neuerungen auf den Weg gebracht. Ich habe meinen Beruf schon immer über alles geliebt und bin nach wie vor sehr gerne Lehrerin. Da ich zur Zeit nur wenig unterrichte, vermisse ich die Lehrtätigkeit sehr. Irgendwann hat mir das alleinige Unterrichten nicht mehr gereicht. Ich wollte mich in die Schulen einbringen. So habe ich früh Assistenzen bei Koordinatorinnen und Koordinatoren übernommen, um zu verstehen, wie Schule aufgebaut ist und wie Schulleitung funktioniert. Die Erfahrungen haben mich dazu bewogen, mich als Mittelstufenleiterin an einem Kieler Gymnasium zu bewerben. Dort war ich sechs Jahre tätig und aktiv an der Schulleitung beteiligt. Da wurde mir bewusst, dass ich mir zutraue, auch selbst eine Schule zu leiten. Man handelt ohnehin nie wirklich alleine, sondern stets gemeinsam mit dem stellvertretenden Schulleiter, Koordinatorinnen und Koordinatoren. Meine Verantwortung als Schulleiterin hat mit meinen Fächern Sport und Latein nur marginal zu tun, doch helfen mir die Fähigkeiten, die ich über die Jahre durch sie geschult habe. Denn als Sportlehrerin lernt man zu organisieren, zu strukturieren, sich zu fokussieren und klar auszudrücken und wertvolle Attribute wie Zeit- und Selbstmanagement. Latein hingegen erfordert ein hohes Maß an Fleiß, Selbstdisziplin und Durchhaltevermögen. All diese Erfahrungsschätze kann ich in meinem Alltag als Schulleiterin anwenden.
Gorath: Vorher war ich zehn Jahre Mittelstufenleiter an der Heinich-Heine Schule in Heikendorf. Das Entscheidende für die Rolle der Schulleitung ist die Freude am Beruf. Zusätzlich sollte man die Schule als Lebenswelt verstehen. Wir verbringen hier alle so viel Zeit, sodass es wichtig ist, über die Lehre, das Lernen und Verwalten hinauszugehen. Darin liegt das Besondere der Aufgabe: Man darf die Schule gestalten und Verbesserungen auf den Weg bringen. Als ich an diese Schule kam, habe ich mir vorgenommen, sie zu digitalisieren. Ich hatte das Glück, hier auf einen Arbeitskreis zu treffen, der das gleiche Ziel verfolgte, und so haben wir die Schule digital weiterentwickelt. Schule ist nie fertig, Schule ist ein Kontinuum, das immer weiterentwickelt werden möchte.
Die Gesellschaft verändert sich und für die Schule gilt das ebenso. Das ist unsere Aufgabe.
Wie beziehen Sie die Eltern in die Schularbeit ein?
Ehrich: In Bezug auf Berufsorientierung informiert Herr Dawson die Eltern umfassend auf den Elternabenden oder per Brief. Beispielsweise erläutern wir im Hinblick auf die Praktika, wie diese durchgeführt werden und wie die Kinder zu den Unternehmen und Einrichtungen gelangen. Mit unserem Schulelternbeirat, insbesondere dem Vorstand mit seinen drei Mitgliedern, pflegen wir eine sehr gute und angenehme Zusammenarbeit. Das Gremium ist ein wichtiger Baustein, wenn es um die Gestaltung von Schule geht. Ich zeichne gerne das Bild: Wir Lehrer und Lehrerinnen sind in unserem Mikrokosmos und brauchen Input von außen. Eltern haben häufig eine ganz andere Sichtweise auf Dinge als Lehrkräfte. Da bedarf es des Austausches und eines gemeinsamen Weges zur Lösung.
Uns ist es wichtig, dass sich alle wohl und mitgenommen fühlen. Es gelingt bei 940 Schülerinnen und Schülern plus Eltern nicht immer gleichermaßen, aber wir sind sehr darum bemüht.
Gorath: Unser Ziel ist es, die jungen Menschen auf einen guten Weg zu bringen. Wir leisten als Lehrerinnen und Lehrer unseren Teil, sind aber auch auf die Unterstützung der Eltern angewiesen. Der Schulelternbeirat ist das repräsentative Gremium, aber es geht natürlich auch um die Zusammenarbeit mit jedem einzelnen Elternteil. Die Erziehungsberechtigten müssen die Chance haben, sich einbringen und auch Befindlichkeiten äußern zu können. Schule besteht aus drei Säulen: den Schülerinnen und Schülern, den Eltern und den Lehrern. Das bedeutet, dass wir auch die Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen kennen müssen. Aus all dem müssen wir die Schule bauen.
Dieser Artikel ist in der GET BIM 2023 erschienen. Hier geht es zum E-Paper.
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TEXT Sarah Riester / Kristina Krijom
FOTO Hendrik Matzen