Von Kabul nach Kiel zum Haareschneiden

Von Kabul nach Kiel zum Haareschneiden

Eine Lebensgeschichte die Mut macht!

Mit 17 Jahren verließ Mujtaba Rahemi ganz allein seine Heimat Afghanistan. Befand sich sechs Monate auf der Flucht, bis er in Rendsburg ankam, ohne zu wissen wo er war und wie sein Leben nun weitergehen sollte. Er ist mittlerweile in Eckernförde zuhause und hat sich mit seinem eigenen Salon in der Dänischen Straße in Kiel selbständig gemacht. Wir wollen von ihm wissen, wie er es geschafft hat, immer sein Ziel im Auge zu behalten und optimistisch in die Zukunft zu blicken.

Mujtaba, wie bist du zum Haareschneiden gekommen?

Das fing mit 13 Jahren im Friseursalon meines Vaters in Kabul in Afghanistan an. Nach der Schule sah mein Vater es gerne, wenn ich im Laden vorbei kam und dort Aufgaben machte und aushalf, anstatt irgendwo rumzuhängen. Irgendwann wollte ich mir ein eigenes Taschengeld verdienen und kam auf die Idee, meinen Freunden die Haare zu schneiden. Dadurch, dass ja sowieso alle eine kurzrasierte Frisur haben mussten, konnte ich üben, ohne viel falsch zu machen. Natürlich alles unter Anleitung meines Vaters. Nach einiger Zeit bekam ich Geld und habe mir voller Stolz mein erstes eigenes Handy gekauft – ein Sony Ericsson.  

Gab es da schon die Idee, das beruflich zu machen?

Nein gar nicht, es war eher wie ein Hobby. Papa war zufrieden und ich auch. Beruflich wollte ich Arzt oder Ingenieur werden oder etwas im Import-Export-Bereich machen. Warum ausgerechnet Import-Export, weiß ich nicht, aber das Business hat mich immer gereizt und wer weiß, vielleicht mache ich das ja auch irgendwann.

Und wie bist du nach Deutschland gekommen?

Ich bin ganz alleine mit 17 Jahren nach Deutschland gekommen. Meine Entscheidung, die Heimat und die Familie zu verlassen, habe ich mir nicht leicht gemacht. Aber es war notwendig. In Kabul war ich auf einer teuren Privatschule und wollte dort meinen Abschluss machen. Aufgrund der immer schwieriger werdenden und gefährlicheren Bedingungen wuchs in mir die Idee, mein Land zu verlassen, die Eltern zu entlasten und in Freiheit zu leben. Mein Ziel in Europa war Schweden.

Ein mutiger Schritt ganz allein. Was haben denn deine Eltern gesagt?

Sie fanden die Idee nicht gut, aber ich war entschlossen. Nach einer Flucht-Odyssee, über die Türkei und dann zu Fuß, per Auto, per Boot, bin ich schließlich in Rendsburg gelandet. Ich wusste vorher gar nicht, wo das liegt und wollte weiter. Durch eine Hilfsorganisation kam ich nach Eckernförde und wurde unter die Betreuung des Jugendamtes gestellt. Danach ging alles Schlag auf Schlag: Sprache lernen und Schulabschluss. Dabei kam mir die gute private Ausbildung aus Kabul zugute. Während der Schule habe ich dann ein Praktikum in einem Friseurladen hier vor Ort gemacht. Ich wollte aber etwas anderes. Über einen kleinen Umweg im Bereich Technik bin ich dann letztendlich doch in der Friseurausbildung gelandet.

Ist die Arbeit hier als Friseur mit der Arbeit in Kabul vergleichbar?

Nein, in Kabul ging es überall schlimmer wie auf einem Hauptbahnhof zu. Alles geht dort schnell, schnell und zwischendurch noch Haareschneiden. Hier ist alles viel entspannter und bietet eine ganz andere Lebensqualität – für uns und auch für die Kunden. Die Arbeit macht zufrieden und glücklich. Das ist jeden Tag ein Grund aufzustehen, mehr brauche ich nicht!

Bist du irgendwann in der Ausbildung an deine Grenzen gestoßen?

Ja, besonders am Anfang, wenn viel los war und man zwölf Stunden auf den Beinen war und manchmal auch keine Zeit zum Essen blieb. Natürlich gab es auch sprachlich für mich noch Probleme, und das macht zusätzlich müde, weil man mit permanentem Übersetzen im Kopf beschäftigt ist. Jetzt hat sich aber alles eingespielt, und ich konnte sogar als Einziger meines Jahrganges die Ausbildung um ein halbes Jahr verkürzen. Das bedeutete natürlich trotzdem, den Stoff der Schule abends noch alleine nacharbeiten zu müssen. Aber es hat sich gelohnt.

Das kann man wohl sagen, denn mittlerweile hast du deinen eigenen Salon Friseursalon BANIN in der Dänischen Straße 9 in Kiel eröffnet. Was hat es mit dem Namen auf sich?

Ja, das stimmt, ich habe den Salon nach meiner kleinen Schwester benannt – das habe ich ihr versprochen.

Was erwartet die Kunden in deinem Salon? 

Mir liegt die persönliche Beratung meiner Kunden sehr am Herzen. Mir ist es ganz wichtig, in einem ausführlichen Gespräch herauszufinden, welche Frisur zu meiner Kundin oder meinem Kunden in der aktuellen Lebenssituation passt und was sie sich wünschen. Bei mir wird die Beratung eine zentrale Rolle spielen – und zwar wirklich bei jedem Kunden. Ich möchte all die mir bekannten Techniken anwenden, um das Beste aus meinen Kunden herauszuholen.

Hast du deinem Vater seitdem gesehen oder ihm sogar die Haare geschnitten?

Leider nicht. Ich habe ihm ein paar Videos zugeschickt, aber meine neue Welt kennt er noch nicht.

Vielen Dank für die spannenden Einblicke in deinen bewegten Lebensweg und viel Erfolg bei all deinen Plänen und Träumen für die Zukunft.

 

Der Podcast zum Artikel ist natürlich auch auf Spotify zu finden! Hört rein! Oder hört direkt hier:

TEXT Sophie Blady
FOTO Sebastian Weimar