Die Lehrkräfte der Toni-Jensen-Gemeinschaftsschule in Kiel

Die Lehrkräfte der Toni-Jensen-Gemeinschaftsschule in Kiel

Wenn es für den ein oder anderen überraschend klingen mag, auch die Lehrerinnen und Lehrer der Toni-Jensen-Gemeinschaftsschule haben irgendwann mal die Schulbank gedrückt und waren in genau der gleichen Situation wie ihre Schülerinnen und Schüler heute. Sie mussten sich am Ende ihrer Schulzeit der Frage nach ihrer beruflichen Zukunft stellen. Alle haben sich für den Schuldienst und damit letztlich für die Bildung entschieden. Wir haben uns mit ihnen über ihre Motivation, ihre persönlichen Werdegänge und ihre Ziele unterhalten.

Tilman von Meltzer

„Das soziale Miteinander ist das, was unsere Schule auch über die Stadtgrenzen hinaus bekannt macht.“

Tilman von Meltzer kommt aus einer Lehrerfamilie und verbindet mit der eigenen Schulzeit in seiner Heimat Grünberg in Hessen gute Erinnerungen, die ihn nach dem Abitur zu seinem Berufswunsch, Lehrer zu werden, geführt haben. Er studierte die Lehramtsfächer Deutsch und Philosophie zunächst in Freiburg, verbrachte dann zwei Semester als Erasmus-Student in Oslo und schloss sein Studium in Berlin ab. Danach zog es ihn für ein Jahr nach Russland, wo er als Gastdozent an einer Uni arbeitete. Wieder zurück in Deutschland, bewarb er sich um eine Referendariatsstelle und landete zufällig an einer Schule in Flensburg. Seit 12 Jahren unterrichtet er nun an der Toni-Jensen-Schule und ist über diesen langen Zeitraum selber erstaunt: „Ich habe es vorher nie lange an einem Ort ausgehalten, aber ich bin einfach in Schleswig-Holstein hängengeblieben und habe das auch nie bereut“, erzählt er lachend. Die ‚Toni‘ bezeichnet er als eine Herausforderung mit ihren vielen unterschiedlichen Schülerinnen und Schülern, die dennoch in einer gemeinschaftlichen Atmosphäre leben und lernen. Er schätzt darüber hinaus den freundlichen Umgang innerhalb des Kollegiums, das in seinen Augen die Inklusion und das soziale Miteinander immer in den Fokus stellt. Allerdings stellt er mittlerweile mit zunehmender Sorge fest, dass immer mehr Schülerinnen und Schüler das Abitur und ein Studium nur deshalb anstreben, weil es der häuslichen Erwartungshaltung entspricht, dann aber leider oft scheitern. Er wünscht sich diesbezüglich ein gesellschaftliches Umdenken und eine stärkere Kooperation mit den Betrieben der Region sowie längere Praktikumszeiten, damit die Jugendlichen ein besseres Empfinden für ihre tatsächlichen Stärken entwickeln können.Lehrer

Ayfer Düşel

„Die Toni-Jensen bietet Raum zur Entfaltung.“

Die Sport-, Geografie- und DaZ-Lehrerin Ayfer Düşel ist gebürtige Kielerin und ein, wie sie sagt, „fürchterlicher Mathelehrer“ ist der Grund, warum sie Lehrerin geworden ist. Sie wusste: „Das kann ich besser.“ Nach dem Abitur am Gymnasium Wellingdorf ging es für sie zum Studium nach Kassel, dann nach Istanbul und danach nach Flensburg, bis sie schließlich ihre Stelle an der Toni-Jensen-Schule antrat. Dort hat sie über viele Jahre das Amt der DaZ-Koordinatorin ausgefüllt und geholfen, das dortige Zentrum mit aufzubauen. Seit einem Jahr konzentriert sie sich wieder mehr auf ihre anderen Fächer. An der Toni-Jensen-Schule schätzt die Lehrerin, die auch die Arbeit an sogenannten Brennpunktschulen kennt, vor allem den sozialen Umgang miteinander und die Freiheit, als Lehrkraft vieles mitgestalten zu können. Ein Privileg, das sie sehr zu schätzen weiß. Trotzdem weiß sie natürlich auch, wo schulpolitisch allgemeiner Nachbesserungsbedarf im deutschen Schulsystem besteht. Im Bereich der Berufsorientierung stellt sie mit Bedauern einen mangelnden Überblick der Schülerschaft über die vielfältigen und alternativen Möglichkeiten des Bildungssystems fest. Aus diesem Grund sieht sie sich in der Mitverantwortung, über die Angebote der gut aufgestellten Berufsbildungszentren der Region noch stärker aufzuklären, denn auch sie kann über einige Fehlentscheidungen und Frustrationen der Schülerinnen und Schüler berichten, für die nur das Abitur als Schulabschluss in Frage kam, obwohl sie für praxisbezogene Berufe besser geeignet gewesen wären.Lehrerin

Erik Reinhardt

„Schule ist für mich ein intensiver Erfahrungsaustausch mit Schülerinnen und Schülern, aber auch mit Eltern und Kollegen, um sich zu entfalten. „Es ist beeindruckend zu sehen, welche Ideen von jeder Seite kommen.“

Der 32-jährige Physik- und Techniklehrer Erik Reinhardt ist in seiner bisherigen Laufbahn stets dem Norden treu geblieben. Der gebürtige Laboer hat sein Lehramtsstudium in Flensburg absolviert und sein Referendariat im Anschluss an der gleichen Schule in Kiel abgeschlossen, an dem er einst sein Abiturzeugnis überreicht bekommen hat. Seit fünf Jahren arbeitet Erik Reinhardt als Lehrkraft an der Toni-Jensen-Gemeinschaftsschule, er unterrichtet die Fächer Physik und Technik sowie Naturwissenschaften (kurz: NaWi). „Ich wollte bereits relativ früh, eigentlich schon seit der 7. Klasse, Lehrer werden – wie mein Vater!“, berichtet er. „Zuerst wollte ich Mathe studieren, bis ich dann von den hohen Durchfallquoten bis zu 80 Prozent hörte. Dann habe ich mich für Physik und Technik entschieden. Diese Fächer waren NC-frei, so konnte ich zumindest sicherstellen, einen Studienplatz zu erhalten. Dass hier die Durchfallquoten genauso hoch waren, hat mir damals aber keiner erzählt“, lacht Erik Reinhardt. Seine Entscheidung hat er jedoch nie bereut und ist nun sehr zufrieden mit seiner Fächerwahl. Das Fach NaWi wird für die Klassen fünf bis acht angeboten und beinhaltet Stoff aus den Bereichen Biologie, Chemie und Physik. Sein persönliches Lieblingsthema sind Maschinen, das er sehr gut im Wahlpflichtkurs Technik einbringen kann. Ein besonderes Anliegen Erik Reinhardts ist, mehr Mädchen für den Technikunterricht zu begeistern. Denn auf durchschnittlich 16 Schülerinnen und Schüler kommen meist nur zwei bis drei Mädchen: „Viele Schülerinnen erzielen zwar ausgezeichnete Ergebnisse im Fachbereich Technik, trauen sich jedoch nicht, dieses Fach auch als WPU zu wählen.” Es ist ihm sehr wichtig, jeden in seinen Unterricht einzubinden und für Fragen sowie Probleme immer offen zu sein. Er hat mehrere Zusatzaufgaben übernommen und betreut die technischen Geräte sowie das Netzwerk, wenn Endgeräte oder Systeme zum Beispiel nicht mehr richtig funktionieren. Allerdings wünscht er sich mehr Ansprechpersonen und finanzielle Mittel, um Geräte schnell zu reparieren und technische Probleme kompetent zu lösen. „Ich würde mir einen ‚Digitalen Hausmeister’ wünschen, der für diese Aufgaben verantwortlich ist, und ich meine dafür investierten Stunden für den Unterricht verwenden kann.“ Darüber hinaus leitet Erik Reinhardt die sogenannte Lego Mindstorms-AG, in der interessierte Schülerinnen und Schüler Roboter aus Lego bauen und diese programmieren. Er würde sich auch für weitere Projekte ähnlicher Art begeistern können. „Ein weiterer großer Wunsch”, so Reinhardt weiter, „ist die Entschlackung der Stundenpläne, um mehr Zeit für Projekte zu haben. Es gibt beispielsweise mehrere 3D-Drucker an der Schule sowie interessierte Personen, die gerne damit arbeiten würden. Dafür fehlt aber leider die Zeit.“ Gern probiert der Physik- und Techniklehrer neue Produkte auf dem Markt erst einmal privat aus, bevor er sie für die Schule anschafft. Dieses Interesse an Technik bekommt er auch von Schülerinnen und Schülern mit, die in ihrer Freizeit zum Beispiel an ihrem Moped tüfteln und mit offenen Fragen auf ihn zukommen. Deren Begeisterung für technische Themen freut Erik Reinhardt besonders. Als Techniklehrer sei das eine wertvolle Bestätigung der Arbeit, die ihn motiviere.

Lehrer

Nina Haverkamp

„An unserer Schule haben die Schüler Zeit ihre Potenziale zu entwickeln“

Für Nina Haverkamp ging der Weg von der Schule ins Studium und wieder zurück an die Schule. Seit der 8. Klasse stand für die ehemalige Abiturientin der Toni-Jensen-Gemeinschaftsschule fest, dass sie Lehrerin werden möchte. Die Freude, andere im Unterricht zu unterstützen, führte sie auf direktem Weg in ein Lehramtsstudium. Sie studierte ihre Lieblingsfächer Sport und Englisch und unterrichtet diese, nach einigen anderen Schulstationen, seit sieben Jahren in der Sekundarstufe I ihrer ehemaligen Schule, mit der sie bis heute nur positive Erlebnisse verbindet. Als Klassenlehrerin übernimmt sie die Aufgaben der Praktikumsvorbereitung und Begleitung. Daneben bewertet sie ihre eigenen Unterrichtsfächer als berufsvorbereitend und sieht sich als Lehrerin in der grundsätzlichen Verpflichtung, die Jugendlichen auf das Leben nach der Schule vorzubereiten: „Oftmals zeigt sich bereits im Sportunterricht das Engagement und Durchhaltevermögen der Schüler, eine Eigenschaft, die die späteren Ausbildungsbetriebe auch zu schätzen wissen, und in meinem Fach Englisch liegen die Vorteile des Spracherwerbs angesichts einer immer internationaler werdenden Arbeitswelt auf der Hand.“ Nina Haverkamp weiß, dass sich die neue Schülergeneration mit vielen Fragen zum Thema Berufswahl beschäftigt und eine gewisse Unsicherheit besteht. Dem versucht sie entgegenzuwirken, indem sie ihre Schülerinnen und Schüler dazu ermuntert zu verstehen, dass „heutzutage nicht mehr nur der eine, klare Weg der Berufswahl vorgezeichnet ist, sondern es normal ist, dass man etwas anfängt, sich trotzdem noch umentscheiden kann und sich auf diese Weise finden darf.“

 

Mehr zur Toni-Jensen-Schule: Im Gespräch mit dem Schulleiter Jörg Thomas

TEXT Jessie Sperling / Anja Nacken
FOTO Sophie Blady / privat