Martin Schmedtje ist 57 Jahre alt, in Brunsbüttel geboren und in Kudensee aufgewachsen. Er hat in der Verwaltung zahlreiche Posten durchlaufen und dadurch viele Erfahrungen gesammelt. Vor seiner Zeit als Bürgermeister in Brunsbüttel lebte er über 20 Jahre in Breiholz bei Rendsburg und war dort zehn Jahre ehrenamtlicher Bürgermeister.
Nach fast weiteren zehn Jahren als Pressesprecher des Kreises Rendsburg-Eckernförde nahm er im Alter von 51 Jahren eine neue Herausforderung als Verwaltungsleiter in seiner Geburtsstadt an und stellte sich zur Wahl.
„Jetzt, nach sechs Jahren“, erklärt er, „bewerbe ich mich für eine zweite Amtszeit. Die Symbiose aus Verwaltung, Repräsentation und der Kommunikation mit Menschen auf allen Ebenen und das weitüberwiegend positive Feedback darauf bestärkt mich in meiner Sichtweise.
Welche Hobbys pflegen Sie?
Auf jeden Fall das Motorradfahren. Ich habe mir 2020 mit einer BMW R1200 GS Adventure einen langgehegten Traum erfüllt und war gerade mit einem Freund auf der Hamburger Motorradmesse. Und habe da nichts besseres gefunden. Meine Partnerin sagt: Zum Glück! Sie macht das Hobby mit. Wenn wir drei Wochen Urlaub machen, sitzen wir beide auf der Maschine. Das zweite große Hobby ist der HSV. Wer so leidensfähig ist und das über Jahrzehnte mitmacht, der kann auch Bürgermeister sein (lacht).
Thema Ausbildung: Wie war damals ihr Übergang von der Schule in die Ausbildung und den Beruf?
Ich habe nach der Schule eine dreijährige Ausbildung zum Verwaltungsfachangestellten gemacht. Wir als geburtenstarke Jahrgänge haben damals drei Kreuze gemacht, wenn wir einen Ausbildungsplatz ergattern konnten. Glücklicherweise habe ich mich beworben und bekam den Job! Mir wurde aber gleich gesagt, dass man mich nicht übernehmen würde. Was ok war, denn ich wollte eh’ weiter zur Schule gehen. Vier Wochen vor der Abschlussprüfung kam man dann auf mich zu und machte mir das Angebot zu bleiben. Also blieb ich.
Was braucht man, um Bürgermeister zu sein?
Der Job macht mir richtig Spaß, aber er ist nicht immer vergnügungssteuerpflichtig. Man sollte schon empathisch und kommunikativ sein und den Kontakt zu Menschen lieben. Verwaltungskenntnisse schaden auf jeden Fall nicht (lacht).
Wie macht sich denn die Stadt in den letzten Jahren?
Der Negativtrend bei der Zahl der Einwohner ist gestoppt, wir haben eine leichte Tendenz nach oben. Aktuell liegen wir bei fast 13.000 Einwohnern mit leicht steigender Tendenz. Auch in Brunsbüttel herrscht derzeit Wohnungsmangel, wir haben aber das große Glück, dass ein Elmshorner Bauunternehmer in der Albert-Schweitzer-Strasse neue Wohnungen erstellt. Davon würde ich mir mehr wünschen. Wir bekommen dadurch auch neue Sozialwohnungen, was ein Sechser im Lotto ist. Der Bedarf wird steigen, wir weisen neue Flächen aus. Die Stichworte sind: Northvolt, Energieküste, Chemieindustrie. Für die Stadt wird bis 2040 ein Bedarf von 1500 neuen Wohnungen prognostiziert.
Also eine gute Entwicklung am Wirtschaftsstandort Brunsbüttel?
Die Tendenz bei den Fachkräften ist eindeutig steigend. Wir werden auch von Northvolt in Heide profitieren. Das meiste wird zwar an der Achse der Autobahn 23 passieren, aber wir werden hier auch Zulieferbetriebe haben und wir reden über Logistik. Das heisst, der Hafen wird zusätzlichen Umschlag bekommen und dafür werden auch wieder Fachkräfte benötigt. Wir haben das LNG-Terminal, gerade hatten wir den ersten Spatenstich für eine Strom-Konverter-Station für Südlink. Und wir erhalten hier viele Anfragen zum Thema Wasserstoff und Elektrolyse. Die gesamte Küste wird sich in den nächsten zehn bis 15 Jahren sehr verändern.
Wie ist die Vernetzung und Zusammenarbeit mit den Städten und Gemeinden in der Region?
„Kommunikation geht immer besser“, das ist einer meiner Lieblingssprüche. Wir habe einen „Nachbarlichen Ausschuss“, einmal im Jahr werden alle eingeladen und dann tauschen wir uns bei Kaffee und Kuchen aus. Ich möchte auch immer wissen, was die anderen so vorhaben. Wir sind in einem guten Austausch bis hin zur Wilstermarsch. Ich könnte mir auch gut ein interkommunales Gewerbegebiet vorstellen. „Jeder für sich“ klappt in Zukunft nicht mehr.
Und der Nord-Ostsee-Kanal?
Der Kanal ist in vielen Bereichen sehr herausfordernd. Wenn zum Beispiel Fähren nicht fahren, ist das für die Menschen, die hier leben, ein Problem. Wir haben mehrere Häfen mit vielen Schiffsanläufen, da passiert eine ganze Menge. Und er hat eine große touristische Bedeutung. Wir haben mit der fünften Schleuse im Moment die größte Wasserbaustelle Europas, was auch für Fachleute weltweit ein sehr wichtiger Anziehungspunkt ist. Von mir aus muss die Schleuse gar nicht fertig werden (lacht)
Wie steht der Schulstandort Brunsbüttel da?
Wir haben zwei Grundschulen, eine Gemeinschaftsschule und das städtische Gymnasium. Der Einzugsbereich reicht bis nach Steinburg hinein. Das Gymnasium haben wir energetisch saniert und einen Fachklassentrakt gebaut. Da sind wir sehr gut davor. Die Gemeinschaftsschule erweitern wir gerade um sechs Klassenräume – durch die Zuwanderung der Flüchtlinge reicht die Zweieinhalbzügigkeit einfach nicht mehr aus.
Und wir wollen eine der beiden Grundschulen neu bauen, die andere wird dann im Anschluss saniert und erweitert. Wir wollen für Kinder und Jugendliche, sprich für Familien attraktiv sein. Den Digitalpakt haben wir bereits umgesetzt, da waren wir richtig gut aufgestellt.
Können die Jugendlichen nach der Schule in Brunsbüttel bleiben?
Also, ich würde mal behaupten: Wenn sie wollen, können alle hierbleiben. Wer studieren will, muss natürlich woanders hingehen. Und nicht alle wissen sofort, was sie nach der Schule machen wollen.
Um Orientierung zu geben, organisieren wir gemeinsam mit verschiedenen Betrieben seit vielen Jahren die Ausbildungsmesse. Anfangs war sie dafür gedacht, dem einen oder anderen Schüler, der noch keinen Ausbildungsplatz hatte, Hilfestellung zu geben. Das hat sich in den letzten Jahren aber gedreht: Heute buhlen die Unternehmen und Betriebe um die Schüler und Schülerinnen. Es ist faszinierend zu beobachten: Obwohl wir die Stände verkleinert haben, sind wir bis auf den letzten Platz ausgebucht. Dazu gibt es jetzt auch eine App, um das ganze noch interessanter zu machen, um die Betriebe in der Region zu unterstützen. Wir haben mehr Ausbildungsplätze zur Verfügung, als Bewerber da sind.
Wir als Stadt haben zum Beispiel den Anspruch, jedes Jahr drei Ausbildungsplätze in der Verwaltung zu besetzen. Und bekommen kaum noch 20 Bewerber für diese drei Plätze. Wo sind die Menschen alle geblieben? Sie wandern über das Abitur ab, die betriebliche Ausbildung steht im Hintergrund und wir müssen im Wettbewerb mit den Industrieunternehmen erfolgreich sein.
Und wie ist Brunsbüttel als Freizeitort für Jugendliche?
Das ist ein großes Thema: Wir haben die offene Ganztagsschule bis 16 Uhr, dann diverse Sportvereine, man kann sich in der Feuerwehr engagieren oder beim Roten Kreuz oder an vielen anderen Stellen. Aber wir haben kein klassisches Haus der Jugend mehr. Auf der Südseite haben wir den sehr gut funktionierenden „Südseitentreff“, wir stellen die Räumlichkeiten und das Personal. Auf der Nordseite wollen wir einen Streetworker einstellen. Damit waren wir aber noch nicht erfolgreich. An dieser Nahtstelle zu den Jugendlichen müssen wir noch etwas tun, um ihnen auch eine vertrauensvolle Kontaktperson und einen Treffpunkt anzubieten. Immerhin machen wir eine wirklich gute und engagierte Schulsozialarbeit.
Was gut ist: Wir bekommen jetzt endlich die lange diskutierte Pumptrack. Wir wollen in diesem Jahr mit dem Bau beginnen.
Ist Bürgermeister Schmedtje ein „Kümmerer“?
Ja, der ist ein Kümmerer. Das ist mein Anspruch, ich möchte nicht nur Chef der Verwaltung sein und mich hinter dem Schreibtisch verstecken. Ich nutze das und ich repräsentiere auch gerne die Stadt, sei es beim Rosenmontag in Marne oder zu anderen Gelegenheiten. Kommunikation auf allen Ebenen, mit Schülern, Erwachsenen hier vor Ort oder mit Industrieunternehmen macht mir großen Spaß und ich bin jeweils auf Augenhöhe unterwegs. Ich hab’ jeden Dienstag hier eine Sprechstunde, das wird gut angenommen. Und es wird dort auch von Bürgern angemerkt, wenn es mal nicht gut läuft. So sehe ich meine Rolle: Ich bin für alle Menschen in der Stadt da. Wenn ich in der Kneipe unterwegs bin, kann mich jeder ansprechen. Wenn ich meine Ruhe haben wollte, würde ich zu Hause bleiben. Oder: Wenn ich Samstags einkaufen gehe, dann dauert das eben eine Stunde länger. Aber genauso will ich es haben.
TEXT und FOTO Michael Ruff