Zwei Messen – zwei Konzepte

Zwei Messen – zwei Konzepte

Beim Thema Berufsorientierung machen die Gemeinschaftsschule Schafflund und die Siegfried-Lenz-Schule in Handewitt gemeinsame Sache – eine Kooperation mit viel Potenzial.

Zwei Messen, die sich optimal ergänzen, bieten sowohl den Schülern der Siegfried-Lenz-Schule in Handewitt als auch den Schülern der GGS Schafflund beste Voraussetzungen, ihrem Traumberuf ein Stückchen näher zu kommen. Wie die Lernenden von der Kooperation beider Schulen profitieren, erfahren wir von Christina Schößler, WiPo-Lehrerin und Messebeauftragte an der GGS Schafflund, und Thilo Jagow, BO-Koordinator und Mittelstufenleiter an der Siegfried-Lenz-Schule in Handewitt.

Azubis werben Azubis: BO-Messe in Handewitt

Während sich in Schafflund viele kleine Firmen aus der Region präsentieren, weil die Messe am Abend stattfindet, treffen die Schüler auf der BO-Messe in Handewitt auf Kammern, Verbände und größere Firmen aus der Region. Auch der neunte und zehnte Jahrgang der GGS Schafflund ist eingeladen, sich auf der Messe über Berufsmöglichkeiten zu informieren und erste Kontakte zu knüpfen. Vorteil in Handewitt: „Die Messe integriert sich in den Schulalltag, da sie am Vormittag stattfindet und die Schüler nach ihren Gesprächen wieder am Unterricht teilnehmen können”, erklärt Thilo Jagow. Zudem schaffen feste Gesprächstermine von jeweils 15 Minuten Verbindlichkeit und einen reibungslosen Ablauf. „Bisher kommt dieses Konzept bei den Schülern, Eltern und auch Firmen sehr gut an”, freut sich Jagow, der die Koordination der Messe seit elf Jahren erfolgreich durchführt.

BO-Messe in Schafflund

Nach Schafflund kommen jedes Jahr bis zu 40 Betriebe mit ihren Auszubildenden und verteilen sich auf die Klassenräume der Gemeinschaftsschule. Die Schüler der achten bis zehnte Klasse der GGS Schafflund und die Schüler der achten Klasse der Siegfried-Lenz-Schule haben die Möglichkeit, innerhalb von zwei Zeitblöcken – je 25 Minuten – zwei Betriebe in kleinen Gruppen kennenzulernen. „Auch die Eltern sind herzlich willkommen, die Messe zu besuchen und ihre Sprösslinge bei den Gesprächen zu unterstützen”, betont Christina Schößler. Die WiPo-Lehrerin blickt bereits auf 20 Jahre Messeerfahrung zurück und weiß genau, worauf es ankommt: „Ich beobachte, dass
die Schüler in kleinen Gesprächsgruppen ihre Scheu überwinden und Fragen stellen. Vor der Messe fragen wir in den Klassen acht bis zehn, mit welchen Betrieben die Schüler sprechen möchten. Damit die Jugendlichen so viel wie möglich von den Gesprächen mit den Betrieben profitieren, achten wir sehr darauf, dass sie sich nicht zu sehr von ihren Freunden beeinflussen lassen und ihre eigenen Interessen verfolgen”, so Christina Schößler. Eine fest etablierte Manöverkritik nach jeder Messe sorgt für das erfolgreiche Gelingen der Veranstaltung.

Die Erfahrung zeigt, dass die Schüler beider Schulen sehr von den unterschiedlich konzipierten Messen profitieren, eine Vielzahl an potenziellen Arbeitgebern bereits vor dem Eintritt ins Berufsleben kennenlernen, erste Kontakte knüpfen und somit alle Voraussetzungen haben, ihre Zukunft selbstbestimmt in die Hand zu nehmen.

Ein Mann, in schwarz gekleidet, lehnt an ein Geländer.

Thilo Jagow liebt an seiner Arbeit den Umgang mit Jugendlichen, sieht seinen Job als Berufung, nicht als Arbeit und rät seinen Schülern informiert und flexibel zu sein.

BO-Koordinator Thilo Jagow über die berufliche Orientierung an der Siegfried-Lenz-Schule in Handewitt

Herr Jagow, Nachwuchs ist gerade in Ausbildungsberufen gefragt wie nie. Wie stehen Sie als BO-Koordinator und Mittelstufen-
leiter zum Thema Ausbildung?

Da wir eine Gemeinschaftsschule mit Oberstufe sind, fällt auf, dass die Schüler, sofern möglich, auch nach dem MSA an der Schule bleiben und ihr Abitur absolvieren. Ich beobachte, dass es für die Schüler wichtiger ist, im sicheren Umfeld der Schule zu verweilen, als Neues kennenzulernen. Daher setze ich mich gerade dafür ein, im 10. Jahrgang ein verpflichtendes Praktikum zu etablieren. Je älter die Schüler sind, desto größer ist der Mehrwert eines Praktikums. Im 10. Jahrgang verfolgen die Jugendlichen oft bereits konkrete berufliche Vorstellungen, die sich in einem Praktikum festigen oder Erkenntnisse für einen neuen Weg bringen können.

Als Gemeinschaftsschule mit Oberstufe bietet sicherlich auch das Abitur eine attraktive Alternative.

Grundsätzlich bin ich davon überzeugt, dass ein guter Schulabschluss die Chancen auf dem Arbeitsmarkt erhöht. Wenn jedoch ein Schüler praktisch sehr begabt ist, allerdings wenig Chancen hat, das Abitur zu erwerben, arbeiten wir eng mit unserer Berufsberaterin Frau Draeger zusammen. Im Einzelgespräch mit den Schülern erarbeitet sie alternative Berufswege und hilft bei der Erstellung der Bewerbungsunterlagen.

Welche Rolle nimmt der BO-Unterricht im Schulalltag ein?

Neben dem regulären BO-Unterricht, in dem die Schüler ihre Stärken und Schwächen kennenlernen, arbeiten wir eng mit Kooperationspartnern wie die NOSPA und Debeka zusammen, die in Klasse neun die Schüler einen ganzen Vormittag mit Programmpunkten wie Fit for Life und Bewerbungsunterlagen auf ihre berufliche Zukunft vorbereiten. Auf der Grundlage einer
Bewerbung simuliert ein Mitarbeiter der Debeka ein Vorstellungsgespräch mit den Schülern. Bestandteil unseres BO-Programms sind außerdem die zweitägige Potenzialanalyse und die Werkstattwochen.

Der Sprung von der Schule ins Berufsleben ist für viele Schüler eine echte Herausforderung. Sie verlassen ihre Komfortzone, den Schutz der Mitschüler und müssen sich in der Berufswelt beweisen: Gehaltsverhandlungen führen, für Ihre Meinung, Ihre Werte einstehen, sich in ein Team einfügen etc. Wie bereiten Sie Ihre Schüler auf die Zeit nach der Schule vor?

Neben dem Fach Verbraucherbildung haben wir in unseren Projektwochen die Zukunftswerkstatt im Jahrgang 9 und 10 etabliert. Ich stelle fest, dass praktische Themen wie das Recycling von Kleidung, das Abschließen relevanter Versicherungen, die Erstellung der Steuererklärung und ähnliche Themen eine größere Bedeutung im Leben unserer Schüler bekommen und auch immer mehr nachgefragt werden.

Arbeiten ist so viel mehr als Geld verdienen. Welches Verständnis von Arbeit vermitteln Sie den Schülern?

Als Historiker vermittle ich den Schülern auch historische Abläufe über die Arbeitswelt: Wie haben die Menschen vor hundert Jahren
gearbeitet? Welchem Wandel unterliegt die Arbeit? Wie haben sich die Berufe verändert? Ich bin darum bemüht, den Schülern eine gewisse Haltung und Werte zu vermitteln, damit sie sich auch bei der Suche nach einem Arbeitsplatz darauf besinnen, was ihnen wichtig ist. Ich versuche die Schüler auf ihre Interessen aufmerksam zu machen und ihnen mit meinem Unterricht eine Grundlage für eigene Entscheidungen zu bieten.

TEXT Sophie Blady

FOTOS Sebastian Weimar