Zehn Jahre Kieler Forschungswerkstatt – ME2BE war bei der Jubiläumsfeier

Zehn Jahre Kieler Forschungswerkstatt – ME2BE war bei der Jubiläumsfeier

Spätsommerliche Sonnenstrahlen begleiteten am 7. Oktober Gäste aus Wirtschaft, Politik, Schule und Wissenschaft im Botanischen Garten in Kiel. Gefeiert wurde das zehnjährige Bestehen der Kieler Forschungswerkstatt. Auch wir von ME2BE waren vor Ort und erhielten einen Eindruck von der Vielfalt des Lehr-Lern-Labors der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) sowie des Leibniz-Instituts für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik (IPN).

Forschungslabore für die Jugend

Die Kieler Forschungswerkstatt betreibt 13 thematische Labore, in denen sich Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte und Lehramtsstudierende mit Fragestellungen aus den Forschungsgebieten der Meeres- und Nanowissenschaften beschäftigen können. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bieten darüber hinaus aber auch Kurse an, die gesellschaftliche Aspekte der Energiethematik, Zugänge zu aktuellen Themen aus der humanmedizinischen und biologischen Forschung sowie der Lebensmitteltechnologie und der Archäologie zum Gegenstand haben. Aber auch Themen wie Robotik und Geologie sollen Interesse wecken. Die geisteswissenschaftlichen Werkstätten bieten Kurse mit Lernstationen aus den Bereichen Sprache, Kunst und Theologie sowie zu historisch-politischen Themen an.

Ein Rundgang durch die Wissenschaft

Seit der Eröffnung im Oktober 2012 besuchten mehr als 17.500 Schülerinnen und Schüler aus Schleswig-Holstein – aber auch anderen Bundesländern –  die Labore der Kieler Forschungswerkstatt. Interessierte Lehrkräfte, die auf der Suche nach eigenen Fortbildungen oder Programmen für ihren Unterricht sind, finden auf der Webseite des Kieler Forschungszentrums ebenfalls Angebote für bestimmte Klassenstufen oder Schulfächer. 

Außerdem engagierten sich mehr als 20.000 Schülerinnen und Schüler mit Unterstützung ihrer Lehrkräfte bei Citizen Science”-Projekten zum Thema Plastikmüll. So erfahren wir von Dr. Tim Kiessling, wissenschaftlicher Mitarbeiter im ozean:labor, dass Schulklassen, die an entsprechenden Projekten teilnehmen, sehr viel Mikroplastik aus deutschen Gewässern herausgefiltert haben. Mit speziellen Netzen wurden in ganz Deutschland Proben genommen und in Kiel analysiert. Im Rahmen des Citizen Science”-Projektes Plastic Pirates – Go Europe” lernen die Schülerinnen und Schüler auf diese anschauliche Weise etwas über die Plastikmüllverschmutzung unserer Gewässer. „Die Netze, mit denen gearbeitet wird, haben eine Porengröße von einem Millimeter. Das meiste Mikroplastik ist allerdings viel kleiner. In über der Hälfte der Proben, die uns unsere sogenannten Plastikpiraten zuschicken, finden wir aber dieses größere Mikroplastik. Das ist sehr beunruhigend”, erklärt Kiessling, der sich in seiner Dissertation intensiv mit der Problematik der Plastikverschmutzung von Flüssen auseinandergesetzt hat.

Mikroplastik in Petrischalen

Gar nicht so mikro – das Plastik…

Doch nicht nur Schülerinnen und Schüler erhalten in den thematischen Laboren Einblicke in die Spitzenforschung der Kieler Universität. Auch mehr als 1500 Lehrkräfte und Lehramtsstudierende nutzten die Angebote des außerschulischen Lernorts in den vergangenen zehn Jahren – eine Besonderheit, die CAU-Präsidentin Simone Fulda hervorhebt: „In forschungsbasierten Fortbildungen erfahren Lehrkräfte, wie sie aktuelle Fragestellungen und Ergebnisse der Forschungsschwerpunkte der CAU in den Unterricht integrieren können. Unsere Lehramtsstudierenden gewinnen zudem durch die Arbeit mit den Lerngruppen in der Kieler Forschungswerkstatt sehr wichtige Praxiserfahrungen.”

Mitmachen, Ausprobieren, Erleben

Im Untergeschoss der Kieler Forschungswerkstatt findet sich nicht nur das geo:labor, sondern auch das archäo:labor und das klick!:labor. Annika Klüter, abgeordnete Lehrkraft für Gesellschaftswissenschaften im Projekt LeaP@CAU und Leiterin des zeit:werks und geo:labors, zeigt uns, was Schulklassen bei ihren Besuchen erfahren können. Das beliebteste Programm des geo:labors ist In 80 Tagen um die Welt – Eine Reise durch die Klimazonen der Erde”. Die Jugendlichen bekommen Reisetaschen und Audiogeräte an die Hand und erforschen gemeinsam mit Expeditionskisten die Gewächshäuser des Botanischen Gartens. „Wir haben hier eine Ergänzung zum eigentlichen Schulunterricht. Der Horizont der Lehrer endet meist an einem Punkt, den sie dann gerne bei uns zusammen mit ihren Schülerinnen und Schülern erweitern”, so Klüter.

VIele Utensilien auf einem Tisch, der in einem Labor steht.

Mit so einem Expeditionskoffer gehen die Schülerinnen und Schüler auf Forschungsreise.

Der Archäologie-Bereich des Kieler Forschungszentrums wurde zum Teil nach draußen verlegt. Hier werden Scherben zu Urnen zusammengesetzt. Anhand der Funde können Experten analysieren, von wann und von wem diese Funde stammen. Schülerinnen und Schüler haben so nicht nur Spaß am Puzzeln, sondern erhalten auch neue Einblicke in vergangene Zeiten. „Archäologie ist zwar kein Schulfach, aber dennoch interessieren sich viele Jugendliche und ihre Lehrerinnen und Lehrer dafür. Dabei kommen nicht nur Interessierte aus den Gymnasien, mit Blick auf ein späteres Studium, sondern auch viele aus den Gemeinschaftsschulen zu uns. Für Menschen mit Deutsch als Zweitsprache bietet sich unser Programm ebenfalls an”, so Klüter.

Scherben auf einem Tisch

Was kann man von diesen Scherben erfahren?

Aber auch weitaus ‚modernere’ Themen bietet die Kieler Forschungswerkstatt, dazu gehört zum Beispiel die Robotik. Frank Lüthjohann, abgeordnete Lehrkraft am IPN, kennt sich mit den kleinen Ozobots und den dazugehörigen Sensoren aus. Der Ozobot ist ein kleiner Roboter mit eingebautem Akku und Sensoren auf der Unterseite. „Die komplette Logistikbranche arbeitet inzwischen mit Robotern. Die Schülerinnen und Schüler lernen bei mir eine Programmierung mit den Ozobots, die quasi den echten Arbeitsabläufen in der Warenverteilung entspricht”, erklärt Lüthjohann. „Visuelle Programmierung ist für die Jugendlichen spannend, da hier der Bezug zur Arbeitswelt wirklich spürbar ist. Obwohl die großen Lagerhallen leer erscheinen, stehen dahinter – quasi unsichtbar – viele Menschen und ihre verschiedenen Jobs. Irgendwer muss diese Roboter ja bauen und programmieren. Die Schülerinnen und Schüler merken, es ist lohnenswert, sich damit zu beschäftigen, denn es können sich durchaus aussichtsreiche Karrieren eröffnen.”

Professor Dr. Olaf Köller, Geschäftsführender Wissenschaftlicher Direktor des IPN erkennt ebenfalls den Nutzen der Kieler Forschungswerkstatt: „Mit den Angeboten für Schulklassen sowie für einzelne Schülerinnen und Schüler wollen wir das Interesse junger Menschen an Wissenschaft generell und besonders an den MINT-Fächern fördern.” Daher lernen die Jugendlichen vor Ort nicht nur Programmieren, sondern auch, wie man Sensoren und Aktoren verwendet. Und am Ende können sie nicht nur Roboter laufen, sondern auch Schiffe sich in bestimmte Richtungen bewegen lassen. „Das Problem ist, dass diese Welt nicht in die Schulen kommt. Wir haben nur die Naturwissenschaften, die hier eine Verbindung schaffen können. Deshalb schicken wir die studentischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an die Schulen und unterstützen die Lehrkräfte”, führt Lüthjohann weiter aus. Ihm ist wichtig, dass die Informatik nicht als sogenannte Raketenwissenschaft angesehen wird, sondern als etwas, das jede und jeder in den Grundzügen verstehen kann. „Mein Wunsch wäre es, dass eine Schülerin oder ein Schüler ein Projekt zum Physical Computing’  (Anm. der Red.: P. C. bezeichnet Anwendungen der Informatik in direkter Beziehung mit der physikalischen Umwelt.) machen darf und dann sagt: Das war cool! Wie kann ich das beruflich fortführen?”

Ein Mann spricht vor einem Haus, in seiner Hand eine Plastikkiste.

Frank Lüthjohann kennt sich mit Physical Computing aus.

Zehn Jahre Forschen, Finden, Feiern

Für den langjährigen Erfolg der Kieler Forschungswerkstatt seien, so Dr. Katrin Knickmeier, seit zehn Jahren Leiterin und Mitbegründerin des Schülerlabors, vor allem die enge Zusammenarbeit zwischen der Kieler Universität und dem IPN entscheidend: „Die Verbindung aus fachlicher Forschungsexzellenz und Lehr-Lern-Forschungsexpertise ermöglicht es uns, immer wieder neue Ideen zu entwickeln und umzusetzen.” Auch ihre Kollegin, Professorin Dr. Ilka Parchmann, Leiterin der Abteilung Didaktik der Chemie am IPN und ebenfalls Mitbegründerin der Kieler Forschungswerkstatt, spricht abschließend von einer positiven Bilanz: „Als wir vor zwölf Jahren die Idee hatten, ein Schülerlabor zu errichten, da hätten wir uns nie vorstellen können, was daraus alles werden kann.”

Und was aus der Idee alles geworden ist! Wir von ME2BE sind begeistert von den wissenschaftlichen Angeboten der Kieler Forschungswerkstatt, die auch weiterhin hoffentlich vielen Schülerinnen und Schülern die Berufsorientierung erleichtern, Studierenden einen Ort für Berufserfahrung liefern und Lehrkräften hilft, ihre Fachkenntnisse umfangreich zu erweitern.

TEXT UND FOTOS Patricia Rohde, Kieler Forschungswerkstatt