Wie wird man eigentlich Landrat? – Ein Gespräch mit Florian Lorenzen

Wie wird man eigentlich Landrat? – Ein Gespräch mit Florian Lorenzen

Wenn aus einer Berufung ein Beruf wird

Natürlich ist „Landrat” kein Lehrberuf, sondern ein Amt, in das man gewählt wird. Welche Aufgaben auf einen Landrat als oberster Kommunalbeamter zukommen und welche Fähigkeiten man mitbringen sollte, haben wir mit Florian Lorenzen, dem jüngsten Landrat Deutschlands – zuständig für den Kreis Nordfriesland – besprochen.

Der 34-jährige Florian Lorenzen ist in Flensburg geboren und in Niebüll aufgewachsen. Dort ist er auch zur Schule gegangen und hat seinen MSA absolviert. Für Lorenzen, der aus einem landwirtschaftlichen Betrieb stammt, stand eigentlich fest, dass er später einmal das elterliche Unternehmen übernehmen würde. Eine Berufsausbildung zum Landwirt legte die Grundlagen für seine weiterführenden Abschlüsse zum staatlich geprüften Wirtschafter des Landbaus und zum Agrarbetriebswirt. Doch dann kam 2019 alles anders!

Herr Lorenzen, Sie haben nach Ihrer Ausbildung fünf Jahre das landwirtschaftliche Unternehmen Ihrer Familie erfolgreich als geschäftsführender Gesellschafter geführt. Warum dann der Wechsel in das Amt des Landrates?

Um dies zu erklären, muss ich etwas ausholen. Ich komme aus einer Familie, in der immer viel über aktuelle tagespolitische Themen diskutiert wurde. Diese früh erlernte Kommunikations- und Diskussionsfähigkeit habe ich in der Schule als Klassensprecher und Schülersprecher in der SV ausbauen können. Mit 16 Jahren bin ich dann aus eigenem Antrieb in eine Partei eingetreten, um mich noch intensiver mit gesellschaftlich relevanten Themen und deren Lösungen befassen zu können. Mit Anfang 20 habe ich bereits für den nordfriesischen Kreistag kandidiert und war dort viele Jahre jüngster Abgeordneter. Trotz meines ehrenamtlichen Engagements habe ich es zu diesem Zeitpunkt noch nicht wirklich angestrebt, mich einmal hauptberuflich mit dem Amt des Landrates zu befassen, geschweige denn eine Verwaltung zu leiten. Der Wunsch ist über viele Jahre und mit zunehmender Erfahrung gewachsen.

Gab es ein Schlüsselerlebnis?

Ich habe während meiner zwölf Jahre im Kreistag immer mehr Verantwortung übernommen und vieles mitgestalten dürfen. Dabei habe ich stets darauf geachtet, nicht nur den Wünschen einer Partei gerecht zu werden, sondern Kompromisse herbeizuführen, mit denen alle Beteiligten leben können. Diese insgesamt positive Erfahrung, etwas gestalten zu können, hat dazu geführt, über weitere Schritte nachzudenken. 2018 wurde ich dann in das Amt des stellvertretenden Landrates gewählt. Als Stellvertreter durfte ich unseren damaligen Landrat sehr intensiv bei seiner Arbeit unterstützen, und so manifestierte sich die Idee, meine Fähigkeiten hauptberuflich in den Dienst der Bürgerinnen und Bürger zu stellen. Wie gesagt, dieser Weg war keineswegs vorgezeichnet, aber meine Entscheidung habe ich noch keinen Tag bereut und liebe das, was ich mache!

Als Landrat sind Sie Chef einer Verwaltung mit vielen hundert Mitarbeitern. Eine Aufgabe, die für Sie neu war. Wie haben Sie sich das Fachwissen dafür angeeignet?

Dabei haben mir grundsätzlich die Erfahrungswerte als Stellvertreter des Landrates sehr geholfen. Nach meiner Wahl zum Landrat, die eine Übergangsperiode zwischen Wahl und Amtsantritt beinhaltete, hatte ich fünf Monate Zeit, mich intensiv in das Thema Verwaltung einzuarbeiten. Ich habe mich in dieser Phase an der Verwaltungsakademie in Speyer weitergebildet und hier vor Ort in sämtlichen Abteilungen der Kreisverwaltung hospitiert. Auf diesem Weg konnte ich sehr, sehr viele Erfahrungen sammeln und alle Abteilungen sowie die Abläufe und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kennenlernen.Ein Mann im Anzug steht.

Sie müssen als Landrat nicht nur die Interessen des Kreises Nordfriesland wahren, sondern auch auf die Interessen der übergeordneten Institutionen wie Landes- und Bundesregierung reagieren. Wie gelingt der Spagat?

Das ist natürlich manchmal ein Drahtseilakt, der die Fähigkeiten eines Moderators und eines Entscheiders gleichermaßen fordert. Als Landrat ist man Dienststellenleiter der Verwaltung mit fast 1000 Beschäftigten und muss deren Interessen wahren. Gleichzeitig ist man das Bindeglied zwischen allen kommunalen Interessen (also aller Gemeinden und Städte des Gebietes) sowie der Landes- und Bundespolitik. Bei so vielen unterschiedlichen Interessenlagen sind Sachkenntnis, Kompromissfähigkeit, aber am Ende auch Entschlusskraft gefordert.

Welche ganz persönlichen Stärken und Fähigkeiten muss man Ihrer Meinung nach für ein solches Amt mitbringen?

Man muss Mut zu Veränderungen haben. Man sollte teamfähig sein und die eigene Haltung stets überdenken. Dabei hilft insbesondere der direkte Austausch mit den Bürgerinnen und Bürgern. Durch die Erweiterung der Perspektiven – Kritik eingeschlossen – ist man besser in der Lage, Entscheidungen abzuwägen, zu fällen und diese dann mit der notwendigen Führungsstärke durchzusetzen. Gleichzeitig muss man auch immer offen und neugierig bleiben und das Interesse haben, sich mit den vielen verschiedenen Themen, die den Bedürfnissen der Menschen entsprechen, zu beschäftigen. Sonst wird man nicht glücklich in seinem Amt.

Was würden Sie Jugendlichen in Bezug auf deren berufliche Entscheidungsfindung raten?

Ich würde immer dazu raten, in möglichst viele Berufe und Bereiche reinzuschnuppern, um herauszufinden, wo die persönlichen Stärken liegen. Außerdem Beratungsangebote sowohl in den Schulen als auch durch die Arbeitsagenturen wahrzunehmen und stets neugierig zu bleiben. Denn, und dafür bin ich ein gutes Beispiel, Lebenswege können sich immer ändern und neue Perspektiven eröffnen.

Zusätzlich lade ich jeden herzlich ein, sich bei uns in der Verwaltung zu bewerben. Wir bilden in ganz unterschiedlichen Bereichen aus. Neben den klassischen Ausbildungsgängen zum Verwaltungsfachangestellten (m/w/d) bieten wir zum Beispiel duale Studiengänge für den gehobenen Dienst im Verwaltungswesen; Ausbildungen im Rettungsdienst, zum Lebensmittelkontrolleur (m/w/d) oder im Bereich soziale Arbeit mit Schwerpunkttätigkeit im Jugendamt an.

Noch mehr über Florian Lorenzen, seine Aufgaben für Nordfriesland und neue Projekte im Bereich Bildung findet ihr unter: www.me2be.de

TEXT Anja Nacken

FOTO Thomas Heyse