„Schule ist immer im Wandel“ Ein Gespräch mit einem Teil des Schulleitungsteams Markus Michalski und Daniel Schimmer

„Schule ist immer im Wandel“ Ein Gespräch mit einem Teil des Schulleitungsteams Markus Michalski und Daniel Schimmer

Markus Michalski ist seit 2007 an der Goethe-Gemeinschaftsschule tätig, Koordinator der Stufen acht bis zehn und kommissarischer stellvertretender Schulleiter. Seit dem 1. August ergänzt Daniel Schimmer das Team als stellvertretender Schulleiter und hat die kommissarische Schulleitung übernommen. Wir von ME2BE haben mit den beiden Lehrern über den Zeitgeist der Schule, das veränderte Selbstverständnis von Lehrkräften und die Vermittlung von Werten gesprochen.

Herr Michalski, Herr Schimmer, der Stellenwert der Schule wächst in Zeiten des offenen Ganztagsunterrichts. Was verbinden Sie damit?

Michalski: Wir möchten den Schülerinnen und Schülern den optimalen Ort zum Lernen bieten. Im Ganztagsbereich versuchen wir, viele Angebote zu offerieren, um den Kindern eine optimale Zeit zu ermöglichen. Wir wollen sie hier nicht verwahren, sondern ihnen Kernkompetenzen vermitteln und ermöglichen, sich zu engagieren. Wichtig ist, dass die Schule auch Ereignisse schafft, in denen die jungen Menschen nicht nur verkopft sein müssen, sondern dass sie sich auch entfalten können. So bieten wir AGs im musischen, sportlichen und künstlerischen Bereich an. Hier arbeiten sie nicht nur mit Lehrkräften zusammen, sondern auch mit Studierenden. Aber auch vormittags können die Jugendlichen die Lehrkräfte von einer anderen Seite als im Fachunterricht wahrnehmen, beispielsweise beim Sanitätskurs.

Es gibt viele Möglichkeiten, mit Kindern zu arbeiten. Was motivierte Sie speziell zum Beruf des Lehrers?

Schimmer: Das Herz für das Lernen von Kindern ist das, was alle Lehrkräfte verbinden sollte. Dieses Gefühl – und das bekomme ich auch im Kollegium mit –, Kindern etwas beibringen zu dürfen, erfüllt uns alle. Wenn man hört, wie Kolleginnen und Kollegen über Schülerinnen und Schüler sprechen und auf Augenhöhe mit ihnen kommunizieren, merkt man, alle wollen das Beste für die Kinder und Jugendlichen und arbeiten aus dieser Überzeugung heraus. Bildung ist der Schlüssel zu einem selbstständigen Leben, das wollen wir unterstützen.

Alle wollen das Beste für die Kinder und Jugendlichen und arbeiten aus dieser Überzeugung heraus.

Michalski: Seit einigen Jahren begleitet unsere Schule der Leitspruch: „Nicht für alle das Gleiche, sondern für jeden das Beste.“ Dieser Spruch erinnert mich immer wieder daran, dass es sich bei der Schülerschaft um eine heterogene Gruppe handelt und jeder individuelle Förderbedarfe hat. Mit Blick auf die Personalstärke und die Aufgabenbereiche, die jeder im Kollegium abdeckt, keine leichte Aufgabe, aber dennoch unser Anspruch.

Inwiefern hat sich die Institution Schule seit Ihrer Schulzeit weiterentwickelt?

Schimmer: Schule ist immer im Wandel. Allein schon aufgrund der Schülerschaft, die immer anders ist, wird sich auch Schule immer weiterentwickeln. Daher sollte man sich als Lehrkraft nicht an alte Gepflogenheiten klammern, sondern stets fragen, welche Bräuche man erneuern kann. Wenn ich mich an meine eigene Schulzeit erinnere, ging es in der Schule hauptsächlich darum, dass ich meine Leistung erbringe. Hier hat in den letzten Jahren ein Paradigmenwechsel stattgefunden. Die Lehrerschaft orientiert sich nicht nur an Bildungsplänen, sondern auch an dem individuellen Wesen der Kinder. Wenn man mit ihnen ins Gespräch kommt, merkt man häufig zwischen den Zeilen, was sie bewegt. Hier unterstützt unsere Schulsozialarbeit maßgeblich und bietet Unterstützung an.

Die Lehrerschaft orientiert sich nicht nur an Bildungsplänen, sondern auch an dem individuellen Wesen der Kinder.

Mann vor Fenster

kommissarischer stellvertretender Schulleiter Markus Michalski

Was benötigen Kinder, um selbstbestimmt in Richtung Zukunft zu gehen?

Schimmer: Schülerinnen und Schüler unserer Zeit brauchen das Gleiche, das sie schon immer gebraucht haben: Vertrauen. Vertrauen in die Möglichkeit, sich zu entfalten und in ihre Stärken. Wir müssen ihnen dabei helfen, ihre Stärken zu entdecken. Diese erzieherische Aufgabe oblag früher hauptsächlich den Eltern, heute ergänzen wir bei Bedarf mit professioneller Unterstützung.

Michalski: Es ist wichtig, dass die Kinder ein Selbstwertgefühl entwickeln und ihren Platz in der Gesellschaft finden. Sie sollen sich richtig in der Welt und nicht fehl am Platz fühlen. Mit ihnen zu entdecken, welche Fähigkeiten sie haben, und zu zeigen, dass sie gesehen werden, stärkt sie.

Es ist wichtig, dass die Kinder ein Selbstwertgefühl entwickeln und ihren Platz in der Gesellschaft finden.

Wenn Sie die Möglichkeit hätten, welche Schulfächer würden Sie sich zusätzlich wünschen?

Michalski: Ich würde Fächer zurückholen, die wir bereits hatten. Beispielsweise das Fach Tanzen, das ich sehr gerne unterrichtet habe. Vom klassischen Tanz über Rock ’n’ Roll bis hin zu Pop war alles dabei. Ein prüfungsrelevantes Thema war Schlipsbinden und man lernte, einen Tanzpartner höflich aufzufordern. So lernten die Jugendlichen eine gewisse Etikette und Höflichkeit, von der sie auch im Alltag profitierten. Ob Tanzen oder andere Fächer – ich begrüße Fächer, die Werte fürs Leben vermitteln. Teilweise decken unsere AGs diese Angebote ab und bieten den Kindern die Möglichkeit, anders miteinander zu agieren.

Schimmer: Immer wieder gibt es Forderungen nach alternativen Fächern, in denen beispielsweise der Umgang mit Versicherungen oder Steuern besprochen werden soll. Dem stehe ich etwas kritisch gegenüber, da ich denke, dass wir uns nicht nur an Inhalten abarbeiten, sondern Schülerinnen und Schülern Kernkompetenzen vermitteln sollten, damit sie sich Inhalte selbst aneignen können. Die Welt ist viel zu komplex, als dass wir in der Schule alle relevanten Inhalte behandeln könnten. Das eine schließt natürlich das andere nicht aus. Lehrkräfte sollten sich immer fragen: Wie bringe ich den Kindern bei, dass sie den Lernprozess auf einen anderen Inhalt übertragen können? Stichwort: Transferleistung.

Mann vor Fenster

stellvertretender und kommissarischer Schulleiter Daniel Schimmer

Wie unterstützen Sie die Kinder dabei, Ihre Interessen und Fähigkeiten in Bezug auf ihre berufliche Orientierung herauszufinden?

Michalski: Ab Stufe fünf wird Berufsorientierung in jedem Fach gelegentlich thematisiert. Im achten Jahrgang beginnen wir mit dem Fach Berufsorientierung, das wöchentlich zwei Stunden umfasst. Parallel dazu findet das Langzeitpraktikum „Rückenwind“ statt, wobei die Schule hier eine Kooperation mit Alten- und Pflegeheimen eingegangen ist. Im Rahmen dessen verbringen die Schülerinnen und Schüler über ein Schuljahr lang einmal die Woche zwei Stunden am Nachmittag in einem der Heime und unterhalten sich mit den Bewohnern. Für jung und alt eine sehr bereichernde Erfahrung, die wir in der Schule intensiv vor- und nachbereiten. Die Sozialkompetenz, die die jungen Menschen währenddessen erwerben, ist sehr wertvoll und wird auch zertifiziert. Zunächst sind Eltern und Kinder meist skeptisch, doch mit der Zeit bauen sich Vorurteile ab und es entstehen sogar Freundschaften, sodass die Kinder teilweise noch an anderen Nachmittagen oder in ihrer Freizeit die Heimbewohner besuchen. Für manche mündet das Ganze in einem Praktikum oder sogar einer Ausbildung in solch einer Einrichtung. Im neunten Jahrgang gibt es dann den Profilpass, in dem wir an festen Tagen intensiv mit den Schülerinnen und Schülern an ihren Mappen arbeiten, um herauszufinden, welche Stärken und Fertigkeiten sie mitbringen und welche Stolpersteine sie bereits wie bewältigt haben. Ziel ist es hier, einen passenden Platz für ein Betriebspraktikum zu finden und anschließend zu evaluieren, ob die Wahl gut war. Zudem soll der Profilpass dabei helfen, herauszufinden, wie es nach der Schule weitergehen könnte. Dieser Profilpass begleitet die Kinder die ganze Jahrgangsstufe neun hindurch.

Welchen Stellenwert besitzen die Berufsmesse BIM und die Onlineplattform DIGI:BO?

Michalski: Die regelmäßig im September stattfindende Messe BIM richtet sich verpflichtend an die Jahrgänge acht bis zehn. Dieses Jahr warten fast fünfzig spannende Aussteller auf die Kinder. Mit DIGI:BO begleiten wir die Messe im Unterricht und recherchieren dort die Aussteller und ihre angebotenen Ausbildungsberufe. Die Acht- und Neuntklässler entdecken mehr als die Zehntklässler, die die Messe zum dritten Mal besuchen, doch auch etwa zwanzig Prozent der Zehntklässler wissen noch nicht genau, in welche berufliche Richtung es sie zieht, daher kann auch sie die BIM noch einmal weiterbringen. Hier kommt auch Frau Kaiser, unsere Jobcoachin, ins Spiel. Sie ist täglich in der Schule und im ständigen Austausch mit den Schülerinnen und Schülern und deren Eltern, was Ausbildungsperspektiven anbelangt. Ihre Arbeit leistet einen wichtigen Beitrag, wenn es sich um junge Menschen handelt, die ansonsten ohne Anschlussperspektive die Schule verlassen würden. Frau Kaiser hat schon einige wieder auf den Weg gebracht und ihnen geholfen. Frau Ahrens von der Agentur für Arbeit ist zusätzlich weiterhin einmal wöchentlich als Ansprechpartnerin im Haus und die beiden bilden zusammen ein sehr gutes Team.

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In diesem Jahr haben wir kurz vor Messebeginn Enric, Jan, Aya, Isabella, Milou und Nahla getroffen und mit ihnen über ihre Zukunftspläne gesprochen.

TEXT Sophie Blady / Kristina Krijom
FOTO Hendrik Matzen