Professorin Dr. Ilona Ebbers lehrt an der Europa Universität Flensburg; zu ihren Forschungsschwerpunkten gehören u.a. die Bereiche Entrepreneurship Education, Übergangsforschung sowie Diversity Education. Angehenden Lehrerinnen und Lehrern vermittelt sie, wie diese Schülerinnen und Schüler am besten auf den Sprung in die Arbeitswelt vorbereiten. Doch gibt es überhaupt den einen richtigen Weg für alle?
Frau Ebbers, in Schleswig-Holstein machen pro Jahr rund 36.000 Schülerinnen und Schüler ihren Abschluss – sind diese jungen Menschen gut vorbereitet auf den Sprung ins Arbeitsleben?
Wenn ich mir die Sekundarstufe 1 anschaue, dann habe ich den Eindruck, dass die Schulen sehr gut aufgestellt sind, was den Übergang von Schule zum Beruf angeht. Und auch an den Gymnasien hat sich etwas geändert. Zwar sind die meisten Oberstufen noch immer sehr stark aufs Studium ausgerichtet. Aber es gibt zunehmend mehr Gymnasien, die auch die Berufsvorbereitung vertiefen. Denn es wird ganz offensichtlich auch für viele angehende Abiturientinnen und Abiturienten attraktiver, erst einmal eine Ausbildung oder ein duales Studium zu absolvieren – oder etwas ganz anderes. Gerade nach der Pandemie habe ich den Eindruck, dass sich da die Schwerpunkte verschoben haben. Dies scheint auch gerade vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels relevant. Es gibt einfach extrem gute und viele Möglichkeiten auf dem Ausbildungsmarkt.
Auf der anderen Seite gibt es immer wieder Beschwerden – vor allem aus dem Handwerk –, dass Azubis weder vom Bildungsstand noch von der Einstellung den Ansprüchen genügen. Ist diese Generation von Schülern wirklich so schlecht vorbereitet, wie ihr Ruf es vermuten lässt?
Ich glaube, dass es darauf keine klare Antwort gibt. Wenn ich mir meine Studentinnen und Studenten anschaue, dann werden die ganz anders ausgebildet, als ich es wurde. Ich könnte es mir jetzt einfach machen und sagen: „Die können viel weniger als wir früher!“ Aber das stimmt einfach nicht. Wir müssen so etwas immer im Kontext der Zeit sehen. Die Anforderungen, die wir an junge Menschen stellen, sind immer dem Zeitgeist geschuldet. Heute werden Menschen medial mit Informationen geflutet, alles passiert gleichzeitig. Das ist überfordernd. Hinzu kommt der größere Anteil an Menschen mit Migrationshintergrund, die sich in anderen Kontexten zurechtfinden müssen. Dies hat Einfluss auf das Ausbildungssystem. Junge Menschen können heute nicht weniger, sie können andere Dinge als junge Menschen früher.
Die Schulen sind also weggekommen vom obligatorischen Besuch beim Jobcenter als Herzstück der Berufsvorbereitung?
Es gibt Schulen, die sich diesen Übergang in den Beruf wirklich auf ihre Fahne schreiben – und dann gibt es noch immer welche, die das Thema eher stiefmütterlich behandeln und noch immer hauptsächlich auf den Ausflug zur Agentur für Arbeit zählen.
Wie sieht die optimale Vorbereitung auf den Übergang denn aus?
Sie sollte divers sein. Das heißt, dass sie nicht zwingend in den typischen Fächern wie Wirtschaft oder Politik stattfinden muss. Sie muss als Querschnittsthema verstanden werden. Jede Lehrkraft, die sich berufen fühlt, in dem Bereich etwas zu machen, kann sich im Unterricht berufliche Orientierung einsetzen.
Wie könnte so etwas denn aussehen?
Lehrkräfte können Unternehmen oder auch die Agentur für Arbeit einladen, Jobmessen besuchen, einen Berufsparcour veranstalten – je nach Thema. Im Sportunterricht könnte etwa über Berufe wie Fitnesskaufmann oder -frau gesprochen werden. Leider sind viele Lehrkräfte einfach überladen mit den diversen Anforderungen, die an sie gestellt werden. Und deshalb ist die berufliche Orientierung dann doch oftmals im Bereich Wirtschaft/Politik angelegt.
Unseren Studierenden zeigen wir beispielsweise, wie Themen des Übergangs von der Schule zum Beruf beziehungsweise Studium didaktisch und methodisch umgesetzt werden können. Indem sie von uns unterstützt selber entsprechende Inhalte für Unterrichtssimulationen, welche sie mit ihren Kommilitoninnen und Kommilitonen durchführen, aufbereiten und anschließend reflektieren.
Aber das Angebot in Schleswig-Holstein, das anders anzugehen, ist da – beispielsweise über das Landeskonzept „Wir unternehmen was!“, mit dem unternehmerisches Denken und Handeln gestärkt werden soll.
Wie funktioniert das?
Zum Beispiel gibt es die Idee, dass jeder Schülerin und jede Schüler im Laufe der Schulzeit einmal eine Schülerfirma besucht, gegründet oder daran mitgearbeitet hat. Einfach, um einen Einblick zu bekommen, wie solche Projekte ablaufen, wie Unternehmen funktionieren. Und alle lernen dabei grundlegende Dinge, wie beispielsweise Teamfähigkeit oder Selbständigkeit. Das Konzept existiert seit zwei Jahren und ist sehr umfangreich. Es gibt Möglichkeiten für Schülerinnen und Schüler, Unternehmen direkt kennenzulernen, sowie Unternehmensplanspiele oder Workshops. Es finden Fortbildungen für Lehrkräfte statt, um Projektmanagement im Unterricht einsetzen zu können oder selbst zu erfahren, wie Unternehmensgründungen funktionieren. Es ist völlig egal, in welchem Fach dies angeboten wird – alles ist da möglich.
Es gibt also nicht den einen Weg?
Nein, es gibt ja auch nicht das eine Ziel. Wir versuchen in der Forschung herauszufinden, was dieser Übergang für junge Menschen überhaupt bedeutet – mit Blick auf Geschlecht, Ethnie, Alter und sozialer Herkunft. Gibt es überhaupt noch den ‚normalen‘ Lebenslauf? Entsprechen die Vorstellungen der jungen Menschen dem, was im Beruf verlangt wird? Alle Menschen haben unterschiedliche Dispositionen, unterschiedliche Ressourcen. Und da ist es wichtig, dass junge Menschen lernen, unternehmerisch zu denken und zu handeln. Nicht unbedingt, um selbst zu gründen, sondern, um Unternehmerin und Unternehmer in der eigenen Sache zu werden, Kompetenzen zu entwickeln oder solche zu entdecken, die längst da sind.
TEXT Robert Otto-Moog
FOTO privat