An der Auguste-Viktoria-Schule in Flensburg lernen Schülerinnen und Schüler programmieren – auch in Kooperation mit der Hochschule Flensburg. Wie das nicht nur dem Informatikunterricht dient, sondern auch wegweisend für die Lehrerfortbildung sein kann, erklärt Timo Räker (42), Koordinator für schulfachliche Aufgaben mit dem Schwerpunkt IT.
Herr Räker, Ihre Schüler haben in Kooperation mit der Hochschule Flensburg eine App entwickelt. Was ist von dem Projekt fast zwei Jahre später übrig geblieben?
Das Projekt ist zwar abgeschlossen, der Kontakt zur Hochschule besteht aber noch über das Netzwerk ‚nordisch.digital‘. Wir haben zudem den kompletten Unterrichtsgang dokumentiert und daraus eine dreitägige Fortbildung für Informatiklehrkräfte aus ganz Schleswig-Holstein gemacht. Der Plan war, dass andere Lehrerinnen und Lehrer das ganze oder einzelne Teile des Konzepts nehmen und in den eigenen Unterricht übertragen können. Das Ganze passte einfach sehr gut zu den neuen Fachanforderungen in der Informatik. Zudem versuchen wir auch weiterhin, unseren Informatikunterricht problem- und projektorientierter zu gestalten.
Wie sieht das aus?
Im Folgejahr haben Schüler beispielsweise digitale Türschilder entwickelt. Das sind Displays, die vor den Räumen hängen und die aktuelle Belegung anzeigen. Da gehört zwar eine Menge Programmieren zu, aber eben auch viele andere Dinge. Ein Schüler hat beispielsweise eine Platine entworfen und die Anforderungen der späteren Nutzer mussten berücksichtigt werden. Es musste eine Schnittstelle zum digitalen Stundenplan entwickelt, die daraus gewonnenen Daten aufbereitet und dargestellt werden. Bei so einem Projekt geht es eben nicht nur darum, einen Algorithmus 100-mal nachzuprogrammieren. Die Schülerinnen und Schüler haben viele verschiedene Aspekte kennengelernt.
Das Programmieren ist ja aber trotzdem ein Teil. Müssen Schüler denn generell heutzutage lernen, Apps zu entwickeln oder mit Künstlicher Intelligenz zu arbeiten?
Es ist grundsätzlich gut, wenn man eine Blackbox öffnen kann und Einblicke bekommt. Allerdings geht es bei solchen Projekten um mehr, da die Kompetenzorientierung und der Prozess im Vordergrund stehen. Das heißt, dass Schülerinnen und Schüler lernen, wie sie ein Probleme angehen, einmal diesen Zyklus durchlaufen von der Nutzerbefragung über den ersten Prototypen, Weiterentwicklung und bis zum fertigen Produkt. Da sind Kommunikation, Kooperation und kritisches Denken gefragt. Ähnlich wie in der klassischen Schülerfirma.
Interessieren sich Schüler im Allgemeinen denn überhaupt für Informatik oder bleibt das weiterhin ein paar Spezialisten vorbehalten?
Es gibt beides. Was wir aber gemerkt haben ist, dass die Schüler total motiviert sind, sobald es um ihre eigenen Probleme und ihre eigene Lebenswelt geht. So war es zumindest in den Projekten, die wir bisher gemacht haben.
Informatik soll in Schleswig-Holstein Pflichtfach an der Sekundarstufe I werden. Informatiklehrkräfte sind Mangelware. Ist das also überhaupt realistisch?
Wir würden das bei uns mit Ach und Krach schaffen. Wir haben zwei Lehrkräfte für die Sekundarstufe zwei, eine für die Sekundarstufe I. Und es gibt Angebote, Weiterbildungsmaßnahmen zu machen. So könnten wir in absehbarer Zeit eine weitere Lehrkraft hinzubekommen.
Ist so ein Projekt mit der Hochschule auch ein guter Weg, um Experten an die Schule zu bekommen, die sonst fehlen?
Aus unserer Sicht auf jeden Fall. Wir waren bei dem ursprünglichen Projekt sehr froh, dass wir wissenschaftliche Hilfe bekommen haben. Aus der Hochschule kommt noch einmal eine ganz andere fachliche Perspektive in den Unterricht, ein ganz anderer theoretischer Hintergrund. Das könnte man aus meiner Sicht auch in die Lehreraus- und fortbildung integrieren. Es wäre eine riesige Chance, wenn man beispielsweise in Flensburg Synergien zwischen der Uni, an der Pädagogen ausgebildet werden, und der Hochschule schaffen würde, um Informatik-Lehrkräfte auszubilden. Das wäre für uns ein Traum. Aber da stehen vielleicht auch manchmal hochschulpolitische Dinge im Weg.
Hilft dabei auch ein Netzwerk wie ‚nordisch.digital‘, um mehr für die Bedürfnisse der Schulen zu werben?
Ja, und bisher helfen die Netzwerktreffen nicht nur dem Informatikunterricht. Zuletzt ging es darum, wie wir Künstliche Intelligenz auch im Fachunterricht nutzbar machen können. In der letzten Runde waren wir allerdings die einzige Schule. Das würden wir gern breiter aufstellen, damit mehr von dem Netzwerk profitieren können. Trotzdem ist ‚nordisch.digital‘ ein ideales Konzept, um verschiedene Akteure zusammenzubringen. Und eben auch, um genau diese Probleme, wie etwa die Lehrkräfteversorgung anzusprechen. Um etwas anzustoßen, reicht es vielleicht schon, wenn der Präsident der Hochschule und der Präsident der Universität gemeinsam zu einem Thema eingeladen sind. Das ist zumindest meine Hoffnung.
TEXT Robert Otto-Moog
FOTO privat