Thorben Schütt ist 1990 geboren und der jüngste Landrat Deutschlands. Seit Sommer 2024 im Amt, treffen wir ihn im Erdgeschoss der Kreisverwaltung Heide. Ein spektakulärer Bau finnischer Architekten aus den 1970er Jahren, vier Segmente eines Kreises, sozusagen mit dem Rücken zueinander gebaut. Es ist 10:00 Uhr vormittags. „Heute schon der dritte Termin“, sagt er. Den Kaffee auf dem Tisch rührt er nicht an, macht aber auch nicht den Eindruck, als brauche er Koffein, um in Fahrt zu kommen. Das alles bestimmende Thema im Kreis ist die Batteriefabrik des schwedischen Unternehmens Northvolt. Zuletzt häuften sich Berichte, dass der Fabrikneubau nicht mehr gesichert sei.
Bevor wir darüber sprechen, was Dithmarschen besonders attraktiv für junge Menschen auf der Suche nach Ausbildungsplätzen macht, die Frage: Was genau ist ein Landrat? Warum sitzt er in der Stadt?
Der Landrat ist einerseits Chef der Verwaltung des Kreises und kümmert sich darum, dass die Verwaltung funktioniert, dass sie organisiert ist. Und er bestimmt die Leitlinien, nach denen die Verwaltung handelt und setzt die Entscheidungen der Kreispolitik um. Das ist eine ganz wichtige Aufgabe. Der Landrat ist Verwaltungsbeamter und eben nicht Politiker. Das heißt, die grundsätzlichen politischen Beschlüsse fasst der Kreistag, und der bestimmt, in welche Richtung sich eine Verwaltung und der Kreis entwickeln sollen. Wenn ich sage ‚er‘, dann sind das natürlich die vielen Kolleginnen und Kollegen mit mir zusammen.
Verbringen Sie viel Zeit im Büro?
Ich bin auch unterwegs, denn ein Teil meiner Aufgaben ist, dass ich in verschiedenen Gremien für den Kreis sitze. Beispielsweise bin ich Stiftungsvorstand der ‚Stiftung Mensch‘, ein Träger für soziale Dienstleistungen im Bereich der Eingliederungshilfe. Aber ich bin auch bei Wirtschaftsförderungsgesellschaften im Aufsichtsrat. Es gibt also schon Termine, zu denen ich raus muss.
Wie verlief Ihr beruflicher Werdegang? Sie waren ja auch südlich der Elbe unterwegs.
In Passau habe ich Jura studiert und bin Volljurist. Nach meinem Referendariat in Schleswig-Holstein war ich im Landtag als Jurist tätig und danach in der Staatskanzlei sowie im Innenministerium. Zuletzt habe ich das Büro der Innenministerin geleitet. Jetzt bin ich bald ein halbes Jahr hier, und die Zeit vergeht wie im Flug. Das Amt erfüllt mich vollkommen, auch zeitlich. Es ist wirklich eine große Ehre, ein großes Privileg für die Menschen tätig zu sein, mit denen ich hier zusammenlebe.
Wie sehen Sie den Kreis Dithmarschen, was die Bildungschancen für junge Leute betrifft? Wie wichtig ist das Thema für Sie?
Ich glaube, hier schlummern ganz viele Chancen für junge Menschen. Wir leben in einer Region, die Zukunft hat. Das erleben wir gerade mit der Ansiedlung von Northvolt. Aber auch mit Vielem, was darüber hinausgeht, zum Beispiel mit den erneuerbaren Energien, die wir nutzen wollen, um klimaneutral zu werden.
Wie sehen Ihre Freunde und Bekannten die Zukunftschancen?
Bei meinen Freunden und Bekannten ist es oft so, dass viele gegangen sind und jetzt erkennen, dass hier eigentlich viele Möglichkeiten existieren. Es gibt viel Optimismus, und viele ergreifen auch ihre Chancen. Ich kenne viele, die zurückgekommen sind, aus Berlin, aus Kiel oder aus anderen Regionen.
Sind Sie parteipolitisch gebunden? Ist das wichtig?
Ich bin nicht parteipolitisch gebunden. Das Landratsamt ist insgesamt überparteilich, und so übe ich es auch aus. Und das ist mir auch ganz wichtig. Ich bin Mitglied in einer Partei …
… der CDU …
… genau. In die CDU bin ich relativ früh, mit 15, eingetreten. Und als Privatperson ist das natürlich auch meine politische Heimat. Aber das Amt des Landrats ist überparteilich und muss auch so ausgeübt werden. Ich glaube, diese Arbeit führt dazu, dass man gut mit den verschiedenen Fraktionen zusammenarbeiten kann.
Am Ende ziehen wir alle an einem Strang. So verstehe ich das Amt.
Was können Sie konkret zum Thema Bildungsangebote in Ihrem politischen Alltag unternehmen?
Da kann ich tatsächlich eine Menge tun, und das ist auch ein wichtiges Thema. Der Kreis ist beispielsweise Träger mehrerer Gymnasien. Das heißt, wir sind verantwortlich dafür, wie der Zustand der Schulen ist. Und wir sind auch Bildungsträger des beruflichen Bildungszentrums. Das heißt also, es bestehen sehr viele Möglichkeiten, auf die strukturellen Bedingungen einzuwirken. Einer meiner ersten Termine war, mit dem Bildungsministerium zu sprechen, gemeinsam mit der hiesigen Schulleitung und einer Vertretung aus dem Kreistag, um dafür zu kämpfen, dass bestimmte Ausbildungsberufe, die eigentlich abgezogen werden sollten, hier gehalten werden. Das betraf in dem Fall den Industriemechaniker, die Industriemechanikerin. Ein Beruf, der zu einer Industrieansiedlung aus meiner Sicht sehr, sehr gut passt. Und das sah die Schule genauso, aber das Land eben nicht. Wir haben erreicht, dass der Beruf weiterhin hier ausgebildet wird.
Stichwort Northvolt, die geplante und schon im Bau befindliche Batteriefabrik eines schwedischen Energiekonzerns. Das ist ein Viereinhalb-Milliarden-Projekt, war aber zuletzt in den Schlagzeilen, weil der Investor selbst unter großen Schwierigkeiten leidet und Stellen abbaut. Wie blicken Sie darauf? Wie optimistisch sind Sie?
Das Unternehmen hat sich immer klar zu dem Standort bekannt. Es hat auch in den letzten Monaten, als es ja auch beispielsweise um Schließungen an anderen Standorten oder um Reduzierung der Ausbaupläne ging, immer gesagt, Heide sei elementarer Teil der Strategie des Unternehmens. Die Batteriezellen sollen hier gebaut werden. Das allein gibt mir schon eine gewisse Sicherheit. Dann sehe ich aber auch die tägliche Arbeit. Der Druck, der auf unserer Verwaltung lastet, der hat nicht nachgelassen.
Im Gegenteil, wir stehen immer noch unter Volldampf, und solange wir von dem Unternehmen unter Volldampf gehalten werden, werte ich das auch als positives Zeichen.
Aber letztendlich können Sie ja nur drauf schauen und warten, oder? Die Entscheidungen treffen nicht Sie.
Was wir machen können, ist alles so stringent fortzuführen, wie wir es bisher getan haben und nicht nachzulassen. Ich glaube, dass wir auch dem Unternehmen spiegeln, dass wir die Rahmenbedingungen schaffen wollen, die für diese Fabrik notwendig sind: Wohnraum, Kinderbetreuung, Schulplätze. Und da müssen wir aufpassen, dass wir nicht nachlassen und sagen na ja, jetzt warten wir erstmal ab.
Das heißt, Sie planen auch den Ausbau der Infrastruktur weiter?
Nehmen wir das Thema Wohnen. Ich bin jetzt hergezogen, aber als Landrat und nicht als Student. Und es ist nicht so, dass der Wohnungsmarkt mit extremen Puffern gesegnet ist, sondern wenn jemand an die Fachhochschule kommt oder einen Ausbildungsberuf absolvieren möchte, dann trifft er auf einen Wohnungsmarkt, der jetzt schon angespannt ist. Wir müssen so oder so etwas tun, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.
Ist das hier für Sie einfach ein Job? Wollen Sie bleiben oder noch mal woanders hin?
Also ich fühle mich hier pudelwohl. Wenn ich darf, dann möchte ich das Landratsamt möglichst lange ausfüllen. Und so handle ich auch. Ich kann etwas bewegen, mit den Kolleginnen und Kollegen, mit den Menschen. Das wäre ein riesiges Privileg, wenn ich das möglichst lange machen darf.
2026 sollten ja die ersten Batteriezellen produziert werden. Glauben Sie daran? Oder wird das erst in Ihre mögliche zweite Amtszeit fallen?
Das glaube ich nicht. Meine erste Amtszeit geht ja noch bis 2030. Das kriegen wir hin.
Vielen Dank für das Gespräch.
TEXT Christian Bock
FOTO Kreisverwaltung Dithmarschen