Landtagsrede der Ministerin für Allgemeine und Berufliche Bildung,
Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Schleswig-Holstein
Karin Prien Landtag 21. Tagung TOP 39
Kiel, 21. März 2024
Es gilt das gesprochene Wort.
Sehr geehrter Frau Präsidentin,
sehr geehrte Abgeordnete,
die berufliche Bildung ist ein deutsches Erfolgsmodell, ein schleswig-holsteinisches Erfolgsmodell.
Es stärkt unserer Wirtschaft mit gut ausgebildeten Fachkräften den Rücken, sorgt für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft und ist Innovationstreiber in unseren Unternehmen. Berufliche Bildung bietet jungen Menschen eine Perspektive und eröffnet mit ihren vielfältigen Abschlüssen zahlreiche Aufstiegschancen sowie eine hohe Durchlässigkeit und sehr gute Möglichkeiten, sich persönlich weiterzuentwickeln und zu qualifizieren – auch nach dem Einstieg in die Berufstätigkeit.
Die berufliche Bildung ist auch deshalb so wertvoll, weil sie eine Vielzahl junger Menschen mit sehr unterschiedlichen Bildungsbiografien und sozialen Hintergründen erreicht. Sie ist Wegbereiterin für den sozialen Aufstieg. Wenn junge Menschen über eine gute Ausbildung verfügen, haben Sie bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Sie können ihr Leben und ihre Zukunft eigenverantwortlich gestalten und werden als Teil der Gesellschaft anerkannt. Nicht zuletzt werden über die Berufliche Bildung Innovationen in die Unternehmen getragen. Mit der Verfügbarkeit von qualifizierten Fachkräften steigt die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen. Gleichzeitig ist die berufliche Bildung durch die Kooperation mit den Unternehmen und Kammern immer auf dem neuesten Stand. Dass die Berufliche Bildung in unserem Land so erfolgreich ist, dafür sorgen – neben den Ausbildungsbetrieben – in erster Linie die Schulleitungen und Lehrkräfte der Berufsbildenden Schulen. Ihnen möchte ich an dieser Stelle meinen Dank und meine Wertschätzung ausdrücken.
Gut qualifizierte und hochmotivierte Lehrkräfte sind das A und O für gute Schulen – das gilt für die berufsbildenden genauso wie für die allgemeinbildenden Schulen. Im berufsbildenden Bereich ist die Lehrkräftesituation äußerst vielfältig und komplex. Lehrkräfte werden in der Regel parallel in mehreren Schularten eingesetzt. An den 35 öffentlichen berufsbildenden Schulen in Schleswig-Holstein, darunter 19 regionale Berufsbildungszentren, werden derzeit rund 350 verschiedene Bildungsgänge angeboten. Zudem können an den berufsbildenden Schulen auch alle allgemeinbildenden Schulabschlüsse erworben werden.
Angesichts dessen lässt sich keine verlässliche Prognose, die auf große Fallzahlen und Strukturen angewiesen ist, erstellen. Hinzukommt, dass wir zwar momentan abnehmende Schülerzahlen haben, die Zahlen in Zukunft aber wieder steigen werden. Wir brauchen also ein „atmendes System“, das auf diese Schwankungen flexibel reagieren kann und personelle Ressourcen optimal nutzt. Mit dem Masterplan Berufliche Bildung verbessern wir dieses System weiter und sichern die Zukunftsfähigkeit in allen Bereichen. Unser Ziel ist es, in Schleswig-Holstein in den Zentren und in der Fläche Berufsschulen zu erhalten, die gut ausgestattet sind, über genügend qualifizierte Lehrkräfte verfügen und so den Anforderungen der Zeit gerecht werden. Dazu müssen wir auch wissen, wie der Status quo in der beruflichen Bildung ist.
Im Schuljahr 2022/23 haben an den Berufsbildenden Schulen in Schleswig-Holstein 4.527 Lehrkräfte unterrichtet. Rund 80% von ihnen haben die Befähigung für das Lehramt an Berufsbildenden Schulen oder das Fachlehramt. Zusätzliche ca. 8% haben die Befähigung für ein Lehramt einer allgemeinbildenden Schulart. Somit unterrichten an den Berufsbildenden Schulen des Landes zu fast 90% Personen mit einer abgeschlossenen Lehramtsausbildung. Weitere ca. 5% haben einen anderen Hochschulabschluss und werden als Fachkräfte dringend benötigt. Ein Teil der Lehrkräfte mit der Befähigung für das Lehramt an Berufsbildenden Schulen kommen über den Quereinstieg: Sie haben kein Lehramtsstudium absolviert, besitzen aber einen anderen Diplom-, Magister- oder Master-Abschluss in einer vom Land festgestellten Mangelfachrichtung und haben eine einschlägige Berufserfahrung oder eine abgeschossene duale Ausbildung. Nach dem 18-monatigen Vorbereitungsdienst und dem Bestehen der Staatsprüfung haben diese Personen die volle Lehramtsbefähigung für die Berufsbildenden Schulen erworben. Meine Damen und Herren, ich möchte ausdrücklich betonen: gerade im berufsbildenden Bereich sind Lehrkräfte mit einschlägigen Berufserfahrungen eine große Bereicherung. Sie stellen für die Schülerinnen und Schüler eine authentische Brücke zwischen Schule und Beruf dar und können auch im Kollegium dank ihres Wissens und ihrer Erfahrungen neue Impulse setzen. Das gilt auch für die relativ kleine Gruppe der Lehrkräfte an den Berufsbildenden Schulen, die den Zugang zum Lehramt über den Seiten- oder den Direkteinstieg erhält.
Zu den beiden Einstellungsterminen 1. August 2022 und 1. Februar 2023 konnten insgesamt 136 Anwärterinnen und Anwärter für das Lehramt an Berufsbildenden Schulen in den Vorbereitungsdienst eingestellt werden. Seit 2017 haben wir die rechnerische und tatsächliche Unterrichtsversorgung kontinuierlich gesteigert bzw auf hohem Niveau gehalten. 2017 waren gerade einmal 90,3 Prozent der Planstellen tatsächlich besetzt. Zum Stichtag 7. Oktober 2022 waren hingegen 98,1% der Planstellen an den Berufsbildenden Schulen in Schleswig-Holstein besetzt. Dass nicht alle Stellen besetzt werden konnten, liegt an vielfältigen Gründen: von fehlenden Bewerberinnen und Bewerbern, z.B. in den sogenannten Mangelfachrichtungen, bis zu unterschiedlichen regionalen Präferenzen. Bekannte Mangelfachrichtungen sind die gewerblich-technischen Disziplinen. Stark nachgefragt sind auch die MINT-Fächer, die Sozialpädagogik und die Fremdsprachen. Der Bedarf ist allerdings je nach Profil der Schule oder nach Region sehr unterschiedlich.
Meine Damen und Herren, wir haben die Berufsbildenden Schulen in den letzten Jahren sehr großzügig unterstützt, um auch kleine Klassen zu erhalten. Die 60 Stellen, die als Moratorium seit dem Schuljahr 2022/23 den BBS/RBZ zusätzlich zur Verfügung standen, um kleine Berufe zu erhalten, bleiben im System. Diese werden ab dem 01.08.2024 gezielt genutzt, um die Basisberufe, z.B. Berufe der Energiewende, regionalen Basisberufe, v.a. Landwirtschaft und Tourismus, und kleinen Landesberufsschulen an denen auch Schülerinnen und Schüler aus anderen Bundesländern unterrichtet werden personell zu stützen. Zur Sicherung der grundständigen Lehrkräfteversorgung werden in Schleswig-Holstein an zwei Universitätsstandorten Studiengänge zur Vorbereitung auf das Lehramt an Berufsbildenden Schulen angeboten. An der Europa-Universität Flensburg können sich Studierende in der beruflichen Fachrichtung Ernährungs- und Hauswirtschaftswissenschaft zum Bachelor- und Master ausbilden lassen. Außerdem können sie sich im Master-Studiengang Vocational Education als Lehrkraft in den gewerblich-technischen Fachrichtungen Elektrotechnik, Fahrzeugtechnik, Informationstechnik und Metalltechnik qualifizieren lassen. An der CAU wird der Zwei-Fächer-Studiengang Wirtschaftspädagogik mit Bachelor- und Masterabschluss angeboten. Ebenfalls an der CAU werden zum Wintersemester 2024/25 ein Bachelorstudiengang und ab 2025/26 ein anschließender Masterstudiengang für Sozialpädagogik mit dem Profil berufliche Bildung eingeführt. Damit soll der zukünftige Bedarf an Lehrkräften für die Fachrichtung Sozialpädagogik gedeckt werden, der u.a. durch die Ausbildung der sozialpädagogischen Assistenzen sowie der Fachschule für Erzieherinnen und Erzieher entsteht. Sie ist Teil der Fachkräfteinitiative für soziale Berufe, mit der wir dem gesteigerten Fachkräftebedarf in den Kitas und im Ganztag begegnen. Im Rahmen dieser Initiative stehen 21+64 Stellen zweckgebunden für den Aufwuchs SozPäd im Haushalt. Erstmals erhalten die Schulen die Lehrerstellen pro Klasse – unabhängig von der tatsächlichen Klassengröße. Damit konnten wir auch die Schülerzahl SPA, Erzieher Heilerziehungspflege und Heilpädagogik um rund 1000 steigern.
Zur Stärkung der Lehrkräftegewinnung im gewerblich technischen Bereich wurde 2018 das Satelliten-Modell eingerichtet als Kooperation zwischen der Hochschule Flensburg, der Fachhochschule Kiel und der Technischen Hochschule Lübeck. Bachelor-Studierende aus ingenieurwissenschaftlichen Studiengängen können dort den Wahlpflichtbereich „Berufliche Bildung“ studieren, der von den Fachbereichen „Berufspädagogik“ und „Berufs- und Fachdidaktik“ der EUF angeboten wird. Mit einer im November 2023 genehmigten Maßnahme der Allianz für Lehrkräftebildung soll das Satelliten-Modell gezielt weiterentwickelt werden. Meine Damen und Herren, ausreichende und gut qualifizierte Lehrkräfte sind die Grundlage für eine zukunftsfähige berufliche Bildung. Was aber genauso wichtig ist: Berufliche Bildung muss stärker als attraktive Alternative zum Studium in der Gesellschaft wahrgenommen werden. Ich bin mir sicher: die berufliche Bildung in Schleswig-Holstein kann in dieser Frage auf Sie alle und auf Ihr Engagement zählen.
Vielen Dank