„Grüner wird’s nicht!”: Wie das Projekt Northvolt Drei die Region Dithmarschen beeinflussen kann

„Grüner wird’s nicht!”: Wie das Projekt Northvolt Drei die Region Dithmarschen beeinflussen kann

ME2BE zu Besuch bei der Veranstaltung „Northvolt – Chancen und Herausforderungen” in Heide

Eine Vielzahl von Interessierten versammelte sich im BBZ Dithmarschen in Heide, um an einem bedeutenden Event teilzunehmen: „Northvolt – Chancen und Herausforderungen”. Auch wir von ME2BE waren vor Ort und erwarteten interessante Diskussionen und Einblicke. Das Großprojekt „Northvolt Drei” stand im Fokus dieser Veranstaltung, insbesondere im Hinblick auf die Auswirkungen auf den Standort und seinen Arbeitsmarkt. Mit einem Beitrag von Schleswig-Holsteins Wirtschaftsminister Claus Ruhe Madsen und mit Vertretern von Northvolt, der IHK und lokalen Unternehmern versprach das Programm ein breites Spektrum an Perspektiven und Diskussionsthemen. Von den Bedarfen des Unternehmens Northvolt über regionales Marketing bis hin zu Arbeitsmarkttrends – die geplante Agenda versprach eine tiefgreifende Analyse der aktuellen Situation und zukunftsorientierter Maßnahmen. Nach den informativen Beiträgen war ein informelles Get-Together geplant, bei dem die Teilnehmer die Möglichkeit hatten, sich auf dem „Markt der Möglichkeiten“ mit Akteuren auszutauschen, die sich intensiv mit dem Thema Fachkräfte auseinandersetzen. Wir von ME2BE wollen einen genaueren Blick auf die Diskussionen und Ergebnisse dieses Events werfen.

Die Vision von Northvolt: Chancen und Herausforderungen für Dithmarschen

Durch die Veranstaltung führten Thomas Bultjer (Leiter der IHK-Geschäftsstelle Dithmarschen) und Petra Vogt (Leitung des Bereichs „Information und Kommunikation” bei der IHK Flensburg). „Das Thema Fachkräftemangel ist die größte Herausforderung, die unsere Betriebe umtreibt. Darum soll es heute gehen”, Petra Vogt untermalte so direkt zu Beginn die Dringlichkeit dieses Themas.

Petra Vogt und Thomas Bultjer führen durch das Event

Zuerst kam Northvolt-Manager Arne Claussen zu Wort. Für den Aufbau der Northvolt-Fabrik sind vor allem drei Dinge wichtig: Eine Versorgung mit 100 Prozent Grünstrom, eine strategische Flächenentwicklung und die 3.000 Menschen, die im Laufe der nächsten Jahre als Fachkräfte rekrutiert und in die Region kommen werden. Nachdem die ersten beiden Punkte bereits erfolgreich bearbeitet werden konnten, stehen nun vor allem die Menschen im Fokus. „Es wird viele Menschen geben, die sich hier in der Region integrieren werden, die hier wohnen und die hier eine neue Heimat finden werden”, meinte Claussen.

In seiner Rede betonte Arne Claussen zudem die Bedeutung bestimmter Eigenschaften, die das Unternehmen bei seinen Mitarbeitern sucht. Er hob hervor, dass sein Unternehmen bereits jetzt Personen aus über 120 Nationen anzieht, welche sich durch die Attribute „bold, passionate and excellent” auszeichnen. Claussen erklärte, dass Mut („bold”) bedeutet, den Status quo zu hinterfragen, kalkulierte Risiken einzugehen und entschlossen zu handeln. Des Weiteren betonte er die Wichtigkeit von Leidenschaft („passionate”) für grüne Batterietechnologie und die Notwendigkeit, sich für Präzision, Qualität und Sicherheit einzusetzen („excellent”). Er erläuterte, dass Northvolt ein modulares Schulungsprogramm anbietet, um den Mitarbeitern einen erfolgreichen Einstieg zu ermöglichen. Dieses Programm umfasst eine Grundausbildung für ungelernte Arbeitskräfte und Quereinsteiger sowie eine spezialisierte Schulung zur Batterieproduktion. Zudem erwähnte er das Buddy-Programm, das neuen Mitarbeitern dabei hilft, sich in das Unternehmen zu integrieren, indem sie mit erfahrenen Mentoren zusammengeführt werden. Zuletzt betonte Claussen die Relevanz von gutem Standortmarketing, um die Region so attraktiv wie möglich für zuziehende Fachkräfte zu gestalten. „Die Kolleginnen und Kollegen, die bereits aus dem In- und Ausland in die Region gekommen sind, fühlen sich sehr willkommen und wohl. Eine gute Grundlage ist geschaffen, um den Standort noch attraktiver zu gestalten. Wir freuen uns auf die weitere Reise hier in der Region!”

Politische und Unternehmerische Perspektiven: Claus Ruhe Madsen, Frank Schnabel und Björn Ipsen im Gespräch

Anschließend kamen Claus Ruhe Madsen (Schleswig-Holsteinischer Minister für Wirtschaft, Verkehr, Arbeit, Technologie und Tourismus), Frank Schnabel (Geschäftsführer der Brunsbüttel Ports GmbH und Chef der drei Häfen Elbehafen, Ölhafen und Hafen Ostermoor) und Björn Ipsen (Hauptgeschäftsführer der IHK Flensburg) für eine gemeinsame Gesprächsrunde ebenfalls auf die Bühne.

Madsen betonte die enormen Herausforderungen, aber auch die Chancen, die mit der Schaffung eines epochalen Meilensteins einhergehen. Er sah die Weiterentwicklung der Region als eine bedeutende Gelegenheit und bezeichnete es als eine schöne Herausforderung, das Land, das bisher ein „Hidden Champion” war, zu etablieren. Besonders wichtig sei es, junge Menschen anzuziehen, um gemeinsam die Welt zu verbessern. „Das Cluster aus klugen Köpfen, das sich in Dithmarschen bilden wird, wird für Innovation sorgen und somit auch für attraktive Ausbildungsmöglichkeiten für junge Menschen”, vertiefte Claus Ruhe Madsen diese Ansicht im vorangegangenen Interview mit ME2BE. Madsen wies in der Podiumsdiskussion zudem darauf hin, dass es in Schleswig-Holstein etwa 90.000 Arbeitssuchende gäbe, womit genügend Menschen auf der Suche nach Beschäftigung wären. Er sprach auch von der Vision, ein Cluster zu schaffen, das die wirtschaftliche Entwicklung der Region vorantreiben würde.

Arne Claussen, Claus Ruhe Madsen, Frank Schnabel und Björn Ipsen während der Podiumsdiskussion

Auch Frank Schnabel teilte seine langjährige Vision, die Industrie in Dithmarschen voranzubringen. Er sah in der Ansiedlung von Northvolt eine riesige Chance, nicht nur für Brunsbüttel, sondern auch für die gesamte Region. „Es gibt einen Synergie-Effekt zwischen uns in der Seeschifffahrt und Northvolt. Wir werden viel zusammenarbeiten, beim Thema Fachkräfte und darüber hinaus”, erläuterte Frank Schnabel im Interview seine Zukunftsvision der Zusammenarbeit. Dennoch, so betonte Schnabel während der Podiumsdiskussion, gibt es Herausforderungen, Menschen nach Brunsbüttel zu bringen, insbesondere aufgrund von Verkehrsproblemen. Er betonte die Notwendigkeit einer verbesserten Infrastruktur und forderte mehr Druck, um die Geschwindigkeit der Entwicklung zu erhöhen. Schnabel hob hervor, dass Northvolt dabei eine entscheidende Rolle spielen könne, indem es nicht nur Arbeitsplätze schafft, sondern auch Menschen in die Region lockt, was wiederum die Nachfrage nach besserer Infrastruktur verstärkt.

Arne Claussen fügte hinzu, dass die Veränderungen, die Northvolt mit sich bringen wird , immens, aber positiv sein werden. Er betonte ebenfalls, dass diese Entwicklung nicht nur für Northvolt von Vorteil sei, sondern für alle Bürger der Region, da sie die Infrastruktur verbessert und beispielsweise den Ausbau von Kitas sowie öffentlichen Verkehrsmitteln ermöglicht.

IHK-Geschäftsführer Björn Ipsen sprach über die zu erwartende Verjüngung und das Wachstum der Region, betonte jedoch die Herausforderungen, die in einer Zeit der allgemeinen Unsicherheit auftreten. Er wies darauf hin, dass die wirtschaftliche Lage von Unternehmen derzeit so schlecht wie nie zuvor bewertet wird und dass es entscheidend sei, Unsicherheiten zu beseitigen, um die Stimmung zu verbessern und das volle Potenzial der Region auszuschöpfen. Dennoch zeigte er sich optimistisch und betonte, dass die Region auf einem guten Weg sei, ihre Ziele zu erreichen.

Arbeitsmarktstrategien und Herausforderungen: Dr. Michael Schack über Fachkräftemangel und Integration

Im Anschluss an die Diskussionsrunde betritt Leiter des IHK-Geschäftsbereichs „Bildung und Fachkräfte” Dr. Michael Schack für einen Impulsvortrag zur Situation auf dem Arbeitsmarkt die Bühne. Er erläuterte, dass vor 12 Jahren die Kammern beschlossen haben, dass Schleswig-Holstein zu einem Zuwanderungsland werden müsse. Tatsächlich wurde das Land 2015 zum Zuzugsland, als Geflüchtete hierher kamen. Schack wies auf den demografischen Wandel hin: Es gibt immer mehr Rentner und immer weniger Berufsanfänger. Trotzdem gab es in Dithmarschen einen Beschäftigungszuwachs von 9000 Menschen in den letzten 10 Jahren.

Dr. Michael Schack spricht über Fachkräftemangel

Er identifizierte zwei zentrale Maßnahmen, um die Region für Fachkräfte attraktiv zu machen: Die Bereitstellung von Betreuungsangeboten und die Einführung neuer Arbeitszeitmodelle in Unternehmen. Angesichts der Tatsache, dass ein Viertel der Beschäftigten in Dithmarschen über 55 Jahre alt ist und bald in Rente gehen wird, betonte Schack die Relevanz der Möglichkeit, sie davon zu überzeugen, länger zu arbeiten. Er hob auch die Bedeutung der Integration von Zuwanderern in den Arbeitsmarkt hervor und erwähnte die Einrichtung eines landesweiten “Welcome Centers”, um die Integration zu erleichtern.

Um Schleswig-Holstein attraktiv zu machen, müsse man im Ausland auf sich aufmerksam machen und Zuwanderer schnell in den Arbeitsmarkt integrieren. Dies erfordert Sprachkurse, Kinderbetreuung, Infrastruktur und viele weitere Maßnahmen. Er betonte auch die Bedeutung, dass der Gewinn an Arbeitskräften durch Northvolt die Situation der hiesigen Unternehmen nicht verschlechtern dürfe. Schack schloss optimistisch und betonte, dass gemeinsame Anstrengungen, unterstützt durch einen weiteren starken Mitspieler im Boot wie Northvolt, das Boot schneller machen würden.

Nachhaltiges Regionalmarketing: Prof. Dr. Arnd Zschiesche über die Bedeutung von Vermarktung der Region

Zuletzt gab Prof. Dr. Arnd Zschiesche von der Fachhochschule Westküste einen Impulsvortrag zum Thema Regionalmarketing. In seinen Ausführungen hob er hervor, dass das Hauptziel des Marketings darin liegen sollte, einen nachhaltigen Pull-Effekt zu erzeugen, der Menschen von außerhalb dazu motiviert, sich in Dithmarschen anzusiedeln. Dabei legte er besonderen Wert darauf, dass der Begriff der Nachhaltigkeit im Marketing für die Region Dithmarschen deutlich verankert werden müsse. Ein Slogan wie „Grüner wird’s nicht!“ verdeutliche die Potenziale der Region in dieser Hinsicht. Zschiesche unterstrich die Dringlichkeit, die vorhandenen Chancen zu nutzen und betonte die Verantwortung, aktiv an der positiven Entwicklung der Region mitzuwirken. Er hob hervor, dass die Nachhaltigkeit nicht nur ein Schlagwort sein sollte, sondern als essentieller Bestandteil des regionalen Marketings betrachtet werden müsse.

Prof. Dr. Arnd Zschiesche über Regionalmarketing

Minister Claus Ruhe Madsen machte in diesem Zusammenhang deutlich, dass es von entscheidender Bedeutung sei, die vorhandenen Ressourcen effektiv einzusetzen, um die Attraktivität der Region zu steigern und langfristig zu sichern. Madsen schlug vor, verschiedene regionale Initiativen und Kampagnen, wie beispielsweise „Bleib Oben“, miteinander zu verknüpfen, um ihre Wirksamkeit zu maximieren. Er betonte die Notwendigkeit einer koordinierten Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Regionen, um gemeinsam ein starkes und überzeugendes Regionalmarketing zu gestalten, das die Besonderheiten und Stärken der Region hervorhebt und potenzielle Zuzügler anspricht. In diesem Sinne forderte er dazu auf, das Ziel eines nachhaltigen Regionalmarketings entschlossen anzugehen und alle Kräfte zu bündeln, um die Region erfolgreich zu positionieren und langfristig zu stärken.

Einheitliche Visionen für eine zukunftsfähige Region

Die Veranstaltung „Northvolt – Chancen und Herausforderungen” bot einen Einblick in die verschiedenen Perspektiven auf das Großprojekt „Northvolt Drei” und seine potenziellen Auswirkungen auf die Region Dithmarschen. Trotz einiger Differenzen herrschte dennoch Einigkeit darüber, dass die Attraktivität der Region für Fachkräfte von entscheidender Bedeutung ist.

Sowohl politische Vertreter als auch Unternehmer und Experten betonten die Notwendigkeit einer nachhaltigen Entwicklung und einer koordinierten Zusammenarbeit. Politische Überlegungen wurden ebenso diskutiert wie unternehmerische Visionen und Strategien im Bereich des Marketings. Die Veranstaltung verdeutlichte, dass die Zukunft der Region eng mit der Entwicklung dieses wegweisenden Projekts verbunden ist.

Es liegt nun an den Akteuren, dieses gemeinsame Verständnis in konkrete Maßnahmen umzusetzen, um eine lebenswerte und zukunftsfähige Region Dithmarschen zu gestalten. Die Herausforderungen sind bekannt, doch die gemeinsame Zielsetzung und die Bereitschaft zur Zusammenarbeit zeigen einen Weg auf, um die Region nachhaltig zu stärken.

TEXT Mira Jacobsen
FOTO Patricia Rohde