Im Interview spricht Gerhard Müller, Schulleiter des RBZ Wirtschaft . Kiel, über die vielseitigen Möglichkeiten und besonderen Projekte seiner Schule. Er erläutert die wertvollen Kooperationen mit Wirtschaftsunternehmen und Hochschulen.
Sie haben an Ihrer Schule unterschiedliche Ausbildungsmöglichkeiten (Anm. d. Redaktion: siehe Schulporträt). Welche Schwerpunkte setzen Sie?
Es gibt mehrere Schwerpunkte, die wir auch in unserem Schulprogramm festgeschrieben haben, wie Bildung in der digitalen Welt, Wertevermittlung und Demokratie, Nachhaltigkeit und Gesundheit, Europa und Internationales, aber ebenso die Berufs- und Studienorientierung. Kooperationen innerhalb des RBZ Wirtschaft . Kiel und mit außerschulischen Partnerinnen und Partnern wie unseren Ausbildungsbetrieben, der Fachhochschule Kiel, der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU), der Landeshauptstadt Kiel, verschiedenen Vereinen, dem Theater Kiel und anderen Kulturschaffenden, Stiftungen und vielen mehr bilden einen wichtigen Schwerpunkt unserer gemeinsamen Arbeit.
Hierzu zählen auch befreundete Schulen in Kiel, in Schleswig-Holstein sowie Partnerschulen im gesamten Bundesgebiet und auch in Europa. Unser Ziel ist es, die Wirklichkeit, das Leben in die Schule zu holen, voneinander und miteinander zu lernen, andere Lernorte kennenzulernen, Synergien zu nutzen, den Blick zu weiten und sowohl den Schülerinnen und Schülern als auch den Lehrkräften neue Erfahrungsmöglichkeiten zu eröffnen.
Nicht zuletzt haben wir unsere FotoMedienSchule mit verschiedenen Berufsgängen, von denen die Auszubildenden des Ausbildungsberufs ‚Fotomedienfachmann/Fotomedienfachfrau‘ aus ganz Deutschland kommen. Die FotomedienSchule mit einem Schwerpunkt auf dem Bereich der immersiven Medien strahlt nach innen in die Schule hinein, hat aber ebenfalls Wirkung nach außen.
Wie geht das Land mit sinkenden Schülerzahlen um?
Das Schleswig-Holsteinische Institut für Berufliche Bildung (kurz SHIBB) erarbeitet aktuell im Rahmen eines Masterplans eine landesweite Schulentwicklungsperspektive für die duale Berufsausbildung und blickt dabei auf die 35 Berufsbildenden Schulen/Regionalen Berufsbildungszentren in Schleswig-Holstein. In diesem Rahmen wird, gemeinsam mit allen an der beruflichen Bildung Beteiligten, unter anderem darauf geschaut, welche dualen Ausbildungsberufe an welchen Berufsbildenden Schulen bzw. Regionalen Berufsbildungszentren unterrichtet werden.
Welche Alleinstellungsmerkmale hat Ihre Schule gegenüber anderen Berufsbildenden Schulen/Regionalen Berufsbildungszentren?
Die Stadt Kiel ist Träger von vier Regionalen Berufsbildungszentren (RBZ). Wir selbst haben den Schwerpunkt Wirtschaft und Verwaltung, am RBZ am Schützenpark gibt es den Schwerpunkt Gesundheit, Ernährung Gestaltung, am RBZ Technik in Gaarden finden Sie den technischen Schwerpunkt und am RBZ am Königsweg den Schwerpunkt Erziehung sowie Pflege- und Heilberufe. Die Aufteilung in diese vier Kieler Regionalen Berufsbildungszentren wurde vom Schulträger, der Stadt Kiel, vor ungefähr 15 Jahren vorgenommen und jetzt merkt man, dass diese Profilbildung ein großer Vorteil ist.
Neben der Ausrichtung auf Wirtschaft und Verwaltung gibt es bei uns am RBZ Wirtschaft . Kiel eine weitere Besonderheit: Wir haben neben der Berufsschule in unserem Vollzeitbereich auch ein allgemeinbildendes Abendgymnasium.
Kaufmännische Schulen gibt es ja seit mehr als 100 Jahren in Kiel. Wie stellt sich Ihre Berufliche Schule im Hinblick auf diese kaufmännische Schultradition dar?
Wir profitieren zum einen davon, dass wir an unserer Schule eine Vielzahl an Ausbildungsberufen anbieten. Zum anderen können unsere Lehrkräfte ihr umfassendes Wissen aus der Berufsbildung auch an die Jugendlichen in unserem sogenannten Vollzeitbereich, der Berufsfachschule I, der Berufsfachschule III, dem Beruflichen Gymnasium, der Fachschule, den Berufsintegrationsklassen Bik-DaZ, der Fachoberschule, der Berufsoberschule und der Ausbildung Schleswig-Holstein weitergeben.
Im Gegensatz zu allgemeinbildenden Schulen haben wir zudem den Vorteil, dass viele unserer Lehrkräfte selbst eine duale Ausbildung durchlaufen haben und neben der Ausbildung oft auch eine längere Zeit in der freien Wirtschaft oder Verwaltung tätig gewesen sind. Daher wissen sie aus eigener Erfahrung, wie es in der Arbeitswelt außerhalb der Schule aussieht.
Wie gestalten sich Ihre Kontakte in die Wirtschaft?
Es ist unser erklärtes Ziel, dass wir uns mit der Wirtschaft und der Verwaltung sehr eng vernetzen. Mit den Ausbildungsbetrieben, mit Unternehmen, mit der Jugendberufsagentur, der Fachhochschule, der Universität, mit Stiftungen und Vereinen sowie mit Ansprechpartnern aus dem sozialen Bereich sind wir gut vernetzt. Es ist einer unserer Schwerpunkte, Kooperationen nach innen und nach außen zu pflegen. Ich finde, dass Schule heute nur gelingen kann, wenn wir vielfältige interne und externe Unterstützerinnen und Unterstützer haben, die alle das gleiche Ziel verfolgen, unsere Jugendlichen optimal auf die Arbeits- und Lebenswelt vorzubereiten.
Wir verfügen natürlich noch über weitere Kooperationspartnerinnen und -partner, wenn man sich unsere Themen anschaut wie Digitale Bildung, Bildung für Nachhaltige Entwicklung oder Programme wie Erasmus+. Unsere Kooperationspartnerinnen und -partner finden sich über Schleswig-Holstein und Deutschland hinaus in der Welt, so z. B. in Frankreich, Italien, Norwegen, Ungarn, den Niederlanden, Dänemark oder auch in Tansania. Wir haben viele europäische Kontakte und unsere Schülerinnen und Schüler reisen dorthin beziehungsweise unsere Gäste kommen hierher. Es liegt ein großer Mehrwert darin, den Arbeitsmarkt und das Leben in anderen Ländern kennenzulernen.
Pflegt Ihre Schule Partnerschaften oder internationale Verbindungen zu in- und ausländischen Schulen?
Wir arbeiten derzeit mit einer Schule im dänischen Svendborg zusammen und pflegen seit Jahren gute Kontakte zur Berufsschule in Brest (Frankreich) sowie zu Schulen in den anderen genannten Ländern. Ein regelmäßiger Austausch ist vorteilhaft, um den Fortschritt der Projekte zu beobachten und die Erwartungen der Partnerinnen und Partner zu verstehen. Solche Kooperationen und Freundschaften profitieren von Langfristigkeit und Beständigkeit.
Darüber hinaus tauschen wir uns auf verschiedenen Ebenen aus. Als Schulpreisträger-Schule sind wir ein Teil der Deutschen Schulpreisträgergemeinschaft und arbeiten in diesem Netzwerk sehr eng zusammen. Unser Ziel ist es stets, den Nutzen für die Schülerinnen und Schüler im Auge zu behalten und deren Gesamterfolg zu fördern.
Gibt es ältere oder neuere Leuchtturmprojekte, die Sie skizzieren möchten?
Einmal jährlich veranstalten wir im Herbst unsere Next Step-Messe, zu der wir Ausbildungsbetriebe, die Arbeitsagentur, die Jugendberufsagentur u.a. einladen, um sich hier im RBZ Wirtschaft . Kiel zu präsentieren. Es handelt sich um eine echte Ausbildungsmesse, bei der unsere Vollzeitschülerinnen und -schüler die Möglichkeit haben, nach Praktikumsplätzen oder Ausbildungsstellen zu suchen. Außerdem heißen wir die Gemeinschaftsschulen herzlich willkommen, sich zu informieren. Diese Messe, die wir bereits seit mehreren Jahren erfolgreich durchführen, ist ein herausragendes Projekt, das dank unserer sehr engagierten Lehrkräfte aufrechterhalten wird.
Ein anderes Projekt, das ich persönlich sehr gut finde, liegt im MINT-Bereich. Zum Beispiel haben wir im beruflichen Gymnasium eine Klasse mit dem Schwerpunkt Wirtschaftsinformatik, und durch die engagierte Arbeit der Lehrkräfte ist es uns gelungen, in diesem Bildungsgang den weiblichen Anteil zu erhöhen. Das geschieht durch Projekte, die wir durchführen, wie Girlsʼ Day, verschiedene Informationsveranstaltungen oder Besuche unserer Bildungsbegleiterin in Gemeinschaftsschulen. Daneben laden wir auch Klassen mit Schülerinnen und Schülern aus den Gemeinschaftsschulen zu einzelnen Projektpräsentationen ein.
Würden Sie uns noch weitere Projekte Ihrer Schule nennen?
Wir engagieren uns breit gefächert in verschiedenen Bereichen. Dies zeigen beispielsweise unsere Auszeichnung als Verbraucherschule in Gold, unser Einsatz für die Bildung für Nachhaltigkeit oder die seit 2006 verliehene Auszeichnung als Zukunftsschule in der höchsten Kategorie „Wir setzen Impulse“. Zu unseren signifikanten Projekten zählen unter anderem der Markt der Möglichkeiten und der Demokratietag, den wir vor einem Jahrzehnt in Zusammenarbeit mit der Heinrich-Böll-Stiftung ins Leben gerufen haben.
Darüber hinaus führen wir verschiedene Aktionen durch, darunter regelmäßige Veranstaltungen zum Weltwassertag und zum Tschernobyltag – dann halten bei uns Referenten Vorträge, welche die Katastrophe miterlebt haben.
Ein weiteres bedeutendes Programm ist das „Lernen durch Engagement“ (LdE). Hierbei wählen die Schülerinnen und Schüler eigenständig ein Projektthema und setzen dieses Thema gemeinsam mit Akteuren außerhalb der Schule um. Zudem nehmen wir jährlich mit Schülerinnen und Schülern der Berufsfachschule III an der StartUp-Challenge teil.
An unserer Schule wurden vielfältige Berufsorientierungsmöglichkeiten entwickelt. Daneben haben wir ein multiprofessionelles Unterstützungsteam für die Beratung unserer Schülerinnen und Schüler in allen Lebenslagen aufgebaut – mit Beratungslehrkräften, zwei Psychologinnen, einer Bildungsbegleitung sowie Unterstützenden aus dem Bereich der Schulsozialarbeit und des Übergangsmanagements oder auch einem Respekt Coach für die Gewaltprävention.
Das RBZ Wirtschaft . Kiel übernimmt eine Art Scharnierfunktion zwischen Schule und Arbeitsmarkt, aber auch innerhalb des Bildungssystems bis zur Studienbefähigung. Liegt hier Potenzial hinsichtlich des Fachkräftebedarfs, über den heutzutage oft gesprochen wird?
Es ist uns wichtig, unsere Schülerinnen und Schüler des Beruflichen Gymnasiums, der Berufsfachschule (III) für Kaufmännische Assistentinnen und Assistenten, der Fachoberschule oder auch der Berufsoberschule dazu zu motivieren, z. B. in die Ausbildung oder an die Fachhochschule Kiel (FH) zu gehen, da diese jungen Menschen die Fachkräfte von morgen sind.
Wie sehen die Kontakte des RBZ Wirtschaft . Kiel in die Hochschulen hinein aus? Welche Kooperationen oder gemeinsamen Projekte gibt es?
Mit der Fachhochschule Kiel unterhalten wir Kooperationsvereinbarungen für Schülerinnen und Schüler aus dem Beruflichen Gymnasium und aus der FotoMedienSchule. Wenn die jungen Menschen bei uns bestimmte Mindestleistungen erbringen, werden diese an der FH Kiel beim späteren Studium als Creditpoints gutgeschrieben. Es gibt zudem einen Austausch für Schülerinnen und Schüler der Wirtschaftsinformatik, die an der Fachhochschule Kiel gemeinsame Projekte durchführen. Daraus erwächst häufig das Interesse an einem Studium an der FH Kiel.
Mit der Christian-Albrechts-Universität (CAU) pflegen wir Kooperationen im Bereich der Nachhaltigkeit sowie bei der Ausbildung der Handelskräfte. Wir sind Ausbildungsschule für junge Lehramtsstudierende, so dass diese bei uns Praktika oder auch das Referendariat absolvieren können.
Außerdem bieten wir eine Weiterbildung für Steuerberateranwärterinnen und -anwärter an. Das sind meistens Studierende, die ihren Master in Betriebswirtschaft abgeschlossen haben und sich bei uns dann in einem Jahr konzentriert die Lerninhalte einer dreijährigen Steuerfachangestelltenausbildung aneignen, um sich anschließend auf den Weg zu machen, Steuerberaterin oder Steuerberater zu werden.
Welche Rolle spielen aktuelle Themen an Ihrer Schule?
Für mich liegt ein Schwerpunkt momentan in dem Bereich des Lernens mit digitalen Medien. Das sage ich auch vor dem Hintergrund, dass wir unsere Schülerinnen und Schüler optimal auf ihre Zukunft vorbereiten möchten – privat und beruflich. Aus Schulleitungssicht sind wir als RBZ Wirtschaft . Kiel, auch dank unseres Schulträgers, wirklich gut aufgestellt. Unsere Ausstattung ist sehr hochwertig, wir haben drei fest angestellte IT-Administratoren und bilden in diesem Bereich aus – das ist für eine Schule außergewöhnlich.
Das alles sind Bereiche, die mir am Herzen liegen, um unsere gut 3500 Schülerinnen und Schüler für die Zukunft fit zu machen.
Wir danken Ihnen für das Gespräch.
TEXT Hilke Ohrt
FOTO © FotoMedienSchule Kiel im RBZ Wirtschaft . Kiel