TOUR DE FRANCE …  IN DITHMARSCHEN | 2 französische Zimmerer

TOUR DE FRANCE … IN DITHMARSCHEN | 2 französische Zimmerer

Wie sich zwei französische Zimmerer in Dithmarschen auf die Wanderschaft vorbereiten.

Während die „Walz“ für deutsche Gesellinnen und Gesellen drei Jahre und einen Tag dauert, verbringen die französischen Gesellen bis zu fünf Jahre auf der sogenannten „Tour de France“. Zwei, die dieses Projekt demnächst starten wollen, sind Matthieu Baudet (18) und Matthieu Turpault (17). Zur Vorbereitung arbeiten die beiden französischen Zimmerer-Azubis für fünf Wochen bei der Zimmerei Johannsen & Ehlers GmbH in Nordhastedt. Redakteur Chris von HANDS UP hat sie dort besucht und sie nach ihren Erwartungen und Zielen befragt. Das Gespräch fand auf Englisch, Französisch und Deutsch in der firmeneigenen Abbundhalle statt.
Matthieu Baudet und Matthieu Turpault als Zimmerer bei Johannsen & Ehlers

Handwerker lernen nie aus und machen ständig neue Erfahrungen! Matthieu und Matthieu zu Gast bei der Zimmerei Johannsen & Ehlers in Nordhastedt

HANDS UP: Bonjour Matthieu et Matthieu! Wie geht es euch? Comment ça va?
Matthieu Turpault: Merci. Je vais bien. Danke, mir geht‘s gut.
Matthieu Baudet: Merci, moi aussi. Ja, mir auch, danke.
Wo kommt ihr her und was macht ihr hier in Dithmarschen?
Turpault: Ich komme aus Lyon, habe eine Lehre zum Zimmerer absolviert und möchte demnächst auf die‚ Tour de France‘, das französische Modell der Wanderschaft.
Baudet: Ich komme aus Chamberix und besuche mit Matthieu dieselbe Berufsschulklasse. Auch ich möchte die Tour de France machen. Hier in Dithmarschen, bei der Zimmerei Johannsen & Ehlers, absolvieren wir für mehrere Wochen ein internationales Austauschprogramm unserer Gesellenverbindung.
Matthieu Baudet als Gast bei Johannsen und Ehlers

Matthieu Baudet aus Chamberix

Wie gefällt euch das Praktikum? Arbeiten deutsche Zimmereien genauso wie französische? Welche Unterschiede und Gemeinsamkeiten stellt ihr fest?
Turpault: Grundsätzlich haben Zimmerer in Frankreich und Deutschland die gleichen Aufgaben, zum Beispiel den Bau eines Dachstuhls. Hier in Deutschland wird allerdings viel stärker mit industriell vorgefertigten Teilen gearbeitet. Bei uns in Frankreich wird das Handwerk überwiegend traditionell betrieben, also alles per Hand gefertigt. Das gefällt mir persönlich besser.
Baudet: Ja, das gefällt mir auch besser. Was mir allerdings in Deutschland gut gefällt, ist die entspannte Arbeitsatmophäre. Die Stimmung im Team ist sehr angenehm. Bei uns in Frankreich ist der Druck höher, der Ton viel rauer und die Chefs sind strenger! Die Zusammenarbeit mit den deutschen Kollegen klappt total gut. Manchmal ist die Kommunikation schwierig, aber wir Zimmerer arbeiten ja zum Glück mit Konstruktionszeichnungen, aus denen genau hervorgeht, was zu tun ist!
Deutsche Gesellen unterwerfen sich auf der Walz strengen Regeln. Dafür erleben sie ein echtes Abenteuer. Sie suchen sich ihre Arbeit selbst, lernen viele Betriebe und Arbeitsweisen kennen, entwickeln ihre Persönlichkeit und schaffen ein lebenslanges Netzwerk. Was erwartet euch auf der Tour de France?
Baudet: Bei uns ist das gesamte Ausbildungssystem etwas anders als in Deutschland. Wir wählen zwischen einer zwei- oder dreijährigen Ausbildung. Um sich weiterzubilden und praktische Erfahrungen zu sammeln, wandern viele französische Gesellen, als ‚Compagnons du Devoir‘ mehrere Jahre von Stadt zu Stadt und von Betrieb zu Betrieb. Die französische Gesellenvereinigung hat dafür rund 100 Sammelunterkünfte überall in Frankreich. Unsere Wanderschaft ist also organisierter, hat weniger traditionelle Regeln und ermöglicht uns währenddessen weitere Berufsabschlüsse abzulegen, zum Beispiel die Meisterprüfung, auf französisch ‚Brevet‘ sowie den Fachhochschulabschluss, ‚Brevet de Technicien Supérieur‘.
Matthieu Turpault bei Johannsen und Ehlers

Matthieu Turpault aus Lyon

In Deutschland mangelt es an Azubis und Fachkräften, obwohl die wirtschaftliche Lage sehr gut ist. Wie seht ihr eure Zukunft im französischen Handwerk?
Turpault: Die Situation in den Betrieben und auf den Baustellen ist momentan nicht so rosig. Wir hoffen, dass sich das auch in Frankreich ändern wird. Auf jeden Fall plane ich eine Karriere als Zimmerer und möchte irgendwann meinen eigenen kleinen Betrieb gründen.
Baudet: Ja, das ist auch mein Plan. Ich mag es, etwas mit den Händen zu schaffen, draußen und in der Höhe zu sein und Holz zu bearbeiten. Meine Zukunft plane ich als Vorarbeiter und Teamleiter in einem Betrieb oder als selbständiger Zimmerer.
Letzte Frage: Was vermisst ihr an Frankreich und was gefällt euch an Dithmarschen?
Baudet: Natürlich vermisse ich Familie und Freunde. Was mir hier gut gefällt, sind die freundlichen Menschen und die Natur.

Turpault: Ja, auch ich vermisse meine Familie, aber auch die französischen Berge. Im Gegensatz zu Lyon ist die Region Dithmarschen ziemlich flach! Trotzdem genieße ich die Zeit hier und die Gastfreundschaft. Ich fühle mich als Europäer und finde es schön, zu reisen und im Ausland Erfahrungen zu sammeln.

Dieser Betrieb ist Mitglied der Innung des Baugewerbes Dithmarschen (Kreishandwerkerschaft Dithmarschen).

TEXT Christian Dorbandt
FOTOS Michael Ruff