Welcher Beruf passt zu mir?

Welcher Beruf passt zu mir?

Interview mit der Berufsberaterin Carmen Albertsen

Wer den Mittleren Schulabschluss endlich in der Tasche hat, dem liegt die Welt zu Füßen. So fühlt es sich zumindest für einen kurzen Moment an – bis die Realität vor der Tür steht und unbequeme Fragen stellt: Wie soll es nach der Schule weitergehen: Ausbildung? Studium? Fach-Abi? Bundesfreiwilligendienst? Was also tun mit dem neuen Ticket in die berufliche Zukunft? Berufsberaterin Carmen Albertsen von der Agentur für Arbeit weiß, welche Wege nach der Schule zum Traumjob führen.

Frau Albertsen, wie beraten Sie die Schüler und Eltern der Ferdinand-Tönnies Schule in Ihrer Sprechstunde und im Berufsorientierungsunterricht?

In der achten Klasse kommen alle Schülerinnen und Schüler einmal in meine Sprechstunden und lernen mich kennen. In der neunten und zehnten Klasse gestalte ich zusammen mit den Lehrern immer mal wieder eine Stunde im BO-Unterricht. Zu Beginn lernen die Schüler ihre eigenen Stärken und Schwächen kennen. Dafür arbeiten wir viel mit dem Erkundungstool der Agentur für Arbeit ‚Check-U‘. Zusätzlich trainieren wir Vorstellungsgespräche, Einstellungstests und sprechen über mögliche Wege nach dem Schulabschluss. Für individuelle Gespräche lade ich die Jugendlichen in meine Sprechstunde ein.

Ich nehme auch außergewöhnliche Berufswünsche sehr ernst.

Welche Themen beschäftigen die Jugendlichen bei der Berufswahl?

Ich beobachte oft, dass die Schüler die Auseinandersetzung mit der Berufswahl gerne weit wegschieben und ‚nur‘ bis zum Schulabschluss planen. Ich versuche immer, Leichtigkeit in das Thema zu bringen. Es geht ja in erster Linie darum, sich intensiv mit der eigenen Persönlichkeit auseinanderzusetzen, um herauszufinden, was zu mir passt.

Worauf legen die Jugendlichen bei der Suche nach einer Ausbildungsstelle heutzutage besonders viel Wert?

Ihnen ist oft sehr wichtig, ihre Persönlichkeit im Beruf zu verwirklichen. Viele Jugendliche wünschen sich eine Arbeit, die ihre Werte widerspiegelt. Besonders das Thema Nachhaltigkeit liegt vielen sehr am Herzen. Eine ausgewogene Work-Life-Balance und flexible Arbeitszeiten sind aber auch immer wieder Thema und manchmal sogar wichtiger als die Ausbildungsvergütung.

Welche Möglichkeiten haben Schüler heute nach dem Mittleren Schulabschluss?

Nach dem Mittleren Schulabschluss gibt es im Grunde vier Möglichkeiten: an eine weiterführende Schule zu gehen, die schulische Berufsausbildung zu absolvieren, die betriebliche Ausbildung zu machen oder Überbrückungsmöglichkeiten wie etwa das Freiwillige Soziale Jahr zu nutzen. Oft ergibt sich aus diesen Möglichkeiten schnell ein Plan A, und wir besprechen, wie sie ihr Ziel erreichen können. Aber ich versuche auch immer, die Schüler zu motivieren, einen Plan B zu entwickeln.

Wie gehen Sie mit außergewöhnlichen Berufswünschen um?

Die nehme ich in der Regel sehr ernst und schaue mir zusammen mit den Jugendlichen einen möglichen Weg dorthin an. Da dieser nach der 10. Klasse oft jedoch nicht direkt zum Ziel führt, überlegen wir uns auch Umwege: Ich versuche herauszufinden, welche Möglichkeiten es für den Moment gibt, und wir erarbeiten kleine Zwischenziele, um sich dem Berufswunsch anzunähern.

Sind Eltern in der Findungsphase ihrer Sprösslinge eher hilfreich oder hinderlich?

Ich habe wirklich das Gefühl, dass die Eltern alle das Beste für ihre Kinder wollen und glaube, dass ihre Rolle in Berufsberatung oft unterschätzt wird. Ich arbeite daher sehr gerne mit den Eltern zusammen, denn keiner kennt die Kinder so gut wie sie – ihre Stärken und besonderen Fähigkeiten.

Mein Eindruck ist, dass die Arbeitgeber weiter ausbilden und die Schüler sich unbedingt bewerben sollten.

Hat sich Ihre Arbeit während der Pandemie verändert?

Ich darf seit den Sommerferien wieder an die Schulen gehen. Vorher habe ich hauptsächlich telefonisch gearbeitet, musste allerdings feststellen, dass die Schüler heute eher Kurznachrichten schreiben als telefonieren (lacht). Vor allem, wenn es um ein erstes Gespräch geht, ist der persönliche Kontakt sehr wichtig. Mein Eindruck ist, dass die Arbeitgeber weiter ausbilden und die Schüler sich unbedingt bewerben sollten.

Gibt es durch Corona Besonderheiten für den Bewerbungsprozess?

Eine echte Herausforderung war, nach den Sommerferien für alle Schüler der neunten Klassen einen Praktikumsplatz zu finden. Früher habe ich immer den Tipp gegeben, die Bewerbungsunterlagen persönlich vorbeizubringen, das ist momentan natürlich keine gute Idee. Die Einstellungstests bei Bewerbertagen in einigen Betrieben werden in kleineren Gruppen durchgeführt, oft werden Bewerbungsgespräche auch durch ein Telefoninterview ersetzt. Dabei gilt es, jede Menge zu beachten: Wie ziehe ich mich an? Was ist im Hintergrund zu sehen? Wer könnte unerwartet in den Raum kommen? Und ganz wichtig: gut vorbereitet sein.

Vielen Dank für all die wertvollen Tipps!

Des Weiteren haben wir Interviews mit dem Schulleiter Christoph Siewert, dem Berufsorientierungslehrer Florian Borck und den Schülern der Ferdinand-Tönnies-Schule geführt. Die Stimmen der Schüler findet ihr hier.

TEXT Sophie Blady
FOTO privat