Schule im Corona-Winter. Wie funktioniert das?

Schule im Corona-Winter. Wie funktioniert das?

In einem gutdurchlüfteten Klassenraum der Ferdinand-Tönnies-Schule in Husum verrät Schulleiter Christoph Siewert, wie er seine Schule durch die Krise lenkt, vor welchen Herausforderungen ihn die kalte Jahreszeit stellt und welche Chance er in der Digitalisierung sieht.

Herr Siewert, am 7. November findet an der Ferdinand-Tönnies-Schule die alljährliche Berufsorientierungsmesse statt. Unter welchen Bedingungen?

Wir haben ein schulinternes Hygienekonzept, das auch bei der Messe zum Tragen kommen wird. Um die 17 Betriebe werden sich einzeln in gut durchlüfteten Klassenräumen präsentieren und mit den Schülern in Kontakt treten. Anders als in den letzten Jahren werden die Jugendlichen in ihren Jahrgängen nacheinander die Messe besuchen.

Die Zahlen steigen, die Kanzlerin mahnt zur Vorsicht. Gibt es einen Plan B, falls die Messe Corona-bedingt ausfallen muss.

Nein, den haben wir nicht. Wir bauen darauf, dass alles rund läuft. Falls tatsächlich alle Stricke reißen, greifen wir auf bereits existierenden Möglichkeiten zurück: unsere Berufsberaterin Carmen Albertsen von der Agentur für Arbeit, mit der wir sehr eng zusammenarbeiten, Informationsabende der beruflichen Schule und des Gymnasiums sowie die digitale Berufsorientierungsmesse der IHK, an der wir bereits sehr erfolgreich mit acht Auszeichnungen teilgenommen haben. Die Schüler konnten sich zu den unterschiedlichen Betrieben einwählen und ihre Fragen stellen. Das hat sehr gut funktioniert, wie auch die positive Rückmeldung der Eltern bestätigt. Negativ aufgefallen ist jedoch, dass die lange Bildschirmzeit von vier Stunden sehr anstrengend für die Schüler war.

Könnten Sie sich vorstellen, dass eine digitale Messe die Präsenzmesse in Zukunft ersetzt?

Das denke ich eigentlich nicht, ein Videochat ersetzt keine Face-to-Face-Gespräche. Die Kombination aus digitaler und realer Messe könnte jedoch die Lösung der Zukunft sein.

„Schüler können sich mit einer Plattform wie DIGI.BO wunderbar auf persönliche Gespräche vorbereiten.“

Mit DIGI.BO bieten wir ein digitales Online-Portal, das Lehrkräften, Schülerinnen und Schülern eine umfassende und vielseitige Berufsorientierung ermöglicht.  Sehen Sie eine Chance in digitalen Berufsorientierungsplattformen wie dieser?

Ich denke, Plattformen wie DIGI.BO sind in erster Linie hilfreich, wenn Schüler sich noch nicht ganz sicher sind und viele offene Fragen haben. Sie könnten sich mit einer solchen Plattform wunderbar auf ein persönliches Gespräch vorbereiten. Bisher hat die Agentur für Arbeit einmal im Jahr ein umfangreiches Buch mit all den verschiedenen Berufen herausgegeben sowie Informationen zu den Voraussetzungen, Verdienstmöglichkeiten und Ausbildungszeiten. Ich könnte mir gut vorstellen, dass digitale Plattformen dieses Buch mittelfristig ersetzen.

Digitalisierung an den Schulen ist zentrales Thema in den letzten Monaten. Wie gut ist die Ferdinand-Tönnies-Schule aufgestellt?

Seit dem Lockdown arbeiten wir viel mit IServ. Viele unserer Klassenräume sind zudem mit Smartboards ausgestattet, sodass wir jederzeit digitale Klassenzimmer einrichten können: Die Lehrer könnten also über Iserv eine digitale Unterrichtsstunde mit ihren Klassen abhalten – das ist schon sehr weit fortgeschritten. Damit ein solcher Unterricht auch in der Praxis funktioniert, bilden wir die Lehrer mit zwei Administratoren, die extern geschult wurden, regelmäßig fort: Alle zwei Monate absolvieren sie weitere Fortbildungen, um ihr Wissen anschließend in kleinen Sitzungen an das Kollegium weiterzugeben.

Gibt es Schüler, die zu einer Risikogruppe gehören und digital beschult werden müssen?

Wir haben zwar drei bis vier Schüler, die zu einer Risikogruppe gehören könnten. Bisher haben die Eltern jedoch noch keinen Antrag auf Homeschooling gestellt. Daher sind wir noch nicht in der Verlegenheit. Wir könnten diese Schüler jedoch jederzeit digital in den Klassenraum integrieren und so sehr flexibel auf derartige Situationen reagieren – vor allem, weil das Kollegium so engagiert ist und sich immer weiter digital schult.

Sehen Sie auch eine Chance in der Krise?

Ich sehe die Situation sehr zweischneidig: Einerseits ist die Digitalisierung sehr schnell vorangebracht worden, andererseits ist auch noch sehr viel zu tun. Und dass die Schulen digitalisiert sind, heißt noch nicht, dass auch alle Familien gut ausgestattet sind. Hier setzt der Digitalpakt 2 an: Schulen sollen mit Endgeräten ausgestattet werden, um diese an Schüler auszuhändigen, die keinen Laptop zu Hause haben. Das lässt sich jedoch nur in einem begrenzten Umfang bewerkstelligen. Mit den Endgeräten, die uns zur Verfügung stehen, können wir gerade auffangen, wo die größte Not am Mann ist. Wir könnten also nicht alle Schüler gut ausstatten.

Trotz offener Schulen ist nichts mehr, wie es einmal war. Wie hat sich der Schulalltag an der Ferdinand-Tönnies-Schule verändert?

Wir versuchen, so viel Normalität wie möglich in den Schulalltag zu bringen. Die Masken werden zunehmend ein Teil dieser ‚neuen‘ Normalität. Von der 5. bis zur 10. Klasse erreichen wir an unserer Schule sehr viel über Vernunft und Einsicht: Im Großen und Ganzen halten sich die Schüler sehr gewissenhaft an die Regeln. Ich bemerke jedoch, dass es vielen schwerfällt, sich in den Pausen nur in ihren zugeteilten Bereichen auf dem Außengelände aufzuhalten, auch wenn unser Schulhof sehr weitläufig ist und die entsprechenden Abschnitte sehr großzügig aufgeteilt sind.

Regen, Kälte und Nässe, der Herbst steht vor der Tür? Wie werden die Schüler ihre Pausen in der kalten Jahreszeit verbringen?

Wenn es regnet, werden in ihren Klassenräumen bleiben und dort von einem Lehrer beaufsichtigt. Dieser geleitet die gesamte Klasse kurz vor Ende der Pause zur nächsten Lehrkraft, um sicherzustellen, dass keine Durchmischung stattfindet. Problematisch wird es jedoch, wenn sie das Schulgelände verlassen. Auf dem Weg zum Bus und nach Hause sehe ich einen ganz großen Risikofaktor: Ob sie da alle Maske tragen, können wir nicht mehr kontrollieren. Der Schulträger hat jedoch bereits reagiert und neun zusätzliche Busse zur Verfügung gestellt, die nach den Herbstferien die Situation entzerren.

Fühlen Sie sich auf einen möglichen zweiten Lockdown gut vorbereitet?

Ich denke schon, da das Kollegium den ersten Schock durch den Lockdown im März überwunden hat und wir insgesamt viel besser vorbereitet sind. Wir haben mit IServ die Möglichkeit, den Kontakt zu den Schülern aufrechtzuhalten und den Unterricht weiterlaufen zu lassen. In der Hoffnung, dass es keinen zweiten Lockdown geben wird, werden wir ganz pragmatisch auf alle Herausforderungen reagieren.

Welche Pläne haben Sie für die Zukunft?

Wir können keine großen Pläne schmieden, da wir wöchentlich vom Ministerium Mitteilungen mit aktuellen Informationen erhalten und uns danach richten müssen.

Ich bedanke mich für die spannenden Einblicke in Ihren Schulalltag.

TEXT Sophie Blady
FOTO Anna Leste-Matzen

Mehr über den Berufsorientierungsunterricht an der Ferdinand-Tönnies-Schule.

Hier geht’s zum Schulportrait. 

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