Not macht ja bekanntermaßen erfinderisch. Durch die Pandemie zeigte sich, wie wichtig Kreativität, Engagement und Digitalisierung sind. Auch Lehrkräfte mussten sich in den letzten Monaten etwas einfallen lassen, um vorhandene Lücken – gerade für die Abschlussklassen – zu schließen, damit nicht auch noch das wichtige Thema ‚Berufsorientierung’ der Corona-Problematik zum Opfer fällt. Ausgesprochen innovativ zeigen sich bei diesem Thema nicht nur einige Schulen, sondern auch Unternehmen, die ohne langes Zögern auf neue Formate umschwenken und den Auszubildenden von morgen digitale Einblicke in ihre Betriebe ermöglichen.
Die Friedrich-Junge-Gemeinschaftsschule in Kiel hat schon früh die Zeichen der Zeit erkannt und auf die zusätzliche Möglichkeit der digitalen Betriebsführung gesetzt. Denn wenn die Klassen nicht in den Betrieb kommen können, muss der Betrieb eben in die Schule kommen – völlig kontaktlos, aber trotzdem mit dem bestmöglichen Infopotential.
Nachdem die zertifizierte Berufswahl-SIEGEL-Schule bereits erfolgreich eine digitale Betriebsführung in Kooperation mit dem Hotel Birke durchgeführt hat, folgte nun der virtuelle Besuch beim Metallexperten Otto Schlötel GmbH (MEOS) in Melsdorf im Kreis Kiel. Die MEOS GmbH ist einer der größten Zulieferer für Megayachten im Bereich der Metallkonstruktionen und versteht sich auf die Fertigung aller Teile, die an Bord einer Yacht aus Edelstahl und Aluminium verbaut werden. Eine interessante Berufsmöglichkeit – gerade für die Aspiranten aus Schleswig-Holstein. ME2BE hat als Medienpartner der Schule das Event begleitet.
Countdown: Vorbereitung auf das Digital-Event
„Morgens halb zehn in Deutschland”– Über 100 Schüler und Schülerinnen der 9. und 10. Klasse der Friedrich-Junge-Gemeinschaftsschule warten gespannt auf den Start des Live-Streams über ihren Schulserver ISERV. Angekündigt sind unmittelbare Einblicke und persönliche Eindrücke durch das Traditionsunternehmen MEOS. Ein Name, der hier allen bekannt ist und Erwartungen weckt! Geplant ist ein virtueller Rundgang durch den Betrieb. Dabei werden auch verschiedene Mitarbeiter, Azubis und der Geschäftsführer Frage und Antwort stehen: interaktiv, transparent und erlebbar – die Verbindung steht!
… und action…!
Los geht’s mit der virtuellen Führung im Konferenzraum. Neben Martin Schulze, dem Fertigungsleiter von MEOS, ist auch der Geschäftsführer des Unternehmens Dr. Reinhard Mehl anwesend. Martin Schulze erklärt zunächst, was das Unternehmen produziert und zeigt mit verständlichem Stolz die ausgestellten Schweißarbeiten der aktuellen Azubis. Danach folgen ihm die Schülerinnen und Schüler per Bildschirm in den modernen Pausenraum. Im Anschluss geht es in die Büros des Unternehmens. Dort setzen die technischen und kaufmännischen Mitarbeiter, in unmittelbarer Nähe zur Produktion, ihre verwaltenden Tätigkeiten, wie Auftragsbearbeitungen, Angebots- und Materialbestellung um.
Anschließend nimmt Martin Schulze seine virtuellen Besucher mit in die Produktion – dem Herzstück des Unternehmens – es befindet sich direkt hinter der Glaswand zu den Büros . „Wir wollten damit bewusst auf eine Trennung zwischen Büro und Produktion verzichten. Schließlich arbeiten wir gemeinsam für eine Sache“, so Geschäftsführer Mehl.
Behind the scenes…!
Die Fertigungshalle mit beeindruckenden Ausmaßen besticht durch hochmoderne Technik, einen umfangreichen Maschinenpark und individuell abgetrennte Schweißkabinen für eine optimale Arbeitsatmosphäre, da hier höchste Konzentration gefordert ist. Nach einem Blick in die Warenannahme geht es weiter in die Fertigungshalle. Und da staunen die Schülerinnen und Schüler nicht schlecht: Hier steht eine Maschine, die so groß ist wie ein Kleinbus. Martin Schulze zeigt ihnen diese hochinnovative Laserschneidmaschine zum exakten Schneiden von Metallen – den TruLaser 3030. Und wie dieser Koloss in Windeseile auch das härteste Metall zurechtschneidet, will Martin Schulze den gespannten Zuschauern demonstrieren.
Denn zur Überraschung und Freude aller Schülerinnen und Schüler hat sich das Unternehmen eine Besonderheit innerhalb ihrer Betriebsführung einfallen lassen. Am PC erklärt Schulze, wie ein Metallschild mit dem Logo und Schriftzug der Friedrich-Junge-Gemeinschaftsschule entworfen wird. Den Entwurf bringt er anschließend zur Laserschneidmaschine Es werden mehrere Einzelteile gefertigt, die dann noch auf einem Ständer angeschweißt werden müssen.
Diese Aufgabe übernimmt Azubi Didier, der eine Ausbildung zum Metallbauer in der Fachrichtung Konstruktionstechnik absolviert.
Nachdem alle Teile auf dem Ständer montiert sind, wird dieser versandfertig gemacht. „Das wird jetzt noch sicher verpackt“, verspricht Schulze, „Und das Schild kommt dann zu euch in die Schule!”
Zeit für Fragen nach der digitalen Betriebsführung
Im Anschluss an die Führung bleibt Zeit für Fragen, die die Jugendlichen rege nutzen. Kommunikationstool sind hierbei ihre Tablets, über deren Mikrofone sie ihre Fragen stellen. Besonders die Möglichkeiten der Ausbildung stehen für die Schülerinnen und Schüler dabei im Mittelpunkt.
Martin Schulze erläutert, dass die Ausbildung zum Metallbauer 3,5 Jahre dauert und gute Kenntnisse in Mathe, aber auch Physik sowie handwerkliches Können wichtig sind. Wer sich für diesen beruflichen Weg interessiert, müsse vorher ein Praktikum in der Firma machen. Mehr zur Ausbildung bei MEOS gibt’s hier!
Am Ende der virtuellen Begegnung hat aber auch der Fertigungsleiter noch eine Frage zu diesem selbst für ihn neuen Format: „Wie viele Personen schauen mir denn eigentlich zu?”. „Etwa 110 bis 120”, lautet die Antwort des BO-Lehrers Hauke Stärke. Da ist auch Martin Schulz erstaunt. So viele Personen hätte er bei einer Präsenzführung nie erreichen können, und gleichzeitig ist er sehr erleichtert: „Gut, dass ich gerade nur den Kameramann vor mir hatte, sonst wäre ich bestimmt total nervös gewesen”, lacht er. Das Unternehmen möchte bei nächster Gelegenheit wieder eine digitale Betriebsführung durchführen.
Die Vorteile des Internets richtig nutzen
Auch für BO-Lehrer Hauke Stärke ist der virtuelle Firmenbesuch eine gute Alternative zum Präsenzbesuch: „Wenn wir eine Firma besuchen, nimmt das meist viel Zeit in Anspruch. Da normalerweise mehrere Klassen zu Besuch kommen, muss die Firma entsprechend planen und sich Termine freihalten. Außerdem ist die Fahrt mit Bussen immer eine Kostenfrage für uns. Dass wir jetzt alle Klassen einbeziehen können, ohne die Schule verlassen zu müssen, bedeutet für beide Seiten viel weniger Aufwand.”
Und auch bei MEOS zeigt man sich mehr als zufrieden: „Wir konnten so sehr viele potentielle neue ‚Metallexperten’ erreichen und die Komplexität der Produktion an einem Beispiel sehr gut darstellen. Vor Ort hätten wir normalerweise keine 125 Schüler so durch die Produktion schleusen können. Ein weiterer Vorteil ist, dass die Aktion ‚Corona-konform’ durchgeführt werde konnte.”, so Martin Schulze. Und weiter: „Wenn sich die nächste Möglichkeit bietet, werden wir wieder eine digitale Betriebsführung veranstalten.”
Die Betriebsbesichtigungen vor Ort werden laut Hauke Stärke deswegen aber nicht wegfallen. Denn sie geben den Schülerinnen und Schülern die Chance, sich den Betrieb mit eigenen Augen anzusehen, etwas anzufassen und auszuprobieren.
Im Anschluss hat ME2BE bei einem Azubi NACHGEFRAGT
… warum machst du eine Ausbildung zum Metallbauer?
Didier, du machst eine Ausbildung zum Metallbauer in der Fachrichtung Konstruktionstechnik bei der MEOS GmbH. Wolltest du diesen Beruf schon immer erlernen?
„Ich wollte eigentlich schon immer Bauingenieur werden, da mein Vater auch diesen Beruf ausübt. Damit ich aber ohne Probleme ins Studium starten kann, wollte ich mich erstmal in Richtung Handwerk weiterbilden.
Warum machst du deine Ausbildung bei MEOS?
„Während eines Praktikums habe ich das Unternehmen genauer kennengelernt. Das hat mir so gut gefallen, dass ich hier gerne meine Ausbildung anfangen wollte.“
Was begeistert dich an der Arbeit?
„Einfach alles. Das Schweißen und Biegen in der Fertigung und am Ende die damit verbundenen Produkte zu sehen, die dann weiter gebraucht und verbaut werden, ist sehr befriedigend.
Wo siehst du dich beruflich in zehn Jahren?
„In zehn Jahren sehe ich mich mit meinem zweifachen Master als eine Führungsperson in einer großen Firma.“
TEXT Juliane Urban, Mirja Künnemeyer
FOTOS Sophie Blady, Mirja Künnemeyer
TITELFOTO Mirja Künnemeyer