Im Interview mit dem Berufs- und Studienberater Torben Bahnert
Bei der Elterngeneration der heutigen Schülerschaft beschränkte sich die Vorbereitung auf die Arbeitswelt meist auf ein Praktikum und die Sichtung von Jobprofilen. Mittlerweile findet das Thema in den Schulen mehr Beachtung, unter anderem durch eine verstärkte Zusammenarbeit mit Firmen. Am Gymnasium Kronshagen koordiniert Torben Bahnert die Kooperation mit außerschulischen Partnern.
Herr Bahnert, wie arbeitet Ihre Schule mit Firmen zusammen?
Unsere Kooperationspartner im Rahmen von Schule und Wirtschaft wie das Kieler Mercedes-Benz-Autohaus Süverkrüp bieten zum Beispiel Plätze für Betriebs- und Wirtschaftspraktika. Auch im Unterricht greifen wir auf das Know-how der Partner zurück. Wenn es zum Beispiel im Geographieunterricht um das Thema Stadtplanung geht, kann die Kollegin oder der Kollege beim Unternehmen BIG anfragen, ob man in der Firma etwas dazu machen kann. Oder es gibt Angebote für die Schülerinnen und Schüler wie das Bewerbungstraining durch eine Mitarbeiterin der Förde Sparkasse. Viele Kontakte ergeben sich aus dem Engagement des Kollegiums. Über einen Physiklehrer mit einem Faible für Akustik sind zum Beispiel gemeinsame Projekte mit der ELAC Electroacustic, einem Hersteller von Lautsprechern, entstanden. Beim Wettbewerb ,Formel eins für Schulen‘ entwirft unser Schülerteam Konstruktionsteile für Autos, die dann von Firmen modelliert werden.
Sie unterrichten Deutsch und Philosophie. Auf den ersten Blick vermutet man bei dieser Kombination nicht unbedingt Kontakte zur Wirtschaft …
Zu meinem Interesse an den Themen Kooperationen und Ausbildung ist eine Fortbildung für das relativ neue Unterrichtsfach „Berufs- und Studienorientierung“ gekommen. In diesem Fach geht es zunächst darum, dass Schülerinnen und Schüler über sich selbst reflektieren. Sie sollen herausbekommen, was ihre Stärken, Schwächen und Talente sind. Worauf sie Lust haben und worauf nicht. Wenn es um die persönlichen Interessen, Werte und Lebensziele geht, berührt das auch philosophische Fragestellungen. Berufsorientierung wird so in einen größeren Zusammenhang gestellt. Erst in Teil zwei des Unterrichts zur beruflichen Orientierung geht es darum, die erstaunliche Vielfalt der Arbeits– und Studienwelt zu entdecken. Zum Fach Deutsch gibt es ebenfalls einen Bezug. Auch in Zeiten des Fachkräftemangels muss man bei einer Bewerbung adressatenbezogen kommunizieren, sich gut ausdrücken und richtig sprechen und schreiben. Das ist Teil einer grundlegenden kulturellen Bildung, die ich vermitteln will.
Welche weiteren Bezüge zur Arbeitswelt werden an Ihrer Schule hergestellt?
Im Betriebspraktikum in der Mittelstufe schnuppert man das erste Mal die Luft in der Berufswelt. Beim zweiwöchigen Wirtschaftspraktikum in der Oberstufe müssen die Schülerinnen und Schüler dann auch eine Leitfrage bearbeiten. Sie sollen abstrahieren, was sie an konkreten Abläufen und Prozessen kennenlernen. Eine Berufsberaterin der Agentur für Arbeit kommt regelmäßig in unsere Schule, um über Ausbildungswege zu informieren. Für Orientierung bei den Möglichkeiten eines Studiums wird im Unterricht ebenfalls gesorgt. Dabei müssen sich die Schülerinnen und Schüler mittels Recherchen selbst passende Fächer erschließen. Unser Ziel bei der Studien- und Berufsorientierung beschreibe ich gern mit den Worten eines Schulleiters, mit dem ich einmal zusammengearbeitet habe. Er hat den Abiturientinnen und Abiturienten, die natürlich sehr auf ihren Notendurchschnitt blicken, gesagt: ,Es kommt nicht so sehr darauf an, welche Noten Sie im Abitur haben, sondern darauf, was Sie daraus machen.‘ Unsere Schülerinnen und Schüler sollen also eine Vorstellung davon bekommen, was mit ihrem Abschlusszeugnis und ihren Kompetenzen alles möglich ist.
Zur Berufsorientierung bieten Sie auch ein besonderes Format …
Ja, über eine Kooperation mit der IHK und dem Rotary Club ist eine großartige Veranstaltungsreihe für unseren elften Jahrgang entstanden. Jedes Jahr an einem Abend im Januar stellen Menschen die Berufe vor, die sie selbst ausüben. Es kommen zum Beispiel Pressesprecher, Juristen, Zahnärzte und Handwerker. Ein Malermeister stellt seine Firma vor. Beschäftigte bei der Polizei, von Banken, im Handel und aus der Verwaltung berichten von ihren Erfahrungen. Bei diesem persönlichen Format entsteht ein anderes Bild als bei der abstrakten Vorstellung von Berufsbildern.
Können Väter und Mütter auch dem eigenen Nachwuchs bei der beruflichen Orientierung etwas mit auf den Weg geben?
Meinen Kindern habe ich gesagt, nehmt alle Gelegenheiten wahr, um euch zu informieren und selbstbewusst zu orientieren. Macht die Augen auf, was es in der Berufswelt an Chancen und Möglichkeiten für euch gibt. Denn das ist mehr, als ihr denkt – und mehr, als ich weiß.
TEXT Peter Ringel
FOTO Michael Ruff