Als Schulsozialarbeiterin will Jessica Thomsen für die Themen Rassismus und Diskriminierung sensibilisieren.
Jessica Thomsen ist die Schulsozialarbeiterin der Ferdinand-Tönnies-Schule. Sie ist beim Diakonischen Werk als Sozialraumträger angestellt und an der FTS tätig. Im modernen Schulwesen bildet die Schulsozialarbeit quasi eine Schnittstelle zwischen Schule, Eltern, Schülern und Lehrern sowie weiteren Beratungsangeboten. Interveniert wird nicht nur bei Problemen, sondern bereits vorher; daher spielt die Prävention eine große Rolle in der Schulsozialarbeit.
Als Schulsozialarbeiterin besucht Jessica Thomsen zahlreiche Klassen. Dort werden gezielt Projekte umgesetzt, wie beispielsweise das Thema Gemeinschaftsklasse oder andere spezifische Themen. Aktuell liegt der Fokus auf Rassismus und Diskriminierung. Zu diesem Zweck war ein regionales Beratungsteam aus Flensburg an der FTS, um die Lehrkräfte dahingehend zu schulen. Diese fungieren anschließend als Mediatoren in den Klassen und unterrichten ihre Schüler in diesem Sinne. Darüber hinaus ist die Schule mit weiteren Beratungsstellen vernetzt.
„Rassismus und Diskriminierung gibt es überall; leider ist das ebenfalls an dieser Schule ein Thema“, sagt Thomsen. Zum Großteil gehe es um Alltagsrassismus, den man oft nicht bewusst wahrnehme und daher lernen müsse, ihn zu erkennen und nicht zu tolerieren. Zuweilen zeigt sich dieser Rassismus in alltäglichen Fragen wie zum Beispiel: Hast du eigentlich einen deutschen Pass? „Derzeit flammt das Thema in den Medien, sozialen Netzwerken und der Politik auf, und wir erkennen, dass wir uns dessen sowohl in der Gesellschaft als auch in der Schule annehmen müssen“, so die Schulsozialarbeiterin. Es sei wichtig, bei Äußerungen den Kontext mitzudenken, innezuhalten und zu prüfen, ob möglicherweise das Gegenüber durch eine bestimmte Äußerung diskriminiert werde, selbst wenn diese unbedacht und ohne kränkende Absicht geäußert worden sei. In diesem Zusammenhang seien Aufklärung und Haltung von großer Bedeutung.
„Die Haltung der Schule ist sehr wichtig und das Thema steht auf der Tageordnung“, betont Jessica Thomsen.
So haben die Lehrkräfte ganz aktuell Inhalte zum Grundgesetz und ebenso zu Toleranz, Demokratie und Rassismus in ihren jeweiligen Unterrichtsstoff einbezogen. In einigen Klassen werden darüber hinaus die Schlagzeilen von Zeitungen analysiert. Bildung und Aufklärung betrachtet die engagierte Schulsozialarbeiterin als einen wichtigen Schlüssel zur Prävention von Mobbing oder Diskriminierung und zum Lernen von Toleranz und Respekt anderen Menschen gegenüber.
Diese Aussagen können die vier 15-jährigen Schülerinnen aus dem neunten Jahrgang, die sich hierzu äußern, bestätigen. Emma, Kani, Larissa und Mira haben teilweise selbst Diskriminierung erlebt und sich intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt. Jetzt versuchen sie, etwas dagegen zu unternehmen und sich für andere einzusetzen. „Man sollte auf jeden Fall bei sich selbst anfangen und darauf achten, was man sagt. Manchmal muss man seine Worte überdenken und sich gegebenenfalls entschuldigen. Wenn man Diskriminierung bei anderen erlebt, sollte man sie darauf hinweisen, was an ihren Äußerungen falsch ist“, sagt Larissa. Ebenso wie die anderen Schülerinnen weiß sie, dass es in manchen Fällen hilfreich sein kann, sich an die Schulsozialarbeiterin, eine Lehrkraft oder einen Schülermentor zu wenden.
An der FTS gibt es acht Schülermentoren, Emma ist eine von Ihnen. Sie hat sich im achten Jahrgang für den Posten beworben und in ihrer Freizeit eine 30-stündige Ausbildung ehrenamtlich absolviert. Hierfür hat sie ein Zertifikat erhalten, das später einmal zusammen mit ihrem Abschlusszeugnis in die Bewerbungsmappe kommt.
Die Schülermentoren sind hauptsächlich für die jüngeren Schüler in der fünften und sechsten Klasse da. Sie bieten einen niedrigschwelligen Zugang mit einer geringen Hemmschwelle zu älteren Schülern und auch bei Problemen können sich die jüngeren an die älteren Schüler wenden. Das funktioniert nach dem Motto: Größere helfen Kleineren. „Wir bekommen es schon mit, wenn jemand wegen seiner Herkunft oder seines Aussehens diskriminiert wird und versuchen dann zu helfen“, sagt Emma dazu.
„Ich habe an der Schule gelernt, ruhig zu bleiben und es möglichst ohne einen Streit enden zu lassen“, erklärt Larissa. Das sei heute in der neunten Klasse leichter als früher in den ersten Schuljahren an der FTS. „Jüngere Schülerinnen und Schüler, die gerade von der Grundschule kommen, treffen Beleidigungen oder Diskriminierungen mehr als ältere, die bereits ganz anders damit umgehen können“, bestätigt auch Thomsen.
Die Gründe für Diskriminierung oder Rassismus sind vielfältig. Kani ist bereits wegen ihrer Religion beleidigt worden. „Mein Glaube ist mir als Muslimin wichtig. Ich möchte nicht, dass ich wegen meiner Religion diskriminiert werde, das gilt natürlich ebenso für die Toleranz anderen Religionen gegenüber. Ich finde es wichtig, den Glauben anderer zu akzeptieren und niemanden zu beleidigen.“
Emma beobachtet den Trend der Frauendiskriminierung, bei dem die Frau wieder in die klassische Rolle von früher gedrängt wird. „Mir ist es wichtig, dass dieser Trend nicht zustande kommt. Wir sollten auf jeden Fall an der Gleichberechtigung festhalten, auch in Bezug auf Bildung und Berufe“, sagt sie.
„Man sollte niemanden mobben. Derjenige, der gemobbt wird, sollte es nicht zu nahe an sich herkommen lassen und versuchen, es zu ignorieren. Das ist manchmal sehr schwierig, wenn die eigene Grenze überschritten wird. Doch manchmal hilft es, wenn es zu schlimm wird, zu einem Lehrer zu gehen“, betont Mira.
Damit es nicht zu Problemen kommt und die Schülerinnen und Schüler weiter sensibilisiert werden, hat das Thema an der FTS einen hohen Stellenwert. Die Schule verfügt über ein Präventionskonzept, das verschiedene Maßnahmen für den Unterricht vorsieht, wie beispielsweise sexuelle Aufklärung und Suchtprävention, aber auch das Thema Begegnung. Hier sollen Toleranz und Vielfalt gefördert werden, sowohl im Klassenraum als auch durch Besuche von Werkstätten oder ähnlichen Einrichtungen. Diese Maßnahmen sind fest im Schulalltag verankert. „Prävention ist wichtig. Sie bedeutet Aufklärung und diese erreicht man unter anderem dadurch, dass man miteinander ins Gespräch kommt“, sagt Thomsen. Die FTS sei erfolgreich mit ihrem Konzept.
Es zeige sich, dass die Lehrkräfte das Thema sehr ernst nehmen und dass es bei Schülern ebenso ankomme. Vor allem die Selbstreflektion sei ein wichtiger Schlüssel. Einige Schüler seien bereits sensibilisiert, sprechen mit anderen darüber oder reagieren in Alltagssituationen. „Mir ist positiv aufgefallen, dass die Schülerinnen und Schüler sensibler geworden sind und dass das Bewusstsein gestiegen ist, dass jeder Einzelne etwas bewirken kann.“ Dieses Bewusstsein zu stärken, sei eine wichtige Aufgabe.
TEXT Hilke Ohrt
FOTO Reinhard Witt