Energiewende bei Covestro
Fragen der Aufstellung und Weiterentwicklung des Standorts sind das Thema von Simon Brinkmann (37) als Head of Industrial Park Management & Site Transformation bei Covestro in Brunsbüttel. Er kennt die herausfordernden Aufgaben in Zeiten der Energiewende und muss einen klaren Überblick behalten. ME2BE hat mit ihm ein persönliches Gespräch über seinen Werdegang, sein jetziges Aufgabengebiet und die anstehenden Anforderungen geführt.
Herr Brinkmann, erzählen Sie uns doch zunächst etwas über Ihren Werdegang.
Ich bin in Hannover geboren und in Soltau aufgewachsen. Nach meinem Abitur habe ich aufgrund meiner familiären Vorprägung (Anm. der Redaktion: Sowohl der Vater als auch ein Onkel sind Ingenieure in der Chemiebranche) ein Diplomstudium an der TU Hamburg-Harburg als Diplomingenieur für Verfahrenstechnik absolviert. Danach überlegte ich, eine Promotion anzustreben, habe mich aber dann dagegen entschieden, weil ich mich eher als Generalist sehe und mich nicht zu tief in einem Fachbereich verlieren wollte. Stattdessen schloss ich dann ein zweites Studium als Wirtschaftsingenieur ab.
An welcher Universität absolvierten Sie das Studium?
An der Leuphana Universität Lüneburg. Dort habe ich meinen Master im Bereich Management & Engineering erreicht.
Eine Masterthesis gestützt durch Einblicke in das Unternehmen Covestro?
Genau! Ich habe hier in Brunsbüttel eine Praktikumsstelle bekommen und parallel dazu meine Masterarbeit im Bereich Industriepark-Management und Marketing geschrieben.
Laut Ihrer Vita haben Sie aber auch während Ihrer Zeit in Lüneburg dort den FairFive GmbH Kaffee- und Einzelhandelsbetrieb mit gegründet. Wie kam es dazu?
Das hat sich während meiner Studienzeit ergeben und war eine ganz spannende Sache. Wir haben damals den Kaffeehandel und den Vertrieb aufgebaut und Erfahrungen dahingehend gesammelt, wie man eine GmbH gründet, wie man als Gesellschafter arbeitet und vieles mehr. Es war eine Zeit des Ausprobierens und Experimentierens und sie war sehr hilfreich für meine berufliche Entwicklung.
Und wie ging es danach für Sie beruflich weiter?
Anscheinend hinterließ ich einen guten Eindruck bei Covestro, denn ich habe kurz vor Beendigung meiner Masterarbeit nach einer Anstellungsmöglichkeit gefragt, und daraufhin wurde mir meine damalige Position im Industriepark-Marketing mit dem Schwerpunkt Betreuung der Partnerfirmen angeboten. Eine sehr interessante Aufgabe, da Covestro an diesem Standort ja nicht nur eigene Produktionsanlagen unterhält, sondern den Industriepark auch als Vermarktungsfläche betreibt. An dieser Schnittstelle im Industriepark-Marketing habe ich damals angefangen.
Das bedeutet, dass Covestro eine Art Untervermietung der Parkflächen betreibt?
Covestro teilt sich als Eigentümer der Flächen und der Infrastruktur sowie des Kraftwerks und der Abwasserbehandlungsanlagen mit seinen Partnerfirmen die vorhandenen Anlagen. Um diese Zusammenarbeit perfekt zu realisieren, muss alles vertraglich und selbstverständlich auch kommerziell einwandfrei geregelt sein. Natürlich gilt dieses Angebot für Unternehmen, die in einem ähnlichen Segment tätig sind, da die Anforderungen seitens der Genehmigungsverfahren, der Sicherstellung der Qualitätsstandards und der benötigten Utilities, wie zum Beispiel Gas, kompliziert sind und sich der Aufwand gegenüber den Synergieeffekten rechnen muss.
Nun könnten aber angesichts der momentanen Lage für energieintensive Unternehmen wie Covestro und Partnerfirmen schwierige Zeiten anstehen. Wie schätzen Sie die derzeitige Lage ein?
Das ist zweigeteilt. Ich kann nicht als Fachmann für die Zukunft der Vermarktung unserer Chemieprodukte sprechen, aber im Falle der Vermarktung unserer Flächen in Brunsbüttel kann ich sagen, dass die Zeit noch nie so spannend wie heute war. Der Park ist ein wichtiger Drehpunkt für anlandende erneuerbare Energien und Energieimporte. Wir haben viele Anfragen bezüglich einer Ansiedlung neuer Firmen am Standort Brunsbüttel. Natürlich machen wir uns um unsere momentanen Produktionskapazitäten Sorgen – noch sind wir auf fossile Rohstoffe angewiesen.
Covestro hat es sich zum Ziel gesetzt, bis 2035 klimaneutral zu sein. Wie ist der Stand bei der Verfolgung dieses Zieles?
Wir haben Anfang des Jahres 2022 Scope 1 und Scope 2 formuliert, die bis 2030 beziehungsweise 2035 umgesetzt werden. Scope 1 betrifft die direkten Emissionen, die unsere Produktionsanlagen durch die Verfeuerung von Erdgas produzieren; Scope 2 betrifft die indirekten Emissionen, die zum Beispiel bei der fossilen Herstellung von Strom entstehen. Die Lösungsansätze zur Bewältigung dieser Probleme sind keineswegs neu, sondern gehen auf konkrete Projektideen zurück, die wir schon seit längerem mit Erfolg angestoßen haben. Bis 2050 streben wir auch bei den indirekten Emissionen entlang der gesamten Wertschöpfungskette (Scope 3) Klimaneutralität an. Mit der Veröffentlichung beziehungsweise der schriftlichen Festlegung der Ziele haben wir uns öffentlich verpflichtet, auf diesem Weg zu bleiben und Themen wie Energieeinsparungen sowie den Ausbau einer noch effizienteren Kreislaufwirtschaft voranzutreiben.
Das sind ambitionierte Ziele! Haben Sie keine Angst, ausgebremst zu werden?
Das stimmt, aber Covestro sieht sich in der Verpflichtung, die Herausforderungen anzunehmen. Dennoch muss man natürlich auch die Verbindungen und Abhängigkeiten im Gesamtprozess einer gelungenen Energiewende im Blick haben und darf diese nicht unterschätzen. Viele alternative Stromanlagen entsprechen noch nicht den Voraussetzungen einer ausreichenden Erzeugungskapazität, die ein Unternehmen unserer Größenordnung braucht. Ebenso bedarf es bei der Umstellung auf neue Brennstoffe oftmals umfangreicher Umbaumaßnahmen der technischen Anlagen, und nicht zuletzt mangelt es bis dato an notwendigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen seitens der Politik und einem letztendlich ausbalancierten marktwirtschaftlichen Preisgefüge.
Eine große Aufgabe, die auch jede Menge Geld kosten wird.
Die Voraussetzungen haben sich durch den Krieg in der Ukraine nochmal verändert. Aber wir haben als Unternehmen verstanden, dass eine Transformation stattfinden muss, und wir wollen diese aktiv mitgestalten. Das kostet natürlich Geld, aber letztendlich lohnt sich der Einsatz!
Auch für die Zukunft der nachfolgenden Generation. Was würden Sie sich für diese wünschen?
Wir müssen uns als Gesellschaft darüber im Klaren sein, dass es ohne Verzicht nicht möglich sein wird, unseren Kindern eine lebenswerte Welt zur Verfügung zu stellen. Dies ist die große Aufgabe meiner Generation. Das ist nicht leicht zu kommunizieren und umzusetzen, denn auch die Politik suggeriert, dass wir alles über technischen Fortschritt schaffen könnten und wir als Gesellschaft immer weiter wachsen, dass wir erkennen müssen, dass manchmal einfach weniger mehr sein wird.
Dieser Artikel ist in der Campus Winter 2022 erschienen.
TEXT Anja Nacken
FOTO Apo Genç
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