Am 26.08.2022 ging das MINTKultur*en-Festival in die nächste Runde. Nachdem das Festival-Angebot in den letzten Wochen schon in Flensburg und Lübeck zu Besuch war, durften wir von ME2BE nun in der Kieler Forschungswerkstatt dabei sein und mit eigenen Augen sehen, wie fasziniert die Schülerinnen und Schüler vom Mitmachprogramm waren.
Festival und Forschungswerkstatt
MINT – das bedeutet Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik. Um Kinder, Jugendliche und Familien in der gesamten Region für diesen Bereich zu begeistern, richten die Europa Universität Flensburg und die Phänomenta Flensburg das MINTKultur*en-Festival aus. Die dritte von fünf Veranstaltungen fand unter strahlendem Sonnenschein im Botanischen Garten der Universität Kiel statt. Zwischen den verschiedenen Gebäuden der Kieler Forschungswerkstatt waren vielfältige Stationen aufgebaut, die die Besuchenden überrascht und beeindruckt haben. Die Kieler Forschungswerkstatt ist eine gemeinsame Einrichtung des Leibniz-Institutes für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik und der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel.
Wir alle kennen MINT
“Wir wollen das Interesse an Naturwissenschaften bei denen wecken, die vielleicht noch nicht wissen, dass sie es haben”, erklärt Benjamin Rönnau, Projektkoordinator des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Verbundprojektes Science@Seas im Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik (IPN). Die Aufmerksamkeit soll dazu beitragen, dass die öffentliche Wahrnehmung und auch die der Jugendlichen gegenüber MINT weiter gestärkt wird. An dieser Vision hat auch die Kieler Forschungswerkstatt ihren Anteil. Heike Groth, Pressesprecherin der Kieler Forschungswerkstatt, pflichtet ihrem Kollegen vom IPN bei: “Wir wollen den Stereotyp vom Forscher, der ein alter weißer Mann ist, aufbrechen. Jeder kann im MINT-Bereich Berührungspunkte finden.” Auch Besuchende, die keinen Bezug zu den präsentierten Themen haben, finden in der Kieler Forschungswerkstatt interessante Eindrücke. “Es gibt keine hoffnungslosen Fälle hier. Das wollen wir aus den Köpfen rauskriegen”, ergänzt Groth und verweist auf das umfangreiche Angebot der Kieler Forschungswerkstatt. Hier bringen Wissenschaftliche Hilfskräfte (HiWis) Schülerinnen und Schülern wissenschaftliche Fragestellungen beispielsweise auch aus den Meeres- und Nanowissenschaften näher. “Die Schüler und Schülerinnen trauen sich, die Lehramtsstudierende alles zu fragen. Impulse von jemand anderem als der eigenen Lehrkraft sind häufig besonders spannend.”
Mitmachprogramm bei Sonnenschein
Der heutige Festivaltag bietet einiges, um die anwesenden Schülerinnen und Schüler vom Thema MINT zu überzeugen. So wird unter anderem Latein als Wissenschaftssprache behandelt. Wer an einem bunten Glücksrad dreht, bekommt ein Thema zugeteilt und wird anschließend mit Lateinkenntnissen in die Geheimnisse der Naturwissenschaften eingeweiht. “Wir suchen jetzt die Herkulesstaude!”, ruft ein Schüler aufgeregt und rennt Richtung Botanischer Garten davon. Der lateinische Begriff, den er so herausfinden wird, nennt sich ‘Heracleum mantegazzianum’ und betrifft eine Pflanze mit phototoxischer Wirkung.
Das archäo:labor hat ebenfalls interessante Stationen im Angebot. Schülerinnen und Schüler können Keramikscherben untersuchen und erfahren spannende Details über die Ernährungsgewohnheiten der Steinzeitmenschen. Denn auch das Thema Kultur ist eng mit MINT verbunden. Vor einem Jahr waren wir von ME2BE schon einmal zu Besuch hier, als das archäo:labor eröffnet wurde.
Gemeinsam mit den Hiwis der nawi:werft erfahren die Jugendlichen darüber hinaus Dinge über die Themenbereiche Robotik und Sensorik. Mit den sogenannten Ozobots können erste Programmierversuche unternommen werden. Die blinkenden Roboter folgen dabei Filzstiftmarkierungen und fangen so an zu tanzen.
Besonders großes Gedränge gab es im MakerSpace der Europa-Universität Flensburg. Die Wissenschaftliche Mitarbeiterin und Projektmanagerin des MINTKultur*en Festivals Tanja Wedel hat hier alles im Blick. In der einen Ecke werden Mini-Flextiere mit einem 3D-Stift gezeichnet, in der anderen dürfen die Jugendlichen lernen, wie man mit einem ScanNCut-Schneideplotter Motive auf mitgebrachte T-Shirts druckt. Auch ein 3D-Drucker steht bereit, um begutachtet zu werden.
Draußen in der Sonne findet dann noch eine Science Show der Phänomenta Flensburg statt. Ullrich Nußpickel hat eine Reihe an Requisiten aufgebaut und winkt die Schülerinnen und Schüler näher zu sich heran. Er zeigt ihnen, wie man einen Besen auf zwei Fingern balanciert und füllt anschließend eine große Tüte in Sekundenschnelle mit Luft. Als er herausfordernd fragt, wer denn gut hören kann, können sich die Jugendlichen kaum entscheiden, wer zuerst die durch einen Schlauch verbundenen Trichter auf die Ohren setzen darf. “Ich finde es traurig, dass in der Schule viele Experimente nicht mehr gemacht werden können. Gerade im Bereich MINT kann man Jugendliche motivieren, indem man ihnen Dinge zeigt”, berichtet Nußpickel. Während seiner Schulzeit hätten die Lehrerinnen und Lehrer noch Versuche aufgebaut und ablaufen lassen, während viel Zeit für die Lernenden blieb, Zusammenhänge zu verstehen, erinnert sich Nußpickel nostalgisch. Vor der Corona-Pandemie hatten Schülerinnen und Schüler in vier Flensburger Schulen die Möglichkeit, im Rahmen ihrer Offenen Ganztagsschule Experimente der Phänomenta kennenzulernen. Wichtig war es Nußpickel dort, aber auch hier, dass die Jugendlichen ausschließlich Versuche durchführten, die sie mit nach Hause nehmen und anfassen konnten. “Man muss Naturwissenschaft begreifen”, betont er. “Was man anfassen kann, begreift man auch viel leichter.”
Wie sieht die Zukunft aus?
Am Ende des ereignisreichen Tages finden auch einige Vorträge statt, die Hintergründe zu MINT-Themen liefern sollen. Den Auftakt macht die Wissenschaftliche Mitarbeiterin Dr.-Ing. Sandra Hansen. Die Materialwissenschaftlerin am IPN gibt Einblicke in die Zukunft des Akkus. Durch eine sich ausdehnende Wabenstruktur im Akku könnte man in Zukunft mit Silizium nachhaltigere Akkus produzieren. “In 20 Jahren gibt es kein Lithium mehr!”, verkündet Hansen und verdeutlicht damit gleichzeitig , wie wichtig ihre Forschung ist. “Meine Nachwuchsforscher und Lernenden sind total motiviert. Wir konzipieren Akkus, aber gehen neue Wege. Das ist nachhaltig.” Niemand wolle auf sein Smartphone verzichten, aber die Problematik der Ressourcenknappheit bliebe. “Sie sagen: Ich möchte alles können, aber ich will die Umwelt nicht belasten”, zitiert sie die Jugendlichen, mit denen sie im aktuellen Projekt MINT-Akademie Schleswig-Holstein zusammen arbeitet. Alternativen wären zum Beispiel die Nutzung von Silizium oder auch Fasern aus Holzabfällen, aber dafür brauche es Nachwuchsforscherinnen und -forscher und Industriepartner. Besonders schwierig sei es, CO2-Sparen und Kosten unter einen Hut zu bringen.
Anschließend konnte die Technische Akademie Nord das Thema Künstliche Intelligenz (KI) den Interessierten näherbringen. Dipl. Ing. Victor Rochow und Prof. Dr. Dirk Semmann, Projektleiter des Zukunftszentrum Nord, hatten hierfür die Frage: ‘Kann die KI meine Hausaufgaben machen?’ vorbereitet. In Zeiten von sogenannten deep fakes werden KIs immer wichtiger. Während die KI als Algorithmus selbstständig lernt, kann sie allerdings auch falsch lernen. Nach heutigem Stand kann die KI auf Grundlage von Texten von Zweitklässlern schon sehr gute Leistung bringen. Für Schülerinnen und Schüler aus höheren Klassen heißt dies: Nein, die KI kann eure Hausaufgaben leider noch nicht ganz allein erledigen.
Dennoch schleichen sich KIs in unseren Alltag. Egal, ob Google, Siri, Alexa oder das selbstfahrende Kraftfahrzeug, überall nutzen wir sie schon. Prof. Dr. Peter Heering, Geschäftsführender Leiter in der Abteilung für Physik und ihre Didaktik und Geschichte an der Europa-Universität Flensburg äußert jedoch Bedenken: “Wie ist es mit dem geistigen Eigentum bei KIs? Wem gehört das, was die KI macht?” Rochow und Semmann versichern, dass immer noch der Mensch die letzte Instanz und für alles verantwortlich bleibt. So auch beim Anlernen und Benutzen einer KI. Wenn Schülerinnen und Schüler in Zukunft von einer KI ihre Hausaufgaben machen ließen, müssten sie dennoch für ihre Klassenarbeiten lernen. Barbara Todtenhaupt, abgeordnete Lehrkraft am Institut für Klassische Altertumskunde an der CAU, sieht hier vorerst kein Problem. “Ich finde es nicht tragisch, wenn Schüler eine KI benutzen. Die Lehrkraft muss das nur wissen und dann dementsprechend andere Aufgaben geben.” Die Nutzung einer KI für Hausaufgaben bringe dennoch einen Lerneffekt, ähnlich wie das Spickzettel schreiben. “Wir haben heutzutage eine andere Lehr- und Lernkultur, auf die wir reagieren müssen”, ergänzt Todtenhaupt.
Und dann ist das MINTKultur*en Festival in Kiel auch schon vorbei. Ende September geht das Festival in Norderstedt und Meldorf weiter. Und dann? Mal sehen! Wir von ME2BE sind jedenfalls begeistert und freuen uns zukünftig auf noch mehr MINT-Veranstaltungen im Land. Denn eins ist klar: MINT ist wichtig und hat Zukunft.
TEXT Patricia Rohde
FOTOS Patricia Rohde