Keine Studiengebühren, aber dafür Gehalt: Für junge Menschen ist das duale Studium an der NORDAKADEMIE hoch attraktiv. Aber auch Unternehmen profitieren von dem besonderen Modell der privaten Hochschule mit Standorten in Elmshorn und Hamburg. Im Interview erklärt Präsident Stefan Wiedmann, wie die enge Verzahnung von Wirtschaft und Wissenschaft gelingt.
Herr Professor Wiedmann, die NORDAKADEMIE ist noch recht jung: Was gab 1992 den Ausschlag, eine neue Fachhochschule in Schleswig-Holstein zu gründen?
Der Impuls dazu kam aus der regionalen Unternehmerschaft. Das duale Studium gibt es in Deutschland schon seit mehr als 150 Jahren, aber im Norden war es längst nicht so verbreitet wie etwa in Baden-Württemberg. Die NORDAKADEMIE sollte diese Lücke füllen. Es gab in den Unternehmen den Wunsch nach einer passgenauen, akademischen Ausbildung, die es jungen Menschen von Tag eins an ermöglicht, kompetent im Unternehmen mitzuarbeiten. Maßgebliche Treiber waren damals unter anderem der Arbeitgeberverband Nordmetall und das Gründungsduo aus dem ersten Präsidenten Professor Georg Plate und dem Kanzler Jörg Meier. Sie haben die NORDAKADEMIE mehr als 20 Jahre geprägt, indem sie pädagogisches und unternehmerisches Verständnis zusammengebracht haben. Viele unserer heute gut 50 Anteilseigner sind übrigens noch heute mit Herzblut dabei.
Die Gründer wählten damals eine eher seltene Rechtsform: eine gemeinnützige Aktiengesellschaft. Was bedeutet das für die Arbeit der NORDAKADEMIE?
Die Tatsache, dass wir gemeinnützig sind, bedeutet, dass wir nicht am Gewinn orientiert sind. Wir streben eine schwarze Null an. Das macht die Hauptversammlungen deutlich interessanter: Der Fokus liegt nicht auf Ausschüttungen, sondern auf dem Inhalt, auf der Ausrichtung der Hochschule und auf der Positionierung im Markt. Im Mittelpunkt steht die Frage, was uns als besonders macht.
Und? Was macht die NORDAKADEMIE besonders?
Ich sehe unsere Kernkompetenzen vor allem auf zwei Feldern. Das erste ist die Verzahnung der Hochschule mit der Wirtschaft. Alle Fachbereiche und Abteilungen haben direkten Kontakt mit den Unternehmen und so sind wir als Organisation im ständigen Austausch mit den Unternehmensvertretern. Das ist die DNA der NORDAKADEMIE. Zudem setzen uns viermal jährlich mit unserem Betrieblichen Beirat zusammen und zweimal jährlich auch mit allen Ausbildungsunternehmen. Dadurch haben wir einen sehr genauen Einblick, was die Wirtschaft gerade umtreibt und wo der Schuh drückt. So können wir die Studiengänge laufend passgenau auf die sich verändernden Anforderungen bei unseren Ausbildungsunternehmen abstimmen. Das ist nicht immer einfach, weil wir über alle Branchen und Unternehmensgrößen hinweg ausbilden, aber es lohnt sich, weil unsere Inhalte auf diese Weise immer praxisnah sind. Davon profitieren die Studierenden genauso wie die Unternehmen.
Und das zweite Kompetenzfeld?
… ist die Persönlichkeitsentwicklung der Studierenden. Es geht uns nicht allein darum, die richtigen Talente für die Bedürfnisse der Wirtschaft zu finden. Mindestens ebenso wichtig ist, dass sich die jungen Menschen bei uns entfalten können, selbst wenn sich dabei herausstellt, dass ihre Interessen vielleicht auf Gebieten liegen, die mit den Tätigkeitsbereichen ihrer Ausbildungsunternehmen wenig zu tun haben.
Sie haben gesagt, dass Sie die Studieninhalte laufend anpassen. Wie heißt das konkret?
Ein Beispiel: Wir wissen, dass für den Flugverkehr – und damit auch für Airbus als einen unserer Gesellschafter – irgendwann das Thema Wasserstoff große Bedeutung haben wird. Noch wäre es aber zu früh, es verpflichtend im großen Umfang im Curriculum zu verankern. Aber wenn es so weit ist, werden wir die entsprechenden Inhalte kurzfristig aufnehmen.
Kommen die Studierenden über die Ausbildungsunternehmen zur NORDAKADEMIE oder vermitteln Sie sie an die Unternehmen?
Am Anfang steht der Ausbildungswunsch des Unternehmens. Um mal ein Beispiel zu nennen: Die Itzehoer Versicherungen kommen auf uns zu und teilen uns mit, in welchen Bereichen sie Bedarf haben. Das Unternehmen und wir suchen dann Kandidaten, die online in einem Aufnahmetest bei uns nachweisen müssen, dass sie geeignet sind.
In welchen Bereichen werden sie getestet?
In Mathematik und Psychologie, außerdem gibt es einen Intelligenztest. Sind sich anschließend alle einig, kommt es zu einem Dreiecksverhältnis: Die Itzehoer schließt einen Vertrag mit den Studierenden, die Studierenden mit uns und wir mit der Itzehoer. Die Ausbildung selbst ist kein berufsbegleitendes Studium, sondern ein Vollzeitstudium an zwei Lernorten, im Unternehmen und bei uns auf dem Campus. Das hat für alle Seiten Vorteile: Die Unternehmen erhalten über die Studierenden den neusten wissenschaftlichen Input – gerade auf diesen Transferleistungen legen wir großen wert; er nimmt mit 900 Stunden einen großen Teil des Studiums ein. Zugleich erfahren wir über die Studierenden, wie sich das theoretische Wissen in der Praxis einsetzen lässt. Und die jungen Menschen bauen sich schon während ihres Studiums ein Netzwerk in der Wirtschaft aus.
Ein weiterer Vorteil für die Studierenden ist sicher der finanzielle Aspekt.
Richtig. Sie verdienen von Beginn an eigenes Geld, und die Studiengebühren übernimmt das Ausbildungsunternehmen.
Welche Rolle spielen Auslandsaufenthalte und Kooperationen mit ausländischen Hochschulen in der NORDAKADEMIE?
Eine gewaltige! Als ich zum ersten Mal den Anteil unserer Studierenden gesehen habe, die ein Auslandssemester absolvieren, habe ich an einen Zahlendreher oder einen Fehler geglaubt. Andere Universitäten sind schon froh, wenn ein niedriger zweistelliger Prozentsatz diesen Schritt wagt – bei uns sind es mehr als 50 Prozent, in der BWL sogar mehr als 70.
Woran liegt das?
Sicher auch daran, dass die Unternehmen ihre Auszubildenden massiv pushen. Viele haben ohnehin ausländische Standorte oder Muttergesellschaften, sodass es in der Praxisphase weitere Auslandsaufenthalte auf der Unternehmensebene gibt.
Welche Schwerpunkte haben Sie sich für die nächsten Jahre an der NORDAKADEMIE gesetzt.
Wir wollen unsere Studieninhalte kontinuierlich weiterentwickeln, mit einem Fokus auf Internationalisierung und Didaktik. Seit der Corona-Pandemie hat beispielsweise das Online-Lernen einen hohen Stellenwert. Jetzt geht es darum, es didaktisch weiterzuentwickeln und noch besser mit den Präsenzphasen zu verzahnen. Außerdem wollen wir uns verstärkt darum bemühen, internationale High Potentials zu gewinnen. Wir wollen die Talente da draußen in der Welt für die NORDAKADEMIE begeistern und für unsere Partnerunternehmen als Nachwuchs gewinnen!
TEXT Volker Kühn
FOTO Martina van Kann