Benjamin Groß ist seit 2010 an der WWS und unterrichtet neben seinen Kernfächern Sport, Geschichte und Religion auch Musik, Kunst, Technik und Philosophie. Zusätzlich leitet er die Schulband. Seit zwei Jahren ist der engagierte Lehrer Koordinator der Jahrgangsstufen 7 und 8 und verantwortlich für die berufliche Orientierung seiner Schützlinge.
Herr Groß, warum haben Sie sich für den Lehrberuf entschieden?
Direkt nach der Schule war das ehrlich gesagt noch nicht mein Plan. Damals wollte ich bei der Bundeswehr oder der Polizei Karriere machen. Ich habe dann zunächst im Rahmen der damaligen allgemeinen Wehrpflicht meinen Dienst bei der Bundeswehr geleistet. Da aber mein Bruder zu dieser Zeit auf Lehramt studierte und auch mein Großvater Lehrer war, hatte ich immer schon starke Berührungspunkte mit dem Lehrberuf und habe mich nach der Bundeswehrzeit dann doch lieber für diese Richtung entschieden.
Sie sind heute u.a. BO-Lehrer, worauf sollten Schülerinnen und Schüler Ihrer Erfahrung nach bei der Suche nach einer Ausbildung oder einem Praktikum achten?
Grundsätzlich sollten sie das machen, worauf sie Lust haben.
Wie motivieren Sie die Schülerinnen und Schüler, sich Praktikumsangebote genauer anzuschauen?
Unsere Schule ist in dieser Hinsicht sehr gut aufgestellt und durch unsere zahlreichen Angebote können die Schülerinnen und Schüler über alle Jahrgangsstufen hinweg vieles ausprobieren und dabei auch lernen, was sie für sich ausschließen können.
Welche Möglichkeiten bietet die WWS konkret an?
Das Berufsorientierungsprogramm (BOP) wird in unserem Kreis in Kooperation mit der JobB GmbH (Anm.: Junge Menschen in offener beruflicher Bildung GmbH = JobB) durchgeführt. Die Schülerinnen und Schüler des 7. Jahrgangs durchlaufen eine sogenannte Potenzialanalyse, in der ihre Fähigkeiten mithilfe speziell geschulter Mitarbeitender herausgearbeitet werden. In der 8. Klasse schließen sich dann die Werkstatttage an, bei denen sie erste praktische Erfahrungen in verschiedenen Berufsfeldern sammeln können. In den Jahrgangsstufen 9 und 10 bieten wir das Format Azubi/Schüler an. Hierbei können die Schülerinnen und Schüler die Azubis unserer Partnerbetriebe bis zu fünf Tage in ihrem Ausbildungsalltag begleiten.
Erklären Sie uns das besondere Format doch bitte genauer!
Das Projekt Azubi/Schüler besteht bereits seit 1998 an unserer Schule. Unsere Kooperationspartner bei der Durchführung des Projekts sind die Stadt Eutin, die Landespolizei, Kendrion/Kuhnke (in Malente), Süverkrüp-Ahrendt in Eutin und die AMEOS-Kliniken. Die Teilnahme an diesem Projekt ist freiwillig, wird aber sehr gut von den Schülerinnen und Schülern angenommen. Sie können bis zu drei Unternehmen auswählen, wir teilen dann die Aspiranten den entsprechenden Azubis zu. Am Ende der gemeinsam verbrachten Zeit erstellen die Azubis mit den Schülerinnen und Schülern zusammen eine Präsentation der Ausbildungsprofile der Unternehmen, sodass alle zukünftigen Absolventinnen und Absolventen einen Einblick über die beruflichen Möglichkeiten erhalten können.
Nochmal zurück zum Thema Motivation: Nehmen Sie über die Jahre eine Veränderung der Motivationslage Ihrer Schülerinnen und Schüler wahr?
Durchaus, die Schülerinnen und Schüler versuchen mittlerweile vermehrt, die Entscheidung für eine Berufswahl herauszuzögern. Der Übergang von der zehnten Klasse in die berufliche Schule, um dort die Fachhochschulreife zu erlangen, ist heute eher die Regel als die Ausnahme. Das ist meines Erachtens auch nicht nur der Coronazeit geschuldet, sondern eine Frage der Einstellung und Belastbarkeit der neuen Generation.
Wahrscheinlich auch eine Tendenz, die durch Social-Media & Co. gepusht wird?
Absolut, aber es gibt natürlich auch hier nicht nur negative Beispiele. Ich kann zwar in den letzten drei bis vier Jahren in Gesprächen mit den Klassen feststellen, dass Schülerinnen und Schüler vermehrt als Berufswunsch Youtuber oder Influencer anführen, aber das sollte man nicht überproblematisieren. Wichtig ist doch, dass wir als Lehrbeauftragte erkennen, in welche Richtung sich die Trends verändern und uns Gedanken machen, wie wir die Schülerschaft im Bereich der Berufsorientierung durch moderne Formate dort abholen, wo wir sie erreichen können. Zukünftig werden wir zum Beispiel Unternehmensvorstellungen per Kurzvideos zeigen, um das Interesse zu verstärken – es ist immer etwas anderes, wenn sich die Jugendlichen die Betriebe vorab anschauen können, als wenn ich ihnen als Lehrer nur davon erzähle.
Wie bewerten Sie den Schulbetrieb und das Klima an der Wilhelm-Wisser-Gemeinschaftsschule generell?
Ich halte unsere Schule trotz ihrer Größe für einen besonderen Ort. Schule ist längst nicht mehr nur ein Ort des Lernens, sondern muss auch ein geschützter Raum und natürlich auch ein Ort der Anerkennung sein. Wir bemühen uns täglich darum, die bestmögliche Unterstützung in allen Bereichen zu leisten. Selbst ehemalige Schülerinnen und Schüler schwärmen heute noch von der familiären Atmosphäre an der WWS und das empfinde ich genauso. Ich komme jeden Morgen sehr gerne hier hin!
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TEXT Anja Nacken
FOTO Sophie Blady