Thomas Jensen: Hartes Metall – Weicher Kern

Thomas Jensen: Hartes Metall – Weicher Kern

Thomas Jensen (52), Miterfinder des Wacken Open Air, über frühe Versuche in einer Punk-Band und eine überraschende Erfolgsstory

Das W:O:A: geht 2019 zum 30. Mal über die Mega-Bühne in Wacken. Wie wurdest Du selbst von harter Rockmusik infiziert?

Als ich zehn war, habe ich Teeniebands wie die Bay City Rollers gehört, bin dann aber recht schnell beim härteren Sound von AC/ DC gelandet. Als ich zur Grund- und Hauptschule in Wacken ging, bekam meine Schultasche früh den Schriftzug von Judas Priest. Die Scorpions fand ich gut, dann kamen die Jungs von Saxon. Ich muss ungefähr 14 gewesen sein, als Motörhead das große Ding war. Dann bin ich eine Zeitlang vom Metal-Pfad der Tugend abgewichen und habe viel Punk aus England gehört. Wir haben uns damals wie die Ramones angezogen: Lederjacke, zerrissene Jeans, hochgestylte Haare, Hundehalsband, Nietengürtel.

Wie kam es, dass Du selbst zum E-Bass gegriffen hast?

Das Punk-Motto war ja: drei Akkorde – läuft. Du wolltest irgendwann selbst aktiv werden. Das war ja gerade das Ding, du konntest schnell zusammen spielen, ohne groß üben zu müssen. Mit 500 Mark Konfirmationsgeld bin ich mit den Jungs der ersten Band in einen Musikladen gefahren. Dafür bekam ich einen Rickenbacker-Bass als Kopie in Sunburst-Lackierung – so einen, den auch Lemmy von Motörhead spielte. Nur der Schlagzeuger hatte Pech: Er bekam für seine 500 Mark gerade mal das Snare Drum und ein Hihat-Becken (lacht). Damals hatten wir schon die ersten Auftritte. Später bin ich bei der Rock- und Coverband Skyline eingestiegen, die brauchten einen Bassisten.

Thomas Jensen vor dem Kult Wacken Schild

Thomas Jensen ist gelernter Groß- und Außenhandelskaufmann. Schon früh half er in Wacken bei Konzerten in der Gaststätte „Zur Post“ aus.

Wo hast Du damals gearbeitet?

Ich habe Groß- und Außenhandelskaufmann gelernt. Als Helfer bei Konzerten und beim Kellnern in der Gaststätte ‚Zur Post‘ in Wacken hatte ich immer mal wieder mit Veranstaltungen zu tun. Dabei eignete ich mir viel technisches Wissen an. Wir organisierten dann mit Freunden erste Partys in Sälen von Gaststätten hier im Umkreis – das gab es vorher nicht. Dabei haben wir alles gemacht – nicht nur Musik, sondern auch Catering, Getränkeverkauf und Werbung, wie später beim Wacken Open Air, nur im Kleinen. Nach einem Fußballspiel haben Holger Hübner und ich beim Bier rumgesponnen: Wie wäre es, in der Kiesgrube hier bei uns ein Open Air auf die Beine zu stellen. Dort trafen sich bereits Motorradfahrer. 1989 war das, und ein Jahr später ging’s los.

Wacken Open Air Bullhead

Das Wahrzeichen des Wacken Open Air: Der Bulhead

Beim ersten Open Air kamen gerade mal 800 Zuschauer. Heute sind es 85.000. Kannst Du diese Erfolgsstory eigentlich selbst fassen?

Diesen Erfolg haben wir uns nie träumen lassen. Das wollten wir am Anfang auch gar nicht. Wir wollten eigentlich nur Spaß haben und möglichst von den Festivaleinnahmen leben können, mehr nicht. Nach einigen Jahren haben wir dann erkannt: Wacken ist DAS Heavy-Metal-Festival im Norden – es war ja auch das einzige. Wir hatten den Anspruch: Den Fans sollte es unbedingt gefallen. Natürlich sollten Bands spielen, die wir selbst mochten. Holger hat allerdings andere Musik-Vorlieben als ich; das führt bis heute immer wieder zu Diskussionen (lacht).

Das Wacken Open Air Festival hat 85.000 Zuschauer.

Beim ersten Mal kamen gerade mal 850 Zuschauer …

85.000 Zuschauer auf dem Wacken Open Air

… heute kommen 85.000 Zuschauer zum Wacken Open Air.

Kannst du eigentlich noch entspannen bei dem großen Erwartungsdruck der Fans?

Mindestens eineinhalb Jahre brauchen wir zur Vorbereitung für ein Open Air. Wir haben immer neue Ideen, aber nicht alles lässt sich allerdings verwirklichen. Das Festival steht schon im Vordergrund. Aber seit sieben Jahren bin ich Familienvater, und wenn ich nach Hause komme, zu meiner Frau und den Kindern (5 und 7 Jahre alt), dann ist das schon ein Stück Entspannung. Für die Kids hat das Festival natürlich nicht den Stellenwert, ihnen sind andere Sachen wichtig. Ich gehe mit meiner Frau gerne laufen, treibe ein bisschen Sport. Zuhause höre ich übrigens auch mal ganz etwas anderes: zum Beispiel Country-Musik, Johnny Cash.

Was sagst Du den Fans, die für 2019 schon wieder mal keine Karte ergattern konnten?

Das war nicht immer so, dass die Karten so schnell weggehen. Wir mussten ja auch schlechte Jahre verkraften. Aber in diesem Jahr gab es ein so schönes Sommerwetter, da griffen die Fans viel schneller zu: In fünf Tagen waren alle Karten ausverkauft. Besser geht es nicht! Das gibt uns Planungssicherheit für das 30. W:O:A: 2019. Falls Fans wieder leer ausgehen sollten, wäre das natürlich schade.

Metallbegeisterte feiern das Wacken Open Air Festival

Das Wacken Open Air Festival ist DAS Heavy-Metal Festival im Norden.

Könnt Ihr das W:O:A: nicht einfach erweitern, damit alle das Wacken-Erlebnis genießen können?

Das könnte man diskutieren. Ein Festival mit 100.000 Zuschauern zu planen, hätte aber sehr weitreichende Konsequenzen. Wir haben außerdem erlebt, wie andere Festivals, die immer größer wurden, daran gescheitert sind. Schließlich wollen wir ja dieses typische Wacken-Feeling erhalten. Und so wie es ist, lieben die Fans es nun mal.

TEXT Joachim Welding
FOTOS  Sebastian Weimar, ICS Festival Service GmbH