Die Walther-Lehmkuhl-Schule in Neumünster ist ein Regionales Berufsbildungszentrum (RBZ) mit dem Schwerpunkt Technik
Schule. Das ist ja immer so eine Sache. Wo gehe ich hin? Ist das das Richtige für mich? Hat die Schule einen guten Ruf? Was will ich eigentlich machen? Für diejenigen, die wissen, dass sie in der Technik aufgehen, ist die Walther-Lehmkuhl-Schule (WLS) in Neumünster das Richtige. Das Regionale Berufsbildungszentrum in der Roonstraße 90 – 98 mit dem Schwerpunkt Technik schreckt allerdings auch manchmal den einen oder anderen Schüler zunächst ab. „Zu kompliziert“ oder „zu viel Mathematik“ denken manche Schüler. Der stellvertretende Geschäftsführer Erik Sachse brennt allerdings für die Technik und will Schüler für das Zentrum begeistern.
Tatsächlich sind die Angebote so vielfältig, dass man schnell den Überblick verlieren kann. Allerdings lassen sich die unterschiedlichen Bildungswege zunächst auf zwei Teilbereiche herunterbrechen: Vollzeit und Teilzeit. Im Vollzeitbereich kann jeder, der die 9. oder 10. Klasse an einer Schule abgeschlossen hat, an der Walther-Lehmkuhl-Schule weitere Schulabschlüsse anstreben. Und zwar wirklich jeden. Der Vorteil: Der Bereich Technik hat an der Schule einen Schwerpunkt, und so kann neben theoretischem Wissen natürlich auch viel Praktisches vermittelt werden. Und das zusätzlich zur Fach- bzw. Hochschulreife oder einem Real- oder Hauptschulabschluss.
Dann gibt es noch den Teilzeitbereich. Da gehen all diejenigen hin, die eine Ausbildung in einem Betrieb machen und dort ihre Berufsschulzeit erleben, entweder im Blockunterricht oder ein- bis zweimal in der Woche. Das ist von Betrieb zu Betrieb verschieden. Wichtig hierbei ist, dass die WLS ebenso gut ausgestattet ist wie ein Fachbetrieb. „Was nützt es einem Lehrling, wenn er hier an Maschinen arbeitet, die veraltet sind und in der echten Berufswelt nicht mehr gängig sind?“, fragt sich Erik Sachse. Und nicht nur in diesem Bereich ist die Schule Vorbild. Das Berufsbildungszentrum beherbergt sieben sogenannte Landesberufsschulen. Nur hier findet man in ganz Schleswig-Holstein Auszubildende in Bereichen wie Zahntechnik, Bädertechnik, Druck- und Medientechnik, Umwelttechnik und vieles mehr. Wie in allen Bereichen, können die Auszubildenden hier theoretisches und praktisches Wissen erlangen. „Landesberufsschulen sind immer etwas Besonderes. Maler und Lackierer, Tischler und Elektriker hat hingegen fast jede Schule. Generell schlägt unser Herz eben für die Technik“, sagt Sachse.
Vollzeitbereich oder auch Schulausbildung
Das wird auch im Vollzeitbereich deutlich, denn das profilgebende Fach, egal welchen Weg man geht, ist Technik. 600 Schüler nehmen derzeit das Angebot wahr, einen höheren Schulabschluss an der Walther-Lehmkuhl-Schule zu erwerben. Je nach Voraussetzung der Schüler stricken die Verantwortlichen der WLS einen individuellen Plan. „Hier kann jeder zu jeder Zeit reinrutschen. Wenn Sie so wollen, sind wir das Auffangnetz für Schülerinnen und Schüler, die im allgemeinbildenden Schulsystem – aus welchen Gründen auch immer – an ihre Grenzen gekommen sind. Aber, und das ist sehr wichtig, eben auch für technikaffine Schüler, die genau wissen, was sie später machen möchten“, erklärt Sachse.
Dass sich die Zeit auf der WLS lohnt, beweisen die aktuellen Diskussionen um den Fachkräftemangel. Damit schon früh der Kontakt zur Wirtschaft hergestellt wird, unterhält die Schule Kooperationen mit Fachhochschulen, Firmen wie zum Beispiel Bosch oder Fischer, Handwerks- und Technikbetrieben sowie Partnerschulen im In- und Ausland. „Unsere Schüler sollen in die Arbeitswelt integriert werden, und das geht am besten mit guten Kontakten“, weiß Sachse. Die praktischen, angewandten Anteile begleiten nahezu alle Bildungsgänge. Das wiederum beeindruckt den späteren Arbeitgeber, denn schließlich hat ihr Lehrling bereits Erfahrungen gesammelt. „Für viele Jungen und Mädchen ist der reine Schulunterricht nicht ansprechend genug. Die Kombination aus Unterricht und der Arbeit in ‚echten‘ Werkstätten oder realen Gegebenheiten und mit Menschen aus der Branche, überzeugt viele“, sagt Sachse.
Teilzeitbereich oder auch Berufsausbildung
Im Teilzeitbereich gibt es derzeit 2.400 Schüler, die aus ganz Schleswig-Holstein für den theoretischen Unterricht in Blöcken oder tageweise in der Woche an die WLS kommen. Das Besondere: Die eigenständige Schule kann mit neuester Technik aufwarten. Auf diese Weise sollen die Fähigkeiten perfekt auf die echten Arbeitsbedingungen angepasst werden. Für ganz Engagierte gibt es sogar die Möglichkeit, neben der Berufsausbildung und dem theoretischen Unterricht noch die Fachhochschulreife zu erwerben.
Dass Technik auch in der Friseurlehre, der Mediengestaltung und der Buchbinderei steckt, ist vielen nicht so klar. Insgesamt 50 Berufe werden an der WLS unterrichtet. Und zwar ausschließlich von Praktikern. „Unsere Lehrerinnen und Lehrer kommen aus diversen Technikbereichen und haben vor ihrem Studium in der Regel eine Berufsausbildung in diesen Bereichen absolviert. In den Fachwerkstätten unterstützen Fachlehrer, die eine Meisterausbildung sowie ein zweites Staatsexamen absolviert haben, die Bildungsgänge. Die Meister haben vor dem Hintergrund ihres Werdeganges sehr viel Erfahrung. Mit praktischen Beispielen lernt es sich leichter, denn oft sind die Themen recht komplex, wie im Maschinenbau. Da sind lebensnahe Beispiele sehr hilfreich“, weiß der stellvertretende Geschäftsführer.
Bildungsprojekte an der WLS
GAPP
German-American Partnership Projekt fördert Schulpartnerschaften zwischen Deutschland und den USA. Die Walther-Lehmkuhl-Schule gehört zu dem Kreis der mehr als 750 Schulen in ganz Deutschland, die eine solche Partnerschaft pflegen. Interkulturelle Begegnungen sollen gefördert und das Interesse der Schüler für die Sprache der Partner geweckt werden. Zwischen der High-School in Scappoose, Oregon, USA, und der Walther-Lehmkuhl-Schule besteht seit 1995 eine enge Partnerschaft.
OTTER
OTTER – eine niedliche Kurzform für einen wirklich komplizierten Namen: Das Leonar- do-da-Vinci Mobilitäts Projekt Experience Occupational-Tecno-Trends in Europe. Was dahinter steckt, ist aber ganz einfach! Mechatroniker, Industriemechaniker und Elektroniker für Betriebstechnik haben nach dem ersten Lehrjahr die Möglichkeit, neue Ausbildungs- und Arbeitsstrukturen in einem ausländischen Unternehmen kennenzulernen und fachliche Qualifikationen in einem neuen Umfeld zu erwerben. Dass sich das positiv auf den Lebenslauf auswirkt, muss hier nicht erwähnt werden. Projektpartner sind in Frankreich und Polen. Zukünftig soll auch Dänemark hinzukommen, die Kontakte sind bereits hergestellt.
WLS – PGMS
Walther-Lehmkuhl-Schule aus Neumünster meets PAK German Model School Peshawar in Pakistan. Seit rund einem Jahr unterhält die WLS eine Partnerschaft mit der pakistanischen Schule. Ursprung dieser Kooperation war eine Hilfsaktion in Bezug auf Einrichtungsstücke der Friseursalonausstattung der Walther-Lehmkuhl-Schule, die an eine Schule in Peshawar gesandt wurden. Hier wurde eine Schule aufgebaut, die neben der allgemeinen Ausbildung nach und nach die berufliche, technisch-gewerblich orientierte Ausbildung ausbaut. Zu den Möglichkeiten der Kooperation zählen u.a. die curriculare Unterstützung der Partnerschule, die Versendung von Schulmöbeln und Lehr-/Lernmaterial, eine Präsenzwand in der Walther-Lehmkuhl-Schule sowie in der Schule in Pakistan sowie Schülerprojekte in den jeweiligen Schulen im Kontext zum Partnerland.
Tischkicker
Dass die Arbeiten der Azubis nicht „für die Tonne“ sind, zeigt das Projekt Tischkicker. Gemeinsam mit einem Fachlehrer der Tischlerklasse wurde ein Tischkicker im Baukastensystem entwickelt. Produktion und Vertrieb sind ein Gemeinschaftsprojekt der Klassen für Holztechnik und Medientechnologen sowie für Gestaltungstechnische Assistenten. Der Clou: Jeder kann selbst entscheiden, wie er den Kicker gestaltet, denn bis auf die Bodenplatte ist alles naturbelassen.
TEXT & FOTOS Kim Julia Schöffler