Ein Interview mit den Berufsberaterinnen Iris Groffik und Corinna Gonnsen
Zu Beginn unseres Gesprächs möchte ich Sie bitten, sich zunächst einmal vorzustellen.
Groffik: Als Berufsberaterin habe ich die Schülerinnen und Schüler an der Gemeinschaftsschule Bredstedt im vergangenen Jahr bei ihrem Übergang von der Schule in den Beruf begleitet.
Ich bin in Hannover aufgewachsen und habe dort nach dem Abitur und einer kaufmännischen Ausbildung Germanistik studiert. Bereits während der Schulzeit übte ich verschiedene Nebentätigkeiten im Verkauf und in der Gastronomie aus, dabei gefiel mir der Kontakt mit verschiedenen Menschen besonders gut und ich entdeckte den Spaß an der Beratung. Nach dem Studium habe ich in den Städten Hamburg und Berlin gelebt und viele Jahre in der freien Wirtschaft in der Beratung gearbeitet.
Kurz nachdem ich 2014 als Quereinsteigern bei der Arbeitsagentur begonnen hatte, war mir klar, dass ich Berufsberaterin werden möchte. Zu meiner großen Freude erfüllt sich dieser Wunsch für mich in Husum. Ich lebe in meinem Lieblingsferienland und kann mir morgens überlegen, ob ich in meiner Freizeit einen schönen Tag an der Ostküste oder der Westküste verbringen möchte.
Im kommenden Schuljahr wird meine Kollegin Corinna Gonnsen, gemeinsam mit meiner Kollegin Kerstin Probst, meine Arbeit fortsetzen, ich kann sagen, dass sie sich auf eine Schule mit sehr interessierten Schülern, Lehrern und Coaches freuen kann.
Wie ist Ihre Rolle als Berufsberaterin konkret?
Gonnsen: Wir werden im Rahmen der Schulsprechstunde einmal pro Woche in der Schule sein. Für die jeweils circa 25-minütigen Termine können sich Schülerinnen und Schüler der Klassen 8 bis 10 allein oder zu zweit in Listen, die im Sekretariat ausliegen, eintragen.
Darüber hinaus führen wir Unterrichtsveranstaltungen zu verschiedenen Themen rund um Berufswahl und Ausbildungssuche durch, beteiligen uns an Messen und Elternabenden oder bieten auch längere Gespräche, bei denen dann auch Eltern dabei sein können, in unseren Büros in Husum oder Niebüll an.
Welches sind Ihre Hauptaufgaben und wie unterstützen Sie die Schüler bei der Berufsorientierung?
Gonnsen: Wir bieten eine kompetente und neutrale Orientierung über berufliche Möglichkeiten nach der Schule und über den regionalen Ausbildungsmarkt an. Wir besprechen individuelle Fragen der Berufswahl, informieren über Inhalte und Anforderungen von Ausbildungen, erarbeiten bei Bedarf Alternativen, beraten zu Fördermöglichkeiten im Übergang und unterstützen bei Entscheidungsfindungen Und wir helfen beim Erstellen von Bewerbungen oder bei der Suche nach einer Ausbildungsstelle.
Wie ist die Zusammenarbeit mit der Schule und den Lehrern?
Groffik: Die Gemeinschaftsschule legt besonderen Wert auf die Berufsorientierung. Es macht großen Spaß, mit den Lehrern, den Schulcoaches und der Schulsozialarbeit zusammenzuarbeiten; ebenso möchte ich den ausgezeichneten Kontakt zur Schulsekretärin erwähnen. Allen beteiligten Akteuren ist bewusst, wie wichtig es ist, mit den Jugendlichen einen Plan für die Zeit nach dem Schulbesuch zu erarbeiten, denn sie gehen nicht bloß in die Schule, um Wissen zu sammeln, sondern auch um herauszufinden, wie sie einmal leben, arbeiten und etwas bewegen wollen.
Es kommt vor, dass in der Schulsprechstunde Lehrer, Eltern und Coaches gemeinsam mit der Berufsberatung und dem Jugendlichen an einem Tisch sitzen, um den nächsten Schritt für die Berufsfindung zu erarbeiten.
Welche Schritte sollten Schüler unternehmen, um den passenden Beruf zu finden?
Groffik: Das Angebot ist vielfältig und es hat sich ein spielerischer Einstieg bewährt. Es ist wichtig, den Jugendlichen die eigenen Interessen und Fähigkeiten bewusst zu machen. Dadurch erkennen sie, was in ihnen steckt und was sie bereits für ihren Wunschberuf mitbringen.
Die Reise in die berufliche Zukunft beginnt bereits mit dem Stärkenparcours Ende der 7. Klasse vor den Sommerferien mit einem Spiel der Möglichkeiten. In der 8. und 9. Klasse können sich die Jugendlichen im Praktikum in Betrieben ausprobieren, um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie es sich anfühlt, in verschiedene Berufe hineinzuschnuppern. Sie finden darüber heraus, welches Arbeitsumfeld zu ihnen passt und ob sie z.B. draußen im Team arbeiten wollen oder lieber im Büro am PC sitzen.
Flankierend stehen zahlreiche Onlinemedienangebote und die persönlichen Termine in der Berufsberatung zur Verfügung, um Informationen zu verschiedenen Berufsfeldern, Standorten der Berufsschule, Bewerbungsfristen und dem Arbeitsmarkt in Nordfriesland zu sammeln.
Wie sieht der Prozess der Berufswahl aus? Gibt es spezielle Tests oder Gespräche?
Gonnsen: Vereinfacht formuliert in drei Schritten: informieren, entscheiden, bewerben.
Als Informations- und Entscheidungshilfe gibt es hierfür z.B. Check-U; das ist ein kostenloser Onlinetest der Arbeitsagentur, der Schülerinnen und Schülern zeigt, welche Ausbildung oder welches Studium zu ihren Stärken und Interessen passen könnte und welche Alternativen es gibt.
Wir Berufsberater stehen an jedem Punkt dieses Prozesses zur Seite. Wann und wie oft man dabei zu uns in die Beratung kommt, ist den Schülerinnen und Schülern überlassen. Berufsberatung ist immer freiwillig.
Wie können Schüler praktische Erfahrungen in Berufen sammeln?
Groffik: Allen voran die Schulpraktika, aber auch der Girls’Day bzw. Boys’Day, oder freiwillige Praktika in den Ferien sind möglich. Nach der Schulzeit könnte man sich z.B. im Rahmen eines Freiwilligen Sozialen Jahres oder einer Berufsvorbereitung über die Arbeitsagentur ausprobieren.
Aus Sicht der Unternehmen oder Institutionen: Was erwarten diese von den Schulabgängern und welche Rolle spielt der Standort Bredstedt?
Gonnsen: Gute Noten in ausbildungsrelevanten Fächern sowie eine solide Allgemeinbildung sind eine gute Eintrittskarte, aber nicht die ganze Wahrheit. Vor allem Motivation für den Beruf und überfachliche Kompetenzen wie Lernbereitschaft, Teamfähigkeit, Zuverlässigkeit und Verantwortungsbewusstsein sind ebenso wichtig.
Bredstedt besitzt zwar eher dörflichen Charakter, bedient als Schulstandort aber ein riesiges Einzugsgebiet. Die Jugendlichen sind es gewohnt, längere Anfahrtswege in Kauf nehmen zu müssen und zeigen sich bei der Wahl der Ausbildungsbetriebe flexibel. Bezogen auf Berufswahl würde ich den Schwerpunkt im Einzelhandel, im Handwerk sowie im medizinischen und Pflegebereich sehen.
Was haben Sie für die Messe JobNight geplant?
Gonnsen: Ich freue mich sehr auf die Messe und werde gemeinsam mit meiner Kollegin an unserem Stand vertreten sein. An diesem Tag unterbreiten wir den Jugendlichen das Angebot des Bewerbungsmappen-Checks, beraten Schüler und Eltern und stellen unsere eigenen Ausbildungsmöglichkeiten vor.
Welche Tipps würden Sie Schülern geben, die sich beim beruflichen Weg unsicher sind?
Groffik: Das deutsche Schul- und Bildungssystem hat sich in den letzten Jahren stark weiterentwickelt. Es gibt eine Vielzahl von Möglichkeiten, die dem Jugendlichen angeboten werden zur Planung des Berufswegs. Somit haben die Schüler gute Chancen, den passenden Beruf zu finden.
Es ist wichtig, offen zu sein, viel auszuprobieren, manchmal Umwege zu gehen, um ans Ziel zu gelangen und sich vor allem nicht von Misserfolgen entmutigen zu lassen. Ich empfehle, sich einen Plan B zu überlegen, wenn es mit dem Erstwunsch nicht klappt.
Ganz wichtig ist: Die Berufswahl soll Spaß machen, um motiviert zu sein.
Mit dem Übergang von der Schule in den Beruf beginnt ein neuer Lebensabschnitt, da ist es normal, unsicher zu sein. Wichtig ist, sich beraten zu lassen und Unterstützungsangebote anzunehmen, Erfahrungen auf dem Weg zur Ausbildung zu besprechen und auszuwerten, um ggf. Anpassungen vorzunehmen oder neue Ziele zu erarbeiten.
TEXT Hilke Ohrt
FOTO Hinrik Schmoock, privat