David Schlipf ist Professor für Windenergietechnik an der Hochschule Flensburg. Seine akademische Laufbahn startete der 38-jährige Schwabe an der Universität Stuttgart mit einem Diplomabschluss in Technischer Kybernetik; es folgte eine Promotion zum Thema Windenergie am Stuttgarter Institut für Flugzeugbau. Nach Forschungsaufenthalten in Colorado, USA und Dänemark gründete er mit der sowento GmbH eine Firma für Regelungstechnik auf dem Gebiet der erneuerbaren Energien. Mit seiner Professur übernimmt David Schlipf Forschungsaufträge am Wind Energy Technology Institute (WETI) sowie Lehrveranstaltungen in den Studiengängen Energiewissenschaften (B.Eng.) und Wind Engineering (M.Sc.).
ME2BE Campus: Moin, Herr Professor Schlipf. Wir stehen auf der Dachterrasse des Instituts für Windenergie, mit Blick auf die Flensburger Förde. Es ist ziemlich windig. Mögen Sie Wind?
David Schlipf: Ja. Ich mag es, wenn mir der Wind um die Ohren pfeift.
Sie sind Schwabe. Ist es in Baden-Württemberg ähnlich windig wie in Schleswig-Holstein?
Nicht mal ansatzweise. Deshalb sind die Windindustrie und Windforschung im Norden ansässig.
Sie gelten als einer der innovativsten Windenergieexperten und haben bereits im In- und Ausland geforscht, gelehrt und gearbeitet. Warum haben Sie sich jetzt für die Professur an der Hochschule Flensburg entschieden?
Dafür waren mehrere Faktoren ausschlaggebend. Der wichtigste: Von der Hochschule Flensburg erhielt ich die Chance, am WETI, dem Wind Energy Technology Institute, sowohl meine Forschung voranzutreiben als auch Studierende für das Thema Windenergietechnik zu begeistern. Als Professor einer Hochschule für Angewandte Wissenschaften kann ich eher einer Nebentätigkeit nachgehen. In der Position des Geschäftsführers hatte ich festgestellt, dass mir die wissenschaftliche Arbeit fehlt. Deshalb hab ich die Geschäftsführung abgegeben und kann nun ab und zu für die Firma arbeiten und so meine Lehre und Forschung aktuell halten. Insofern bin ich jetzt wieder da, wo ich mich wohl fühle.
2016 schrieben Sie die beste europäische Doktorarbeit im Bereich Windenergie und wurden dafür mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem ‚Excellent Young Wind Doctors Award’. Was fasziniert Sie an der Windenergie?
Generell bin ich ein Freund aller regenerativen Energieträger. Die Windenergie finde ich besonders spannend, weil sie sehr interdisziplinär ist. Für mich als Kybernetiker gibt es noch interessante Arbeit zu tun, während beispielsweise die Photovoltaik eher Herausforderungen für Elektroingenieure bereithält.
Die Hochschule Flensburg praktiziert Angewandte Wissenschaften. Sie haben einen universitären Hintergrund. Passt das zusammen?
Ja, das passt. Auf der einen Seite finde ich in Flensburg gute Möglichkeiten vor, um Forschung anzuwenden. Auf der anderen Seite wird meines Erachtens in der Angewandten Wissenschaft manchmal die Theorie etwas vernachlässigt. Ich glaube fest daran, dass nichts so praktisch ist, wie eine gute Theorie.
Wir unterstützen Schülerinnen und Schüler bei ihrer Berufsorientierung. Wie haben Sie den passenden Berufsweg gefunden?
Interessante Frage. Ich glaube, ein prägendes Erlebnis war meine Zivildienstzeit, die ich im Rahmen eines Friedensdienstes beim Bund der Katholischen Deutschen Jugend in Argentinien absolvierte. Fünfzehn Monate lang habe ich im sozialen Bereich gearbeitet und unter anderem Straßenkinder betreut. In dieser Zeit wurde mir zum ersten Mal bewusst, wie wichtig eine gute Ausbildung ist. Anschließend hatte ich das Bedürfnis, zu studieren und die Welt ein bisschen besser zu machen. Da mich die Fächer Mathematik, Physik und Informatik schon zur Schulzeit begeisterten, wählte ich den Studiengang ‚Technische Kybernetik’. Das passte gut.
Sie waren immer wieder im Ausland tätig, haben ein High School Jahr in den USA verbracht, ein Jahr in Brasilien studiert und später in Boulder, Colorado, Ihre Forschungsergebnisse getestet. Raten Sie Studierenden zu Auslandsreisen?
Ja, unbedingt. Wenn sie sich im Ausland umschauen und sich austauschen, können sie viele Themen und Sachverhalte besser einschätzen. Ich rate dazu, bereits während der Schulzeit die Gelegenheit zu Auslandsaufenthalten zu nutzen. Meine Reisen haben mich sehr geprägt und meinen Horizont erweitert. Außerdem kann man im Ausland hervorragend Kontakte knüpfen und somit seine Netzwerke erweitern.
Abschließend ein Blick in die Zukunft? Wie werden wir Wind zukünftig nutzen?
Wir werden in der Zukunft daran arbeiten, Windenergie mit anderen Energiesystemen zu koppeln. Auch das Potenzial schwimmender Windenergieanlagen ist noch nicht ausgereizt. Fliegende Windkonverter sind ein interessantes Zukunftsszenario, denn in großer Höhe herrschen starke Winde. Nicht zuletzt gibt es noch einiges zu tun, um derzeitige Windenergieanlagen zu verbessern, zum Beispiel durch Absenkung des Geräuschpegels.
TEXT Christian Dorbandt
FOTOS Sebastian Weimar