Hauke Stärke im Interview

Hauke Stärke im Interview

Nach der Schule ist vor der Ausbildung. Was die Schüler der Friedrich-Junge-Schule (FJS) in Kiel bei der Suche nach einer spannenden Perspektive umtreibt, verrät der neue BO-Lehrer Hauke Stärke. Wir wollten von ihm wissen, wie er seine Schüler in diesen bewegten Zeiten auf das Berufsleben vorbereitet und welche Möglichkeiten die Digitalisierung im aktuellen Ausnahmezustand der Pandemie bietet.

Herr Stärke, Sie sind Ehemann, Vater von drei Töchtern, Lehrer für Englisch, Geografie, Sport und Technik und seit Januar 2020 Koordinator an der Friedrich-Junge-Schule. Warum haben Sie sich dazu entschlossen, die Koordination mit dem Teilbereich Berufsorientierung an Ihrer Schule zu übernehmen?

Ich arbeite bereits seit vielen Jahren eng mit unserer früheren BO-Lehrerin Margrit Gebel zusammen. Als sie Anfang dieses Jahres in Pension ging und die Landeskoordination SCHULEWIRTSCHAFT übernahm, war es nur noch ein kleiner Schritt, diese wichtige Aufgabe in die Hand zu nehmen. Als BO-Lehrer setze ich mich verstärkt dafür ein, besonders den Schülern, die von Haus aus nicht so viel Unterstützung erfahren, Hilfestellung zu geben.

Wie bereiten Sie Ihre Schüler auf das Berufsleben vor?

Hier an der FJS beginnen wir bereits in der siebten Klasse, die Schülerinnen und Schüler auf ein Leben nach der Schule vorzubereiten. Wir starten mit einer Potenzialanalyse und den sogenannten Werkstatttagen: Unsere Schülerinnen und Schüler lernen vierzehn Tage lang drei unterschiedliche Gewerke kennen und sammeln erste Eindrücke vom Berufsleben. Anschließend bekommen Eltern, Schüler und Lehrer ein Feedback und erfahren, wo die Stärken und die Schwächen der Schüler liegen. Darauf aufbauend absolvieren sie in der 8. Klasse ihr erstes Schnupperpraktikum (1 Woche). In der 9. Klasse folgt dann ein vierzehntägiges Betriebspraktikum. Parallel dazu erarbeiten sie mit einer Berufsberaterin von der Agentur für Arbeit in Einzelgesprächen Möglichkeiten und berufliche Ziele. Uns ist wichtig, dass wir unsere Schüler mit einer konkreten Zukunftsperspektive nach der 9. oder 10. Klasse entlassen.

Wie binden Sie die berufliche Orientierung in den Schulalltag ein?

Wir integrieren den BO-Unterricht in der Klassenlehrerstunde und im WPU (Wahlpflichtunterricht). Zusätzlich richten wir seit vierzehn Jahren die BOM (Berufsorientierungsmesse) mit über 80 Ausstellern hier an der FJS-Schule aus – eine ausgezeichnete Gelegenheit für unsere Schüler, erste Kontakte zu Unternehmen aufzunehmen und sich Praktikumsplätze zu sichern.

Die BOM muss in diesem Jahr leider Corona-bedingt ausfallen. Haben Sie einen Plan B?

Wie so vieles in diesem Jahr wird die BOM leider nicht live stattfinden, aber mit Hilfe unseres Medienpartners – der Agentur ME2BE – werden wir die Messe virtuell auf der Plattform DIGI.BO besuchen: Einen ganzen Tag lang werden wir Bewerbungstipps sammeln und Unternehmen aus der Region und viele spannende Berufsbilder kennenlernen. Ziel ist, den Schülern auf diese Weise Adressen und Ideen mit auf den Weg zu geben, Fragen zu klären und auf Praktikumsplätze hinzuweisen. Auch wenn die Messe in diesem Jahr nicht live stattfinden kann, ist es ganz wichtig, das Thema Berufsorientierung an der Schule aktiv zu gestalten.

Bietet die Plattform DIGI.BO auch im Berufsorientierungsunterricht neue Möglichkeiten für die Schüler der FJS?

Als Klassenlehrer habe ich beispielsweise mithilfe von Aufgabenzetteln eine DIGI.BO-Rally mit meinen Schülern durchgeführt. Eine hervorragende Möglichkeit, sie spielerisch über Ausbildungsplätze und Unternehmen aus der Region zu informieren. Unsere ehemalige BO-Lehrerin Margrit Gebel, die selbst am Aufbau dieser Plattform beteiligt ist, geht zusätzlich durch die Klassen und stellt sie unseren Schülerinnen und Schülern vor.

An welchen Kriterien orientieren sich die Schüler heute bei der Berufswahl?

Das hängt sehr von der einzelnen Person ab: Die Schüler, die wissen, was sie wollen, gehen ihren Weg. Viele orientieren sich am Beruf der Eltern, einige schauen sich in ihrem persönlichen Umfeld um und andere wissen noch gar nicht, was sie wollen.

Was raten Sie diesen Schülern?

Als BO-Lehrer orientiere ich mich immer zuerst an den Stärken und Interessen der Kinder: Wenn sie eine Tätigkeit finden, die sie jeden Tag gerne ausüben, werden sie später auch jede Menge Aufstiegsmöglichkeiten haben.

Viele Eltern übernehmen heute für ihre Sprösslinge wichtige Aufgaben auf dem Weg ins Berufsleben. Hilfreich oder hinderlich?

Ich denke, das hängt auch damit zusammen, dass die Schüler durch den Wegfall von Wehr- und Zivildienst sehr früh ins Berufsleben starten und somit teilweise auf die Hilfe der Eltern angewiesen sind. Wenn die Eltern jedoch zu viel übernehmen, nehmen sie ihren Kindern die Chance, selbst ihren Weg zu finden und wichtige Erfahrungen zu sammeln: vielleicht zu scheitern, aber auch wieder aufzustehen und weiterzumachen.

Die schleswig-holsteinische Bildungsministerin Karin Prien erarbeitet derzeit zusammen mit den Partnern aus der Wirtschaft, den Kammern, der Bundesagentur für Arbeit und den Berufsberatungen ein neues Landeskonzept für berufliche Orientierung. Welche Aspekte sollte dieses Konzept auf jeden Fall berücksichtigen?

Aus eigener Erfahrung halte ich die Möglichkeit, außerhalb der Wohlfühlzone Lebenserfahrungen zu sammeln, für sehr wichtig. Ob in einem freiwilligen sozialen Jahr, beim Wehrdienst, Zivildienst oder in ganz anderer Form. Entscheidend aber ist, für einen längeren Zeitraum, Aufgaben zu übernehmen, die auch mal unbequem sein können. Ich persönlich habe in meinem Zivildienst viel fürs Leben gelernt und erfahren, dass es sich lohnt, bis zum Ende durchzuhalten. Das Gefühl, etwas geschafft zu haben, ist am Ende unglaublich erfüllend!

TEXT Sophie Blady
FOTO Anna-Leste Matzen