In der Deutschen Nachschule in Tingleff lernen und leben deutsche und dänische Schüler/innen unter einem Dach.
Man nehme die entspannte und gesellige Art der Dänen und mixe sie mit den typisch deutschen Tugenden wie Fleiß und Gründlichkeit. Dann füge man eine gute Schulleitung und engagierte Lehrer hinzu und würze das Ganze mit einem bunten Kursangebot. Das ist das Erfolgsrezept einer ganz besonderen Schule: der Deutschen Nachschule im süddänischen Tingleff, an der auch die deutschen Abschlüsse ESA und MSA erteilt werden.
Die dänische Efterskole (auf Deutsch: Nachschule) ist eine freie Schulform für Jugendliche zwischen 14 und 18 Jahren. Jede Efterskole wird als Internat geführt und hat einen bestimmten fachlichen Schwerpunkt. So gibt es Efterskoler für Musik, Sport, Theater oder Kunst. Die Deutsche Nachschule Tingleff ist die einzige deutschsprachige Efterskole in ganz Dänemark, in der deutsche und dänische Schüler/innen ein Jahr lang unter einem Dach zusammen leben und lernen. Etwa einhundert Schülerinnen und Schüler entscheiden sich jedes Jahr, die neunte oder zehnte Klasse in Tingleff zu absolvieren.
Interessant ist diese Schule für Mädchen und Jungen aus Dänemark und Deutschland, die ein besonderes Interesse für die jeweils andere Sprache und Kultur mitbringen. Die Jugendlichen sollen in einem Jahr das Beste aus beiden Kulturen mitbekommen. Im Fokus stehen deswegen Spracherwerb, kultureller Austausch sowie gemeinsame Aktivitäten. Fünf Stunden in der Woche stehen Deutsch und Dänisch auf dem Stundenplan.
Beide Sprachen werden auf muttersprachlichem und fremdsprachlichem Niveau unterrichtet. Auch dänische und deutsche Kultur und Geschichte sind Teil des Unterrichtsangebotes.
In Tingleff leben und lernen deutsche und dänische Schüler/innen ein Jahr lang zusammen unter einem Dach.
Gemeinschaftlich leben und lernen
Doch worin besteht das Besondere der Nachschule? „Schule soll Spaß machen. Dafür schaffen wir die richtigen Bedingungen“, erzählt Jørn Warm, seit 2006 Schulleiter der Efterskole. „Häufig kommen verzweifelte Eltern zu uns, die eine bessere Alternative für ihre Kinder suchen. Früh einsetzender Fremdsprachenunterricht, Tests, Klausuren, Hausaufgaben und das Abitur nach zwölf Jahren – deutschen Schülerinnen und Schülern wird mehr abverlangt als jemals zuvor. Leistungsdruck gehört für viele zum Schulalltag. Stresssymptome wie Migräne, Schlafstörungen oder Magenbeschwerden können die Folgen sein. So etwas kennt man bei uns in Dänemark nicht. Wir sind eine Schule, die sich an den heutigen Bedürfnissen von Schulkindern orientiert. Fern von Konkurrenzdenken und Leistungsdruck. Jeder bekommt die individuelle Förderung, die er braucht. Wir schaffen ein angenehmes Lernklima und geben den Schülern die Möglichkeit, ihren Neigungen entsprechend Themenschwerpunkte zu wählen.“
Auch Thies Rheinthal steht als Lehrer voll hinter der Schulform Efterskole: „Als Lehrer sind wir immer vor Ort und werden mit der Zeit zu wichtigen Bezugspersonen für die Jugendlichen. Konflikte werden bei uns schnell aus der Welt gebracht. Durch das gemeinsame Leben lernen die Schüler, Teil einer Gemeinschaft zu sein, in der jeder einzelne wichtig ist. Sie lernen zusammen, teilen sich ein Zimmer, erledigen häusliche Aufgaben wie Wäschewaschen, Küchendienst oder Putzen und gehen gemeinsam ihren Hobbys nach. Das stärkt das Gemeinschaftsgefühl und gleichzeitig auch ihr Selbstbewusstsein. In dieser Atmosphäre können sie sich auf das Wesentliche konzentrieren und ihre Leistungen verbessern“, erklärt Thies. Seit 1991 lebt und arbeitet er als Lehrer für Geographie, Mathematik, Werken, Sport und Berufsberatung in Tingleff.
Ein Fach für jedes Interesse
Neben den regulären Fächern wie z.B. Mathe, Physik, Biologie, Geografie, Englisch und Geschichte haben die Jugendlichen Unterricht in zahlreichen Wahlfächern, den sogenannten Linien. Zur Auswahl stehen zum Beispiel Chor, Tanz, Design, Bauen, Reiten, Volleyball, Konditionstraining oder Mountainbike. Ein besonderes Ereignis ist das jährlich stattfindende Musical, für das sogar Schülergruppen aus Deutschland anreisen. Dieses Mal steht Neverland auf dem Programm. Erzählt wird die Geschichte vom fliegenden Jungen, der nicht erwachsen werden will, in einer besonderen Inszenierung. In Tingleff wird es nämlich keinen Peter, sondern eine Petra Pan geben. Gemeinsame Reisen und Ausflüge runden das bunte Programm ab.
Wer auf die Efterskole in Tingleff gehen möchte, braucht vor allem eins: Er muss es wirklich wollen. „Für unsere Schule ist es nicht wichtig, welche Noten ein Schüler mitbringt. Schulische Defizite können wir durch individuelle Förderung ausgleichen. Was wirklich zählt, ist die Motivation. Wir möchten, dass sich jeder in die Gruppe einbringt und sich an die Regeln hält. Dann wird die Zeit in Tingleff zu einem unvergesslichen Erlebnis“, meint Jørn Warm. Die Regeln in Tingleff sind einfach: Zigaretten, Alkohol, Drogen, Sex und Mobbing sind untersagt. Ansonsten gilt: Zeige Respekt und du wirst auch mit Respekt behandelt.
Das Konzept Efterskole geht auf. Fast 65 Prozent der dänischen Schüler besuchen diese besondere Schulform. Und auch immer mehr deutsche Jugendliche zieht es nach Tingleff.
Und was sagen die Schülerinnen und Schüler zu ihrer Schule? Das erzählen euch Ellen, Linus, Isabella, Louie, Natasja, Lukas und Syster!
TEXT Katharina Grzeca
FOTOS Sebastian Weimar