Berufsorientierung als Fundament von Zukunftsfähigkeit und Stabilität – Ein Gespräch mit den BO-Koordinatoren Christian Hemkendreis und Kian Loose

Berufsorientierung als Fundament von Zukunftsfähigkeit und Stabilität – Ein Gespräch mit den BO-Koordinatoren Christian Hemkendreis und Kian Loose

Christian Hemkendreis und Kian Loose haben ein gemeinsames Ziel vor Augen: sie möchten den Schülerinnen und Schülern der Hans-Brüggemann-Schule bestmöglich dabei helfen, ihren Wunschberuf zu entdecken. Wir von ME2BE haben mit ihnen über das Berufswahlsiegel, die vielfältigen Bausteine der Berufsorientierung und die Vorzüge der hausinternen Messe mit rund 40 Ausstellern gesprochen.

Herr Hemkendreis, Herr Loose, mit welcher Motivation haben Sie die Berufsorientierung an der HBS übernommen?

Christian Hemkendreis: Nach meinem Abitur stand ich planlos da. Ich wusste nur, dass ich Geschichte und WiPo studieren wollte, aber nicht mit welchem Ziel. Und so zog sich meine Studienzeit, bis ich vom fachwissenschaftlichen zum Lehramtsstudium wechselte. Als ich schließlich ein konkretes Berufsziel hatte, war ich motiviert und konnte mein Studium zeitnah abschließen.

„Ich möchte den Kindern vermitteln, dass sie das richtige Ziel vor Augen zum geeigneten Schulabschluss motivieren kann.“ (Christian Hemkendreis)

Kian Loose: Das erlebe ich auch bei meinen Schülerinnen und Schülern. Dass solche ohne Abschlussprognose durch ein Praktikum plötzlich Feuer fangen und motiviert sind, ihren Abschluss zu schaffen. Auch wenn ich zu Beginn nicht wusste, was mich erwartet – die Erfahrung, die ich bis jetzt als BO-Lehrer gemacht habe, ist sehr lohnenswert.

Lehrer

Geschichts- und WiPo-Lehrer Christian Hemkendreis

Warum wurde die HBS mit dem Berufswahlsiegel ausgezeichnet?

Hemkendreis: Nachdem mich die Schulleitung darauf brachte, habe ich mich um die Bewerbung um die Zertifizierung gekümmert. Dazu gehört eine Dokumentation darüber, was die Schule in Sachen Berufsorientierung leistet. Es geht darum zu zeigen, wir nehmen Berufsorientierung als Querschnittsaufgabe wahr. Unsere Messe ist eine gelungene Kooperation dieser vielen Lehrkräfte.

Loose: An unserer Schule gibt es zudem eine starke Elternmitarbeit, die dem Siegel zu Gute kommt. In einem Elternbrief fragten wir das elterliche Interesse ab, erhielten viel positive Resonanz und luden elterliche Betriebe ein. Diese konnten einen Einblick in ihren Betrieb und bestimmte Berufe geben und die Bereitschaft äußern, Praktikanten aufzunehmen. Daraus ist auch ein Stück weit die Messe entstanden. Durch die Eltern merkten wir, es gibt viele, die Interesse daran haben, sich hier vorzustellen – auch aufgrund des Fachkräftemangels.

Wo sollte die Verantwortung der Eltern in Sachen Berufsorientierung enden und wo die der Kinder beginnen?

Hemkendreis: Die Rolle der Eltern darf man nicht unterschätzen, da sie die ersten Ansprechpartner ihrer Kinder sind. Und wir als Lehrer sind die Wegbereiter, die über verschiedene Optionen aufklären und Orientierungshilfen bereitstellen.

Loose: Auch mit der Elternvertretung stehen wir Lehrer im engen Austausch. Was die Eltern angeht, dreht sich gar nicht alles darum, wer welchen Beruf ausübt und über diesen informieren kann, sondern primär darum, dass sie ihre Kinder in dem Findungsprozess begleiten. Denn viele Kinder empfinden die Anzahl beruflicher Möglichkeiten heutzutage als überfordernd.

Welche Bausteine gehören an der HBS zur Berufsorientierung?

Hemkendreis: Im siebten Jahrgang gibt es den Stärkenparcours. Auch während der Vorhabenwoche in der achten Klasse beschäftigen sich die Schülerinnen und Schüler ausschließlich mit Berufsorientierung. Wir laden Expertinnen und Experten ein, die sich mit Ausbildungsberufen oder Startups auskennen, und fahren zusammen ins BIZ nach Neumünster. Im achten Jahrgang findet das einwöchige Praktikum statt und in der neunten Klasse das zweiwöchige. In der elften Klasse gibt es das BO-Seminar – da waren wir Pilotschule in Schleswig-Holstein – und im zwölften Jahrgang das Wirtschaftspraktikum. Das BO-Seminar findet eine Stunde die Woche statt und wird von den WiPo-Lehrkräften unterrichtet. Ab dem achten Jahrgang wird das Ganze durch Frau Kuhnt von der Agentur für Arbeit begleitet.

Welche Rolle spielt die Messe im Konzept der Berufsorientierung?

Loose: Wir sind eine Schule, die fünf Schulabschlüsse bietet – vom Förderschulabschluss bis zum Abitur – und das führt zu einer Vielzahl von Möglichkeiten. Die Unternehmen geben sich ihrerseits sehr viel Mühe und stellen professionelle Stände auf. So entsteht ein buntes Berufepanorama.

„Die Messe ist ein organisch gewachsener Baustein unserer Berufsorientierung und eine schöne Möglichkeit, um darzustellen, was möglich ist.“ (Kian Loose)

Lehrer

Englisch- und Geschichtslehrer Kian Loose

Wie unterscheidet sich Ihre Messe von anderen Messen?

Loose: Grundsätzlich präsentieren sich auf unserer Messe Unternehmen, mit denen wir bereits in der Vergangenheit zusammengearbeitet haben. Vom Tischlerbetrieb über Industrieunternehmen, die Rohre, medizinische Geräte oder Pharmaprodukte fertigen, bis an die dänische Grenze zur Hochschule Flensburg sind alle dabei. Vom Ein-Mann-Betrieb im Ort bis hin zu Großunternehmen bieten sie jungen Menschen mit jedem Abschlusswunsch die Möglichkeit, mit potenziellen Ausbildungs- und Studienstätten in Kontakt zu kommen.

Hemkendreis: Durch unsere große Palette an Abschlüssen bieten wir im Gegenzug auch den Unternehmen eine interessante Mischung. Denn bei uns können sie all ihre möglichen Werdegänge präsentieren; vom Gehilfen über den Handwerker bis hin zum dualen Studium. Dieses Jahr erwarten die Schülerinnen und Schüler über 40 Aussteller.

Wie sieht die Vor- und Nachbereitung auf die Messe aus?

Loose: Wir BO-Beauftragte aus dem Kreis Rendsburg-Eckernförde treffen uns regelmäßig, um zu netzwerken. Ein Fokus liegt auf dem gemeinsamen Reflektieren der Stärken der Schülerinnen und Schüler und dem Identifizieren des passenden Schulabschlusses. Daraus ergeben sich Fragen zu konkreten Berufen und diese lassen sich häufig aus erster Hand auf der Messe aus beantworten.

Hemkendreis: Beim letzten Mal hat Herr Loose Flyer kreiert, die die teilnehmenden Betriebe und Unternehmen kurz vorstellen, samt angebotenen Ausbildungs- oder Studienmöglichkeiten. So konnten wir uns mit den Schülerinnen und Schülern konkret im WiPo-Unterricht auf die Aussteller vorbereiten und sie konnten sich mindestens fünf Aussteller aussuchen, die sie besuchen und zu denen sie Fragen vorbereiten sollten.

Was kennzeichnet die Berufsorientierung in der Oberstufe?

Hemkendreis: Neben dem BO-Seminar im elften Jahrgang und dem Wirtschaftspraktikum versuchen wir, innerhalb der gewählten Profile Exkursionen umzusetzen. So besucht das Bioprofil die Universität in Kiel und gewinnt einen Eindruck davon, wie Forschung funktioniert. Im Jahrgang zwölf und dreizehn bieten wir die Möglichkeit, sich einen Tag freistellen zu lassen, um Tage der offenen Tür an Hochschulen und Universitäten zu nutzen. Zudem bildet jede einzelne Lehrkraft einen Baustein in Sachen BO, da BO an unserer Schule Querschnittsaufgabe ist.

Loose: Als Englischlehrer kann ich bestätigen, dass wir BO vielfach im Englischunterricht integrieren. Thematisch geht es darum, welche Berufe es gibt, wie sie auf Englisch heißen oder wie man sich auf Englisch bewirbt.

Welche digitalen Angebote nutzen Sie im BO-Bereich?

Loose: Digital nutzen wir Materialien der Joachim-Herz-Stiftung und die Plattform praktikum-rendsburg-eckernförde.de. Auch DIGI:BO vereint sinnvoll Informationen über Berufsbilder im Allgemeinen, aber auch die Verknüpfung zu hiesigen Unternehmen, die diese Ausbildungen anbieten.

Stichwort digitale Transformation – wie bereiten Sie die jungen Menschen auf den Wandel des Arbeitsmarktes vor?

Hemkendreis: Im Weltkunde- und im WiPo-Unterricht werden die Berufe, die stark vom digitalen Wandel geprägt sind, solche, die voraussichtlich weiterhin stark nachgefragt sind sowie solche, die eventuell durch KI gefährdet sind, regelmäßig reflektiert. Die Jugend sieht in KI die Hoffnung, dass stereotype Tätigkeiten ersetzt werden und der Mensch sich auf kreative fokussieren kann. Aktuelle Krisen wie Krieg, Energie und Inflation bereiten ihnen deutlich mehr Sorgen als die Frage nach dem späteren Beruf. Da sind sie zuversichtlicher und sagen sich: Und wenn ich am Ende Influencer werde … Die Berufsorientierung hat es sich zum Ziel gemacht, die Zukunftsfähigkeit zu flankieren und Stabilität zu schaffen.

Loose: Als Pilotschule für Informatik werden viele unserer Lehrkräfte in Sachen Informatik weitergebildet, sodass der Informatik als Unterrichtsfach an unserer Schule eine besondere Wertschätzung zukommt. Die Schülerinnen und Schüler begegnen diesem Wandel viel unbefangener und intuitiver als wir. Für uns stellen Tablets und KI eine Herausforderung dar, für die Jugend sind es gängige Hilfsmittel.

TEXT Sophie Blady, Kristina Krijom
FOTO Caren Detje