Milchtechnologie … alles andere ist Käse!
Auf die Frage „Wie kommen die Löcher in den Käse?“ gibt es zwei Antworten: Antwort a) Weil der Milch Bakterien zugeführt werden, die einen Gärungsprozess in Gang setzen, bei dem Kohlensäure entweicht und im Inneren des Käse Hohlräume bildet. Antwort b) Weil es Milchtechnologen gibt, die dafür sorgen, dass Antwort a) funktioniert!
Nächste Frage: Was haben Holtsee und Hamburg gemeinsam? Für beide Orte gibt es ein gleichnamiges, weltweit vertriebenes Produkt! Okay, durch Fast-Food-Ketten ist der „Hamburger“ weltweit vielleicht noch etwas berühmter. Doch auch der „Holtseer“ wird in Europa, Asien, Afrika, Südamerika und den USA verkauft. Gemeint ist natürlich der „Holtseer Tilsiter“, die Spezialität der Käserei Holtsee. ME2BE durfte zuschauen, wie Käse in Holtsee hergestellt wird und welchen Beruf man für dieses Handwerk erlernen muss.
Milch und Käse – Promis auf dem Küchentisch
Justhine und Philipp haben sich für die Ausbildung zu Milchtechnologen in der Käserei Holtsee entschieden. „Ich habe nach dem Abi Biotechnologie-Verfahrenstechnik an der FH Flensburg studiert“, berichtet die 20-Jährige aus Hanerau-Hademarschen. „Das habe ich abgebrochen als es mir zu theoretisch wurde. Ich wollte zwar naturwissenschaftlich arbeiten, aber nicht nur am Schreibtisch oder im Labor sitzen. Mit der Ausbildung zur Milchtechnologin lag ich richtig. Jetzt arbeite ich in genau der Schnittmenge zwischen Technik, Naturwissenschaft und Lebensmitteltechnologie!“
Auch Philipp fühlt sich wohl mit seiner Entscheidung. „Ich bin in der Nachbarschaft, in Damenburg, auf einem Bauernhof aufgewachsen“, erzählt uns der 18-Jährige. „Unser Betrieb liefert auch Milch an die Käserei Holtsee. Doch erst ein Ausflug mit der Schule hierher hat mein Interesse an dem Beruf des Milchtechnologen geweckt. Auf ein Studium hatte ich überhaupt keinen Bock. Ich hab Lust auf Lebensmittel, Landwirtschaft, Technik und anspruchsvolle, praktische Arbeit!“
Milchtechnologe/in – das ist ein Ausbildungsberuf mit Zukunft! Milchprodukte sind beliebt und speziell Käse ist nach wie vor eines der beliebtesten Lebensmittel in Deutschland. Ein Blick auf die Zahlen sagt alles: 2015 wurden bundesweit unglaubliche 32,6 Millionen Tonnen Milch von rund 75.000 Milchviehhaltern erzeugt! Der durchschnittliche Pro-Kopf-Verbrauch von Milcherzeugnissen betrug ca. 54 kg Milch, 30,2 kg Milchmischgetränke (inkl. Joghurt), 6 kg Butter, 5,9 kg Sahneprodukte und 25,4 kg Käse. Insgesamt wurden 55.334 Tonnen Tilsiter in Deutschland produziert, davon ein ordentlicher „Batzen“ in der Käserei Holtsee, die ebenfalls stolze Zahlen präsentiert: Rund 95 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (davon zurzeit 8 Azubis der Milchtechnologie) stellen jährlich ca. 10.000 Tonnen Käse her. Die verarbeitete Milchmenge liegt bei 105 Mio. Liter. Tendenz steigend.
Milchtechnologen – Arbeit zwischen Natur und Technik
In der Käserei Holtsee arbeiten Milchtechnologen in vier von fünf Abteilungen: im Maschinenraum, in der Käserei, im Reifekeller und in der Verpackung. Nur das Labor ist Hoheitsgebiet von milchwirtschaftlichen Laboranten. „Wir möchten jedes Jahr 3-4 Milchtechnologen ausbilden“, sagt Andre Paulsen, stellvertretender Käsereileiter. „Unsere Ausbildung ist spannend, abwechslungsreich und bietet gute Zukunftsperspektiven. Das Problem ist, dass der Beruf noch gar nicht so bekannt ist. Deshalb suchen wir Nachwuchs. Voraussetzungen sind ein guter Mittlerer Schulabschluss, ein technisches Grundverständnis von Geräten und Anlagen, Interesse an Lebensmitteln, Gesundheit, Ernährung sowie biologischen und chemischen Prozessen.“
Aber wie sieht der Alltag der Holtseer Milchtechnologen aus?
Die tägliche Arbeit von Milchtechnologen beginnt mit der sorgfältigen Beachtung der Hygienevorschriften sowie dem Tragen der vorschriftsmäßigen Schutzkleidung und dem Durchlaufen der Hygieneschleusen bei jedem Wechsel der Abteilungen. In der Ausbildung lernen Azubis alle Abteilungen kennen und werden für jeweils mehrere Wochen in den folgenden vier Bereichen eingesetzt:
Maschinenraum: Mit den Milchlieferungen der Firmeneigenen Tanklastflotte fängt jeder Tag an. Knapp 320.000 Liter ießen täglich in die großen Tanks. Schon bei der Annahme kommen die „Molkis“, wie sich Milchtechnologen liebevoll nennen, ins Spiel. Vom Maschinenraum aus wird alles gesteuert … Temperatur, Druck, Füllstand. Erste Amtshandlung: Messung des PH-Werts der angelieferten Milch. An diesem Wert erkennt man sofort, ob die Rohmilch kontaminiert ist und überhaupt angenommen werden darf. Wenn ja, setzen die Milchtechnologen mit dem Rohrschlüssel die Rohre so um, dass die Milch in den richtigen Behälter fließen kann. Umgebung: Laut und technisch.
Käserei: Die Käseproduktion findet in der Käserei statt. „Das Besondere an der Käseproduktion in Holtsee“, verrät uns Ausbildungsleiter Paulsen, „ist die Tatsache, dass wir hier noch Käse mit der Hand herstellen und nicht nur rein maschinell fertigen. Beim Käsungsprozess wird die noch flüssige Milch durch biotechnologische Wirkung von Naturlab und Bakterienkulturen in festen „Käsebruch“ umgewandelt und von der flüssigen Molke getrennt. Danach wird der geformte Käsebruch einem zweitägigen Salzbad unterzogen. Milchtechnologen führen den gesamten Herstellungsprozess durch. Umgebung: Warm und feucht.
Reifekeller: „Die vier Reifekeller sind unsere ‚Schatzkammern’, schwärmt Paulsen. „Hier reifen die Käsebrote in der Regel 6-8 Wochen und erhalten die ‚Rotschmiere‘, die den pikanten Geschmack auf den Holtseer Tilsiter bringt. Mit den Wischmaschinen muss in den nächsten Tagen und Wochen jeder Käse regelmäßig gewischt und gedreht werden, damit nicht immer dieselbe Seite auf dem Regal liegt. 30.000 Käse liegen hier zur Reife! Anschließend gibt’s die sensorische Verkostung. Von den leitenden Milchtechnologen wird der Käse nach Geschmack, Konsistenz, Aussehen und Geruch beurteilt.“ Umgebung: Kalt und nach Käse duftend.
Verpackung: Ist der Käse fertig gereift und zum Verkauf freigegeben, wird er in der Packstation individuell verpackt, etikettiert, kartoniert und palettiert. Vorher wird jeder Käse genauestens durchleuchtet und geprüft, ob ungewünschte Fremdteile enthalten sind. Bis zum Abtransport wird der Käse anschließend in gekühlte Lagerhallen gestellt … also in gigantische Käsekühlschränke! Umgebung: Wie beim Geschenke verpacken.
Geschafft. Der Käse ist fast auf dem Küchentisch und Milchtechnologen haben Feierabend. Eines steht fest: Die Arbeit von Milchtechnologen könnte abwechslungsreicher kaum sein. Allein die Ausbildung ist für naturwissenschaftlich interessierte Bewerberinnen und Bewerber mehr als ein Geheimtipp. „Unser Bedarf an guten Nachwuchskräften ist groß“, betont Andre Paulsen zum Abschluss der Führung. Letzte Frage: Müssen Milchtechnologen Käse mögen? „Das fragen wir im Bewerbungsgespräch nicht ab!“ antwortet er schmunzelnd. „Aber lecker ist das … sowohl unser Käse als auch die Ausbildung!“
TEXT Christian Dorbandt
FOTOS Sebastian Weimar