Berufschancen vor Ort

Berufschancen vor Ort

Berufsorientierung ist Marc Perrys Steckenpferd und die JobNight seine Schöpfung

Marc Perry ist für Berufsorientierung zuständig. Er unterrichtet Englisch, Wirtschaft-Politik, Geschichte und Französisch. Im Schuldienst ist er, die Referendariatszeit eingerechnet, seit Februar 1999 tätig und seit 2006 an der Gemeinschaftsschule Bredstedt. Hier hat er vor zwölf Jahren die JobNight initiiert, die seitdem zu einem großen Erfolg geworden ist. Wir haben mit Perry über die Messe, über Berufsorientierung, aber auch über sein Heimatempfinden gesprochen.

Sie gelten als Erfinder der JobNight. Was hat sie dazu gebracht, diese zu initiieren?

Die Berufsorientierung ist mein Steckenpferd. Ich habe mich gefragt, wie man Schüler, die einen Ausbildungsplatz suchen, und Betriebe, die Auszubildende benötigen, zusammenbringen kann. Bis 2011 gab es in unmittelbarer Nähe keine vergleichbaren Veranstaltungen zur Berufsorientierung. Wir haben Messen besucht, aber das war nicht das Gleiche. So entstand die Idee, eine eigene Messe zu organisieren, und gemeinsam mit der Barmer GK haben wir die JobNight ins Leben gerufen.

Was ist das Besondere an der schuleigenen Messe?

Der große Vorteil unserer JobNight ist, dass die Schüler sich in ihrer vertrauten Umgebung bewegen und daher offener auf Unternehmen zugehen. Es ist für Jugendliche oft schwierig, fremde Unternehmen direkt anzusprechen, aber in ihrer eigenen Schule fühlen sie sich wohler und sind weniger scheu. Das Feedback der Unternehmen bestätigt, dass die Hemmschwelle geringer ist.
Die Veranstaltung findet abends statt und richtet sich an Schüler der Klassen sieben bis zehn unserer Schule. Einladungen gehen ebenso an andere Gemeinschaftsschulen, weiterführende Schulen und berufliche Gymnasien, die viele unserer Schüler nach der zehnten Klasse besuchen. Die Messe bietet zudem die Gelegenheit, ehemalige Schüler sowie aktuelle Azubis der teilnehmenden Unternehmen wiederzutreffen.

Wie hat sich die JobNight in den vergangenen Jahren verändert?

Die JobNight ist in den vergangenen Jahren stetig gewachsen: Während wir bei der ersten Messe mit 24 Betrieben begonnen haben, waren es im vergangenen Jahr bereits 70 Aussteller. Heute ist die JobNight gemeinsam mit der Vocatium in Husum die größte Ausbildungsmesse weit und breit. Das liegt mit daran, dass unsere Schule mit knapp 800 Schülern die größte in der Region ist, gefolgt von der Gemeinschaftsschule Husum.
Die Digitalisierung bei Bewerbungen hat sich entwickelt, ist aber noch nicht durchgehend verbreitet. Größere Firmen und Banken nutzen zunehmend Online-Bewerbungen, während kleinere Betriebe, insbesondere im Handwerksbereich, oft noch auf persönliche Bewerbungen setzen. Ein Handschlag vom Meister hat hier weiterhin seinen Stellenwert.

Welche Rolle spielt die Messe im gesamten Konzept der Berufsorientierung?

In den Klassen fünf und sechs haben die Schüler ersten Kontakt zur Berufsorientierung, wenn die Klassenlehrer Eltern einladen, um ihre Berufe vorzustellen. Zusätzlich gibt es den ‘Tag auf dem Bauernhof’, eine Initiative des Landes in Zusammenarbeit mit dem Bauernverband.
Der eigentliche Berufsorientierungsprozess beginnt in der siebten Klasse mit dem ‘Stärkenparcours’ in Husum. Hier setzen sich die Schüler mit verschiedenen Berufen auseinander und reflektieren ihre Interessen und Fähigkeiten.
Ab Klasse acht startet der WiPo-Unterricht, der ein Praktikum in der Bildungs- und Arbeitswerkstatt in Niebüll umfasst. Dort können die Schüler an jeweils drei Tagen drei verschiedene Berufe ausprobieren. In der achten Klasse absolvieren die Schüler ein einwöchiges Praktikum, in der neunten ein zweiwöchiges. In diesem Gesamtrahmen hat die JobNight einen festen Platz.

Wie treten die Schüler mit der Berufswelt in Kontakt?

Unsere Schüler sind in der Regel geerdet und umsichtig bei der Berufswahl und Ausbildungsplatzsuche. Wir verfügen über ein gutes Netzwerk mit der Berufsberatung und den Eltern, Viele Firmen beteiligen sich und sind offen und kooperativ. Bei Bedarf können wir auch spontane oder Langzeitpraktika arrangieren, etwa wenn ein Schüler eine Auszeit braucht. Jeder Schüler erhält eine Chance, solange er Engagement zeigt.
Wir legen großen Wert auf freiwillige Praktika. Diese helfen den Schülern, sich dem Berufswunsch zu nähern und zeigen den Unternehmen, dass sie bereit sind, ihre Freizeit zu investieren. Schüler, die zusätzlich zu den Pflichtpraktika freiwillige Praktika absolvieren, verbessern ihre Bewerbungschancen.
Einige Schüler nutzen zudem die Möglichkeit eines Freiwilligen Sozialen oder Ökologischen Jahres. Dieses Jahr dient nicht nur dem gesellschaftlichen Engagement, sondern auch der persönlichen Reifung und ist eine wertvolle Ergänzung im Lebenslauf.

Mann

Perry hat vor seiner Zeit als Lehrer den Beruf des Bankkaufmanns gelernt.

Wie sah die Berufsorientierung bei Ihnen selber aus?

Während meiner Schulzeit spielte die Berufswahl für mich keine große Rolle, und ich habe damals nur kurz mit einem Berufsberater gesprochen. Nach dem Abitur habe ich nicht lange über meine berufliche Zukunft nachgedacht und folgte dem Rat meiner Eltern, eine Ausbildung zum Bankkaufmann in der Sparkasse zu absolvieren. Erst nach meiner Ausbildung und während meiner Zeit bei der Bundeswehr hatte ich die Gelegenheit, über meine Zukunft nachzudenken.
Da wurde mir klar, dass ich Lehrer werden möchte, und ich entschied mich für ein Lehramtsstudium. Rückblickend bin ich froh über die Erfahrungen, die ich durch meine kaufmännische Ausbildung gemacht habe, auch wenn mein Reifeprozess etwas länger gedauert hat.
Heute möchte ich den Schülerinnen und Schülern eine durchdachte Berufsorientierung bieten und freue mich, ihnen mit Hilfe eines engagierten Teams zur Seite stehen zu können.

Warum sind Sie Lehrer geworden?

Der Lehrerberuf liegt bei uns in der Familie mütterlicherseits. Mein Urgroßvater hat einmal Ahnenforschung betrieben und konnte nachweisen, dass es Lehrer bis zurück zum 30-jährigen Krieg in diesem Familienzweig gab. Er war selber klassischer Dorfschulmeister in Mecklenburg-Vorpommern zur Jahrhundertwende 1899/1900. Mir liegt das Lehrersein vielleicht im Blut und wurde mir von meiner Mutter, ebenfalls einer Lehrerin, ‘vererbt’.

Sie kommen nicht von hier. Ist Bredstedt Ihre Heimat geworden?

Ich bin in Westafrika geboren, weil mein Vater dort als Missionar der englischen Kirche tätig war, und habe dort bis zu meinem siebten Lebensjahr gelebt. Nach unserem Umzug nach Hamburg-Wedel lernte ich in der Schule Deutsch und zog später mit 13 Jahren mit meinen Eltern nach St.-Peter-Ording, wo ich Abitur gemacht habe. Bredstedt kenne ich aus Kindheitstagen, weil meine Großeltern in Bütjebüll gelebt haben, außerdem absolvierte ich hier meine Ausbildung.
Heute wohne ich in Klintum. Ich habe ja bereits die Welt gesehen und jetzt ist Nordfriesland zu meiner Heimat geworden.

Bleiben viele Schüler in ihrer Heimat?

Erfahrungsgemäß bleiben viele Schüler nach dem Schulabschluss in der Region und finden hier ihre Ausbildungsplätze. Etwa die Hälfte der Schüler setzt die Schulausbildung zunächst am beruflichen Gymnasium fort und einige von ihnen orientieren sich dann über die Kreisgrenzen hinaus. Die meisten Schüler finden jedoch ihre berufliche Heimat hier vor Ort.

TEXT Hilke Ohrt
FOTO Hinrik Schmoock