Rektorin Carmen Alsen bezeichnet sich als „Herzmensch”, verweist dabei auch auf die Erfolgsbilanz ihrer Schule
Carmen Alsen ist 49 Jahre alt und seit zwölf Jahren Schulleiterin an der Gemeinschaftsschule Bredstedt. Zuvor war sie als Koordinatorin und Lehrerin an der Schule tätig und hatte hier ebenfalls ihre Praktika absolviert. Ursprünglich aus Süddeutschland stammend, zog sie nach dem Abitur nach Bredstedt, absolvierte eine Ausbildung zur Bauzeichnerin und studierte anschließend die Fächer Deutsch und Geographie auf Lehramt. Mit dieser Schule ist sie tief verwurzelt – abgesehen von ihrem Referendariat in Lübeck war sie immer hier tätig.
Was ist das Besondere für Sie persönlich an dieser Schule?
Ich schätze die Menschen hier sehr, weil sie bodenständig, natürlich und ehrlich sind. Das macht mir an der Schule viel Freude. Als ausgebildete Realschullehrerin habe ich die Entwicklung zur Gemeinschaftsschule miterlebt. Besonders fasziniert mich die Mischung aus Kompetenzen und Fachlichkeit.
Ich schätze vor allem, wie die Schüler trotz unterschiedlicher Leistungsniveaus zu einer Klassengemeinschaft zusammenfinden. Es ist beeindruckend zu sehen, wie stärkere Schüler schwächeren helfen und wie letztere über sich hinauswachsen.
Welchen Einfluss haben Sie auf die Entwicklung der Schule?
Es gibt eine Schulentwicklungsgruppe, die sich aus mir als Schulleiterin, aus Lehrkräften und Eltern zusammensetzt und teilweise Schüler einbezieht. Gemeinsam haben wir ein Konzept entwickelt, das stets den aktuellen Zeitgeist berücksichtigt. Es umfasst verschiedene Schwerpunkte, die sich übergreifend durch die gesamte Schule ziehen.
Dazu zählen unter anderem die Themen Demokratie, Kampf gegen Rassismus sowie Umgang mit Medien, insbesondere im präventiven Bereich. Weitere Aspekte sind das praktische, eigenständige Lernen sowie die Übernahme von Verantwortung für das eigene Lernen.
Wie können Lehrkräfte an der Gestaltung der Schule mitwirken?
Neben der Mitarbeit in diesem Gremium ermutige ich neue Kollegen, sich auszuprobieren und ihre eigene Nische zu finden. Es ist wichtig, dass sie ihre Ideen einbringen und sich verwirklichen können; denn nur wer sich mit einem Projekt identifiziert, kann es mit Begeisterung vorantreiben und die Schüler überzeugen.
Haben die Schüler die Möglichkeit, die Schule mitzugestalten?
Absolut. Die Schüler können über die Schülervertretung aktiv mitgestalten. Sie übernehmen Verantwortung bei Projekten wie der Gestaltung des Schulgartens oder eines Ruheraums. Wir ermutigen sie, sich mit ihren Anliegen an uns zu wenden.
Die GMS Bredstedt ist Verbraucherschule. Was bedeutet das eigentlich?
Unsere Schule will die Schüler für den Konsumalltag sensibilisieren, sie fit für die Herausforderungen des täglichen Lebens machen und nachhaltiges Denken und Handeln fördern. Das geschieht in Zusammenarbeit mit dem Netzwerk Verbraucherschule des Verbraucherzentrale Bundesverbandes (vzbv). Wir haben ein Wahlpflichtfach Verbraucherbildung und es werden ebenfalls Einzelprojekte durchgeführt.
Wie sieht es mit Nachhaltigkeit aus?
Nachhaltigkeit ist ein zentraler Bestandteil unseres Konzepts und zieht sich durch alle Bereiche. Ein Beispiel hierfür ist unser Kleiderkarussell, bei dem Schüler Second-Hand-Kleidung tauschen können. Zusätzlich bieten wir in der Pausenhalle kostenlos Brotdosen und Trinkflaschen aus Edelstahl an, die von den Schülern selbst organisiert wurden. Unsere Streuobstwiese, aus deren Äpfeln wir Apfelsaft herstellen, und verschiedene Kochprojekte aus unserem Schulgarten ergänzen das Programm.
Sind die Schüler auch digital unterwegs?
Ja, jeder Schüler erhält bei uns ein iPad vom Schulverband, sobald er bei uns anfängt. Die Geräte sind in ein von unserer IT-Fachkraft gewartetes Netzwerk eingebunden. Das hat uns besonders während der Coronazeit sehr geholfen, da die Schüler bereits mit der Technik vertraut waren. Sie konnten problemlos an Videokonferenzen teilnehmen, ihre Aufgaben abrufen und herunterladen.
Haben Sie als Rektorin eine bestimmte Vision für die Zukunft der Schule?
Ich wünsche mir mehr Freiheit im schulischen Lernen. Ideal wäre ein Modell, bei dem Lehrkräfte nicht mehr vorne stehen und unterrichten, sondern als Berater im Hintergrund agieren. Die Schüler würden selbständig arbeiten und uns gezielt um Unterstützung bitten. Dabei wird auch der Stundenplan an das individuelle Lernlevel angepasst.
Es gibt bereits Schulen, die dieses Modell erfolgreich anwenden. Diese Schulen setzen alles daran, dass Schüler ihre Prüfungen erfolgreich bestehen, indem sie flexibel und auf ihre Bedürfnisse abgestimmt lernen können. Die Methodik des Lehrens und Lernens an der Schule ändert sich, aber der Lernstoff bleibt. Die Verwirklichung dieser Vision an dieser Schule werde ich allerdings in meiner Laufbahn nicht mehr erleben, denn Schule entwickelt sich langsam.
Ist Ihre Schule denn heute erfolgreich?
Ich bin ein Herzmensch und daher vergesse ich oft die Bilanz unserer Schule zu erwähnen. Unsere Erfolgsbilanz ist beeindruckend.
Das spiegelt sich auch in den niedrigen Fehlzeiten wider. Im Vergleich zu anderen Schulen haben wir relativ geringe Fehlzeiten, was zeigt, dass unsere Schüler gerne zur Schule kommen. Unsere stabilen Anmeldezahlen und die Tatsache, dass wir wieder sechszügig sind, belegen das Vertrauen der Eltern in uns. Die enge Zusammenarbeit zwischen Lehrern und Elternhäusern trägt dazu bei, dass wir unsere Schüler optimal unterstützen. Auch das spiegelt unsere Qualität und Kompetenz wider.
Worauf sind Sie besonders stolz?
Ich bin stolz auf die Vielfältigkeit unserer Schule. Wir bieten ein breites Spektrum an Möglichkeiten im kognitiven und technischen Bereich; dabei fördern und fordern wir sowohl Denker als auch Macher.
Ich bin auch stolz darauf, dass über 60 Prozent unserer Schüler den Übergang zur Oberstufe schaffen und dann an berufliche Schulen oder in Berufe gehen. Damit ermöglichen wir ihnen die Freiheit, sich für den Bereich zu entscheiden, der am besten zu ihnen passt.
Ich bin ebenso stolz darauf, dass wir unsere Schüler gut auf ihre berufliche Zukunft vorbereiten und ihnen helfen, ihren Weg ins Berufsleben zu finden. Die Schüler schlagen beinahe zu 100 Prozent ihren Weg ein.
Möchten Sie noch etwas zur Berufsorientierung sagen?
Ich empfinde uns immer als Schule, und so werden wir auch wahrgenommen, in der die Schüler sich in alle Richtungen ausprobieren dürfen. In der gesamten Schule ist die Berufsorientierung ein großes Thema, und in der JobNight wird alles zusammengeführt. Hier sieht man deutlich, wie wichtig die Region ist: die Vernetzung und das echte Interesse an den Jugendlichen.
Wie sieht bei Ihnen ein typischer Tag als Rektorin aus?
Bei mir gibt es keinen typischen Tag – jeder ist anders und bringt neue Aufgaben mit sich. Ich sitze selten an meinem Platz, da ich ständig unterwegs oder in Gesprächen bin. Ruhigere Arbeiten erledige ich oft nachmittags oder abends. Wir haben eben eine große Schule mit 800 Schülern – aber das ist ja das Schöne.
TEXT Hilke Ohrt
FOTO Hinrik Schmoock