Es gab Zeiten, in denen hat Jan Jäger sechs Fächer gleichzeitig unterrichtet: in der Hauptsache Technik, Sport, Mathe und Erdkunde, in der Spitze dann auch noch WiPo und Medien. Aktuell begnügt er sich mit den ersten vier Fächern. Das vielfache Interesse des Lehrers zeigt sich auch in seinem Werdegang. Seit 2010 ist er an der Gemeinschaftsschule Bredstedt tätig: „Ich würde mich noch als Junglehrer bezeichnen“, sagt er mit einem Schmunzeln. „Denn ich habe fünf Berufe erlernt und darin gearbeitet.“ Vor seiner Zeit als Lehrer war er als Erzieher, Bürokaufmann, Logistiker und Berufskraftfahrer tätig. Letztere Berufe erlernte er während seiner Zeit bei der Bundeswehr. „Im Rahmen dieser Tätigkeiten unterrichtete ich schließlich selbst in der Bundeswehr und das bereitete mir große Freude. So nahm ich mit 31 Jahren das Lehramtsstudium auf.“ Mit ME2BE sprach der engagierte Techniklehrer über Legoroboter, die Bedeutsamkeit des Dialogs und den berufspraktischen Bezug seines Unterrichts.
Von Herausforderungen und Hilfestellung
„Der Beruf des Lehrers hat sich stark gewandelt. Stand früher der Bildungsauftrag im Fokus, wachsen die pädagogischen Herausforderungen heute stetig.“ So gäbe es mehr Schüler- und mehr Elterngespräche und das Zeitkontingent für die Bildung werde kleiner. „Schule befindet sich stets in einem Entwicklungsprozess.“ Aktuell testet man an der Gemeinschaftsschule Bredstedt daher eineinhalb Jahre lang ein Modell, das statt 45-minütiger Unterrichtsstunden 67,5 Minuten vorsieht. Zudem gibt es drei Lehrstunden in der Woche, in denen Schülerinnen und Schüler aus drei bis vier verschiedenen Fächern wählen können, was sie wann lernen möchten. Unterstützt werden sie dabei von ein bis zwei Lehrerinnen und Lehrern. „Die jungen Menschen lernen dadurch, eigenständiger zu arbeiten und mitzugestalten.“ Nach Ablauf des Projektes wird evaluiert, was Schülerinnen und Schüler, Eltern und Lehrkräfte aus dieser Zeit mitnehmen und ob das Modell Zukunft hat. „Um sicher zu gehen, dass alle bezüglich des Lernstoffs mitkommen, mache ich zwischendurch kleine Tests und spreche mit den Schülerinnen und Schülern, die Probleme haben mitzuhalten. Ich möchte keinen zurücklassen und suche daher stets das Gespräch – auch mit den Eltern.“
Back to Bausteine
„Ich bin ein großer Freund der Digitalisierung und der Informatik, doch erachte ich die achte Klasse als früh genug, um Informatik zu lehren. Vor Kurzem habe ich zwanzig Schülerinnen und Schüler bei ihren Praktika besucht, und der Tenor der Unternehmen war stets der gleiche: Informatik ist wichtig, aber vor allem das soziale Miteinander und Werte wie Pünktlichkeit, das Smartphone wegzulassen und sich zu konzentrieren. Dennoch halte ich viel davon, bei jungen Menschen den Grundstein für das Verständnis von Informatik zu legen.“ Im Fach Technik dreht sich Jan Jägers Unterricht vor allem um Robotik. „Hier arbeiten wir kreativ mit Lego Mindstorms und bauen aus Lego eine Grundkonstruktion, um diese anschließend zu programmieren, um zu bestimmen, auf welche Weise und wie schnell sie sich bewegt.“
Handwerk und Technik mit Effekt
Im Technikunterricht wird innerhalb von Projektarbeiten mit Holz, Kunststoff und Metall gearbeitet. Dort schaffen Schülerinnen und Schüler – je nach Aufwand des Zielproduktes und Elan – ein bis vier Werkstücke in einem Schuljahr. Gebaut wurden im Holzbereich bereits Klappstühle, Werkzeugkästen, Spiele und vieles mehr. Im Metallbereich lernen die Teilnehmenden, Metall zu gießen und zu bearbeiten – zum Beispiel multifunktionale Schlüsselanhänger. „Im Rahmen des Fachs Elektronik lehre ich Themen wie motorlose Fahrzeuge und in Kleingruppen geht es dann an die Konstruktion der Gefährte, die sich via Wind- oder Wasserkraft fortbewegen.“ Die Schülerinnen und Schüler bauen verschiedene Getriebe und lernen, wie sie funktionieren, wie man sie verstärkt oder abschwächt, wie kleine Elektromotoren arbeiten und wie man sie in Fahrzeuge einbaut. „Im nächsten Schritt bauen wir Solarmodule ein, damit das Fahrzeug autark mit Batterie fahren kann. Besonders interessierte Schülerinnen und Schüler haben auch schon Dampfturbinen eingebaut.“
Die Praxis als Schlüssel
Berufsorientierung spielt für Jan Jäger eine große Rolle. „Im Fach Elektronik besuchen wir jährlich die Bundeswehr in Husum. Dort lernen die Schülerinnen und Schüler die beruflichen Profile des Elektronikers und des Fluggerätmechanikers kennen, sehen Beispiele für konkrete Bereiche, in denen Elektronikkenntnisse gefragt sind und dürfen sich in Hubschrauber und Flugzeuge setzen. Wir versuchen, in engem Kontakt zu Unternehmen zu stehen, um den Kindern Berufe aus der freien Wirtschaft nahezubringen. Mit meiner Klasse haben wir dieses Jahr an einer Rundführung beim Energieversorgers GP Joule teilgenommen.“ Im Technikunterricht weist der Lehrer darauf hin, in welchen Berufen die jeweiligen Arbeiten mit Holz, Metall und Kunststoff zum Einsatz kommen. „Heutzutage haben viele Achtklässlerinnen und Achtklässler bislang weder Hammer oder Säge noch Akkuschrauber in der Hand gehalten und wissen nicht, wie man effizient fegt. Bei mir lernen sie es.“
Interesse und Empathie für eine starke Gemeinschaft
Im Kollegium der Gemeinschaftsschule Bredstedt fühlt sich Jan Jäger sehr wohl. „Ich empfinde alle als offen und tolerant. Schule ist zwar primär ein Lernort, doch nicht nur in Bezug auf Fächer wie Mathe, Deutsch und Englisch. Es geht vor allem um soziale Fähigkeiten. Besonders im Zusammenhang mit den Flüchtlingen, die in den letzten Jahren als Schülerinnen und Schüler hinzukamen, ist es uns wichtig, den jungen Menschen, die hier aufgewachsen sind, die Gründe zu erläutern, warum man gezwungen ist, seine Heimat zu verlassen. Zudem legen wir Wert darauf, dass unsere Schülerinnen und Schüler wechselseitig die Kulturen voneinander kennenlernen. Ich wünsche mir, dass die jungen Menschen lernen, über den Tellerrand zu blicken und sich nicht nur auf die eigenen Probleme zu fokussieren.“
Dieser Artikel ist in der JobNight 2023 erschienen. Hier geht es zum E-Paper!
Mehr zur Gemeinschaftsschule Bredstedt: Berufsberaterin Rie Jordt sieht ihre Aufgabe als Zukunftsgestalterin und ist froh, sich in Bredstedt auf eine gute Unterstützung verlassen zu können
TEXT Sophie Blady / Kristina Krijom
FOTO Reinhard Witt