Die Präsidentin der TH Lübeck heißt Muriel Kim Helbig. Geboren in Washington, D.C. wuchs sie in den USA, im Libanon und in Deutschland auf, absolvierte an der Universität Potsdam ein Studium der Psychologie, erlebte Forschungsaufenthalte in Palermo, Los Angeles und Haifa und promovierte 2006 an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena. Ihre beruflichen Stationen führten sie im Bereich Wissenschaftsmanagement an die Bauhaus-Universität Weimar, wo sie von 2009 bis 2014 als Dezernentin für Internationale Beziehungen tätig war. Im Interview verrät die 44-jährige Psychologin, warum sich ein Studium an der TH Lübeck lohnt.
Sich über Grenzen hinweg auszutauschen und Erfahrungen zu sammeln, verstehe ich als wissenschaftliches Grundprinzip.
Hallo, Frau Dr. Helbig. Von Washington, D.C. bis nach Lübeck – um ihren Lebenslauf nachzuverfolgen, braucht man eine Weltkarte. Sind Sie eine global denkende Präsidentin?
Ja, ich glaube, dass Wissenschaft nur international gedacht werden kann. Meine Doktorarbeit drehte sich um den Zusammenhalt und das Zusammenwirken von Gruppen und Kulturen. Sich über Grenzen hinweg auszutauschen und Erfahrungen zu sammeln, verstehe ich als wissenschaftliches Grundprinzip.
Zur Präsidentin sind Sie berufen worden, eingeschrieben haben Sie sich 1995 für den Studiengang Psychologie? Wie haben Sie sich beruflich orientiert?
Ich habe mich früh mit der Arbeitswelt beschäftigt und mir bereits als Schülerin mit Babysitting, Gartenarbeit und als Tierarzthelferin etwas dazuverdient. Mein erster Berufswunsch war, Kleintierärztin zu werden. Das erschien mir nach meiner praktischen Erfahrung zu statisch. Auch während des Studiums habe ich mich weiter ausprobiert, beispielsweise als Segellehrerin oder bei einer Lokalzeitung. Die praktischen Erfahrungen haben mir geholfen, Berufsoptionen auszuschließen. Letztlich entschied ich mich für ein Studium der Psychologie, weil ich neugierig war und mich das Verhalten von Menschen besonders interessiert.
Viele nahegelegene Unternehmen halten ihre Türen für uns offen und heißen Studierende willkommen.
Was ist der Markenkern der TH Lübeck? Warum sollten sich Studieninteressierte für Ihre Angebote entscheiden?
Wir bedienen mit unseren Bachelor- und Masterstudiengänge in vier Fachbereichen ein breites Spektrum angewandter Wissenschaften und bieten einen intensiven Praxisbezug. Mit der Nähe zur Universität, zum Universitätsklinikum sowie zu vielen Forschungseinrichtungen genießen unsere Studierenden darüber hinaus ein einzigartiges Campus-Erlebnis und einen hohen Grad an Interdisziplinarität. Viele nahegelegene Unternehmen halten ihre Türen für uns offen und heißen Studierende willkommen. Die Schnittmenge aus Inhalten und Location bestimmt den besonderen Charme der Technischen Hochschule Lübeck. Von Lübeck aus können Studierende in viele Richtungen schauen.
Wir brauchen zusätzliche Räume, um uns zu vernetzen.
Welche Projekte und Ziele verfolgt die TH Lübeck in den kommenden Jahren?
Wir möchten bis 2030 unser inhaltliches Profil halten, die Studienangebote kontinuierlich weiterentwickeln und noch mehr Studierende nach Lübeck locken. Momentan kann der Bedarf an gut ausgebildeten Fachkräften noch nicht ausreichend gedeckt werden. Im Bereich Forschung und Wissenstransfer sind wir bereits gut aufgestellt. Zukünftig werden wir uns noch stärker mit digitaler Lehre und Internationalisierung beschäftigen. Ansonsten wünsche ich mir, dass wir den schönen Campus noch viel stärker als Kontaktort nutzen. Wissenschaft lebt von Begegnung und Austausch und funktioniert nicht, wenn alle nach den Veranstaltungen nach Hause fahren. Wir brauchen zusätzliche Räume, um uns zu vernetzen, und von mir aus auch Hängematten, damit man sich zwischen den Kursen auch auf dem Campus entspannen kann.
Aktuell demonstrieren Woche für Woche Tausende junger Menschen für einen radikalen Klimaschutz. Hat die TH Lübeck „schnelle Lösungen“ im Angebot?
Hochschulen sind keine Orte für schnelle, sondern für durchdachte Lösungen! Obwohl ich die Bewegung ‚Fridays for Future’ inhaltlich unterstütze, benötigt das Thema meines Erachtens den nächsten Schritt, um sich nicht zu erschöpfen. Ich freue mich über den Schulterschluss mit der Wissenschaft und begrüße daher die Bewegung ‚Scientists for Future’. Der Beitrag, den wir als Technische Hochschule zum Klimaschutz leisten können, besteht in unseren Lehr- und Forschungsangeboten. Alle Fachbereiche beschäftigen sich mit Umweltthemen.
Hochschulen sind keine Orte für schnelle, sondern für durchdachte Lösungen!
Das große Jubiläum steht vor der Tür: 50 Jahre Hochschulen für Angewandte Wissenschaften. Wird ordentlich gefeiert?
Ja, und darauf freuen wir uns. Im August 1969 gehörte Lübeck zu den ersten Fachhochschulstandorten Deutschlands. Vom 13. bis zum 15. Juni würdigen, feiern und präsentieren wir dieses erfolgreiche Hochschulmodell. Unter der Schirmherrschaft von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und in Kooperation mit zahlreichen Wissenschaftseinrichtungen in Deutschland haben wir ein buntes Programm zusammengestellt, mit Festveranstaltungen, Workshops und Tagungen zu zukunftsorientierter Forschung und Lehre. Den Abschluss bildet das öffentliche Campus-Festival „Hochschule zum Anfassen“ mit einem Bühnenprogramm, Straßenmusik, Food-Trucks, Science Slam und weiteren Events.
TEXT Christian Dorbandt
FOTO Sebastian Weimar