Temporausch im Watt – Yacht Club St. Peter-Ording

Temporausch im Watt – Yacht Club St. Peter-Ording

Mit Rennwagen segeln – das geht nirgendwo besser als am Mega- Strand von St. Peter-Ording. In Europa gilt diese Location als Mekka des Strandsegelns. Der Yacht Club St. Peter- Ording (YCSPO) lässt die besten Piloten Deutschlands mit ihren Segel-Rennwagen regelmäßig gegeneinander antreten. Während die jungen Wilden im Verein immer besser werden, rüsten sich die erfahrenen Könner für die Weltmeisterschaften in SPO Ende September. In Schnupperkursen können Anfänger dem Temporausch im Watt nachspüren.

Strandsegler sind Leute, die gern alles ganz anders machen als andere: Sie heizen mit Schiffen über Land und setzen Segel auf Rennwagen. Sie genießen die schönsten Strände praktisch im Vorbeifahren, gern auch bei badeunfreundlichen Temperaturen und einer ordentlichen Brise. Die Idee, rollenden Kisten ein Segel zu verpassen und dem Wind die Arbeit zu überlassen, ist zwar schon 400 Jahre alt. Inspiriert von Lastenseglern auf Rädern in China entwickelte der Physiker Simon Stevin für einen niederländischen Fürsten den ersten Segelwagen. Aber bis heute ist der Sport ein Hobby für eine relativ kleine Gruppe von Wagemutigen.

YCSPO

So dreht sich beim Yacht Club in SPO alles ums Strandsegeln. Mit normalen Segelbooten haben die 250 Mitglieder und 70 Aktiven rein gar nichts am Hut. Der älteste Strandsegel-Club Deutschlands richtete schon mehrfach Welt- und Europa-Meisterschaften aus. Kein Wunder, dass die Piloten des Vereins dank ihrer vielen Erfolge zu den erfolgreichsten und erfahrensten Strandseglern Europas zählen. „Und nun kommen die jungen Wilden: Bei den Jugendmeisterschaften 2018 wurde den alten Hasen schon angst und bange beim Zugucken – so schnell flitzte der Nachwuchs über den abgesteckten Kurs am Strand“, berichtet Jugendwart Sven Harder.

Der erst 14-jährige Michel Boldyreff siegte gleich dreimal in der Mini-Klasse. „Ich mag diese kleinen, aber schnellen Segelwagen. Sie sind rund 50 Kilo schwer, haben drei Räder und werden mit den Füßen gelenkt“, erklärt Harder. Ohne Probleme erreichen sie mehr als Tempo 50 – aber nur, wenn der Pilot den Wind in Geschwindigkeit umsetzen kann und die beste Linie auf dem Strandkurs findet. Außer dieser Einsteigerklasse gibt es fünf weitere. Die Boliden der Königsklasse (Klasse 3) strecken mächtige Segel in den Wind, sind maximal 3,50 Meter breit und flitzen mit bis zu 140 Stundenkilometer über die Sandpiste. Diese Racer können nur Piloten mit viel Erfahrung sicher beherrschen.

YCSPO

„Aber egal welche Klasse du fährst, mich begeistert das enorme Tempo, das die Strandsegler ohne Motorkraft ganz spielerisch erreichen können – und das im Einklang mit einer wunderbaren Natur im Wattenmeer“, erzählt Harder. „Schnell merkst du: Ich bin ja schneller als der Kollege nebenan. Das spornt zu Wettkämpfen an!“ Um einen Strandsegler pilotieren zu dürfen, muss man eine Lizenz besitzen. „Bei uns in der Segelschule können Jugendliche den ‚Pilotenschein für Land- und Strandsegelyachten‘ in ein- oder zweitägigen Kursen machen. Auch Schnupperkurse bieten wir an“, erklärt Harder, der die Segelschule leitet.

Für alle, die bei diesen Erlebnissen süchtig werden, heißt es dann: Nur die besten und die größten Strände sind gerade gut genug! Sobald die Flut ihren höchsten Stand erreicht, das Wasser langsam wieder weicht und Sandbänke aus der grauen Nordsee wie aus dem Nichts auftauchen, beginnt die Hektik im Yachthafen von SPO. Masten werden gesetzt, Segel gehisst; die Segler zwängen sich in ihre Trockenanzüge, unter den Helmen schauen nur die Augen hervor.

YCSPO

Und dann geht’s los: Eine Strandyacht nach der anderen verlässt den Hafen. Zurück bleiben tiefe Spuren im Sand. Der Strand von SPO gilt als der anspruchsvollste in ganz Europa, denn keine andere Strecke verändert in kurzer Zeit ihr Profil: Es kommen neue Sandbänke hinzu, Priele versperren plötzlich die Strecke und ablaufendes Wasser reißt tiefe Kanten in den Sand. Dann ist das Fahrkönnen der Piloten gefragt, bei Windstärke 6 ihre Racer gekonnt zu steuern und dabei die Nase vorn zu haben. Wer hierher kommt, wird also schnell feststellen: Strandsegeln gehört zu Sankt Peter-Ording wie die urigen Holzhäuser auf Stelzen.

Die besten Strandsegler aus aller Welt werden vom 29. September bis 5. Oktober 2018 in St. Peter-Ording um Edelmetall kämpfen. Der örtliche Yacht Club organisiert die hochkarätige Veranstaltung, zu der tausende Zuschauer erwartet werden. Bis zu 200 Piloten treten in allen Klassen an. Bereits mehrfach hat der YCSPO bewiesen, dass er die wichtigsten Meisterschaften im Strandsegeln souverän veranstalten kann: Seit 1963 hat der Verein acht Mal Europa- oder Weltmeisterschaften ausgerichtet, zuletzt die WM 2004.

TEXT Joachim Welding
FOTOS Yacht Club St. Peter-Ording