In einer zunehmend alternden Gesellschaft nimmt auch die Zahl der Schwerhörigen von derzeit rund 15 Millionen künftig deutlich zu. Deshalb suchen Unternehmen der Hörakustik und die Hersteller von Hörgeräten händeringend Fachkräfte. Die TH Lübeck bietet den ersten Studiengang Hörakustik bundesweit an.
„Hörakustik-Absolvent/-innen unserer Technischen Hochschule sind gefragte Fachkräfte, denn sie bringen beides mit: sowohl Berufspraxis durch ihre handwerkliche Ausbildung als auch fundiertes Fachwissen und die Befähigung zu wissenschaftlichem Arbeiten“, bringt Studiengangsleiter Prof. Jürgen Tchorz die Qualitäten des außergewöhnlichen Studiums in der Hansestadt auf den Punkt. Neben der Theorie nehmen in diesem Studiengang Praxisarbeiten und Projektphasen großen Raum ein. „In Laborversuchen, Praktika und Projektarbeiten heißt es immer wieder ‚Learning by Doing‘.“ Schon während des Studiums bearbeiten die Studierenden dank der intensiven Zusammenarbeit mit Unternehmen der Hörakustik Themen und Probleme, die in der Praxis bedeutend sind. Nicht zuletzt knüpfen die Nachwuchskräfte so wertvolle Kontakte zu späteren Arbeitgebern.
So konnten die drei Fünftsemester Dominic Schmidt, Malte Herden und Philipp Narten jetzt ein Thema für den Hörgerätehersteller Siemens Audiologische Technik bearbeiten – das Thema lautete: Wie bringt man die wahre Welt der Hörgeschädigten ins Labor? „Mit diesem Hörprojekt wollten wir uns sowieso beschäftigten und hatten dazu bereits einige eigene Ideen entwickelt“, berichten die Studenten. Es ging darum, Alltagssituationen rein akustisch möglichst real und authentisch im Labor wiedergeben, um damit die Entwicklung neuer, computergesteuerter Hörgeräte zu verbessern. Diese können durch ihre komplexe Signalverarbeitung beispielsweise Sprache, Lärm, Musik und Wind voneinander unterscheiden und sich automatisch darauf einstellen. „Die neue Technik ermöglicht eine genauere Signalverarbeitung und eine verlässlichere Erkennung der akustischen Umgebung“, erklärt Prof. Tchorz.
Technik verstehen und für Forschungsprojekte vorbereiten: Die Hörakustik-Studierende arbeiten mit Puppen und am „echten“ Menschen.
Für die Feinabstimmung der Geräte sei es wichtig, die Hörsituation beliebig im Labor reproduzieren zu können. „Zu Beginn mussten wir herausfinden, in welchen Umgebungen Hörgeschädigte die meisten Schwierigkeiten haben. Dazu haben wir eine Umfrage unter 71 Hörgeräteträgern durchgeführt“, erzählt Philipp Narten. „Parallel haben wir uns mit der Technik beschäftigt und einen Messaufbau mit Mikrofonen entworfen. Aus den Antworten konnten wir die Alltagssituationen ableiten, die wir aufnehmen wollten: eine Versammlung, ein Restaurant und Straßenverkehr – also alles Situationen, in denen das Hören und Verstehen besonders schwierig ist“, erläutern Dominic Schmidt und Malte Herden.
Die Aufnahmeergebnisse der Lübecker Studenten klingen im Labor mit acht Lautsprechern nun exakt so wie draußen in der Wirklichkeit. „Mit geschlossenen Augen findet man sich tatsächlich in der aufgenommenen Umgebung wieder. So hat man den Eindruck, dass einzelne Geräusche wirklich nur aus einer bestimmten Richtung kommen oder Autos an dir vorbeifahren“, berichtet Philipp Narten.
Die Ergebnisse will der TH-Partner Siemens Audiologische Technik für die Entwicklung neuer Geräte nutzen – so, dass die Hörgeräteträger von morgen letztlich von der Arbeit der Lübecker Studenten profitieren. Wenn das kein Motivationsschub fürs Studium ist.
Studiengang Hörakustik
(Bachelor of Science)
Zulassungsvoraussetzungen: Fachhochschulreife oder gleichwertige Qualifikation und Nachweis einer abgeschlossenen Berufsausbildung zum/ zur Hörgeräteakustiker/Hörgeräteakustikerin (mindestens jedoch die Zwischenprüfung)
Studienbeginn: jeweils zum Wintersemester,
Bewerbungsschluss jeweils 31. August
Regelstudienzeit: 6 Semester
www.hoerakustik.th-luebeck.de
Text Joachim Welding
Fotos TH Lübeck