Schulen im Wandel – hin zu mehr Altruismus und Orientierung an der Ferdinand-Tönnies-Schule Husum

Schulen im Wandel – hin zu mehr Altruismus und Orientierung an der Ferdinand-Tönnies-Schule Husum

ME2BE im Gespräch mit dem Schulleitungsteam Katrin Humbroich und Matthias Sechting über die Hürden bei der Berufsorientierung, den digitalen und gesellschaftlichen Wandel und den Wunsch nach mehr Teamgeist innerhalb der Schülerschaft.

Herr Sechting, in diesem Jahr haben Sie die Berufsorientierung an der FTS übernommen. Wie sind Ihre ersten Eindrücke und hat sich etwas verändert?

Sechting: Da unser Kollege Florian Borck in die Elternzeit gegangen ist, habe ich zusammen mit Leonie Engels seine Aufgaben im Bereich Berufsorientierung übernommen. Ganz aktuell haben wir gerade die Berufsorientierungsmesse vorbereitet und freuen uns sehr über das erneut große Interesse seitens der Aussteller. Es gibt viele Anmeldungen, und wir konnten in diesem Jahr auch einige neue Aussteller gewinnen.

Worauf führen Sie das große Interesse und die neuen Anmeldungen zurück?

Sechting: Unsere Messe ist mittlerweile sehr gut etabliert, und in den Unternehmen ist der Fachkräftemangel mehr denn je ein Thema. Dies führt meiner Meinung nach zu einem verstärkten Engagement seitens der Arbeitgeber, die ihre Ausbildungsmöglichkeiten aktiv anbieten müssen und unsere Messe bietet die perfekte Gelegenheit dazu.

Die Schule hat seit diesem Jahr auch eine neue Berufsberaterin, die nun wöchentlich vor Ort sein wird. Welche Chancen für den Berufswahlprozess sehen Sie durch diese regelmäßige Anwesenheit?

Sechting: Ich sehe das als einen großen Vorteil, denn so können die Abschlussklassen noch enger beim Berufsfindungsprozess begleitet werden.

In welcher Form?

Sechting: Frau Carstensen wird mit jeder Schülerin und jedem Schüler der Klassen 9 und 10 ein individuelles Beratungsgespräch führen, um auf diesem Wege genauer zu lokalisieren, bei wem noch Unterstützungsbedarf hinsichtlich der Berufswahl besteht und wer im Prozess schon weiter fortgeschritten ist. In der Vergangenheit mussten wir leider immer wieder feststellen, dass sich einige Schülerinnen und Schüler nicht rechtzeitig um die Planung ihrer weiteren Zukunft kümmern und nach dem Schulabschluss ziemlich plan- und hilflos dastehen.

In den letzten Jahren gab es die Tendenz, eine weiterführende Schullaufbahn zu verfolgen, anstatt eine Ausbildung zu beginnen. Hat sich hieran etwas verändert?

Humbroich: Ich habe schon den Eindruck, dass gerade in letzter Zeit das Interesse unserer Jugendlichen an Ausbildungsmöglichkeiten gestiegen ist. Natürlich nicht in dem Maße wie wir uns das wünschen, aber die Tendenz ist da und wir merken, zum Beispiel durch die hohe Teilnehmerzahl an den Infoabenden der beruflichen Schulen und durch viele positive Rückmeldungen nach den Praktikumsphasen, dass für einige auch eine Ausbildung durchaus wieder eine Option ist.

Sechting: Ergänzend möchte ich hinzufügen, dass man durch eine abgeschlossene Ausbildung auch automatisch den MSA-Schulabschluss erreichen kann, was die Attraktivität einer Berufsausbildung durchaus steigert.

Die Schüler der FTS werden in ihrer Berufswahl unterstützt

Corona hat viele berufsorientierende Maßnahmen wie Praktika und LdE-Projekte unmöglich gemacht. Nun ist wieder Normalität in den Schulbetrieb eingekehrt. Nehmen Sie innerhalb der Schülerschaft eine gestiegene Aktivität in Bezug auf die Berufsorientierung wahr?

Humbroich: Zumindest merken wir mittlerweile, dass sich unsere Schülerinnen und Schüler generell verstärkt engagieren und auch unsere Schülervertretung wieder sehr aktiv geworden ist. Es ist wichtig, dass Veranstaltungen stattfinden und außerschulische Aktivitäten wie unsere LdE-Projektarbeit und die Praktika wieder durchführbar sind. Die dort gesammelten Erfahrungen stärken die Selbstwahrnehmung der Schüler und fördern natürlich auch den Berufswahlprozess.

Herr Sechting, bei unserem letzten Gespräch unterhielten wir uns über die Bedeutung der Digitalisierung und die Einführung des Fachs Informatik an der Schule. Wie ist der Stand heute?

Sechting: Der Fachbereich Informatik ist an der Schule eingeführt und wird im 7. Jahrgang zweistündig unterrichtet.

Wie kam es dazu?

Sechting: Schweden hat sich sehr früh um die Digitalisierung der Schulen bemüht. Nun zeichnet sich eine Rückkehr zu den Schulbüchern ab, da Untersuchungen ergaben, dass durch den ständigen Gebrauch von iPad & Co. die schwedischen Schüler weniger Basiskompetenzen im Rechnen, Schreiben und Lesen besitzen. Deshalb haben wir uns dazu entschlossen, das Thema Digitale Endgeräte etwas langsamer anzugehen und genau zu überlegen, an welcher Stelle der Einsatz tatsächlich Sinn macht.

Humbroich: Das heißt natürlich nicht, dass wir uns im Bereich des digitalen Lernens und Unterrichtens nicht fit machen. Als Lehrkräfte sind wir dazu aufgerufen, uns mit dem digitalen Fortschritt und den entsprechenden Programmen wie zum Beispiel ChatGPT zu beschäftigen und auch die digitale Lebenswelt der Kinder auf den Social-Media-Kanälen zu kennen, um bei Bedarf auf Gefahren aufmerksam zu machen. An entsprechenden Fortbildungsprogrammen nehmen wir natürlich teil.

Die Digitalisierung ist ja nur eines von vielen Themen, welches in der heutigen Zeit in die Schulen hineingetragen wird und die Schule verändert.

Humbroich: Das ist wahr. Corona, Kriege oder auch der Fachkräftemangel sind ebenfalls Themen, an denen wir als Schule nicht vorbeikommen. Manchmal fühlen wir uns sehr herausgefordert, alle gesellschaftlichen und gesellschaftspolitischen Strömungen hier in der Schule aufarbeiten zu müssen. Aus diesem Grund versuchen wir uns auf die Themen zu konzentrieren, die für unsere Schulgemeinschaft wirklich wichtig sind und hinterfragen uns permanent, was wir leisten und verändern müssen, damit das Lernen gelingt und es allen dabei gut geht.

Hätten Sie spezielle Wünsche, die das Schulwesen insgesamt betreffen?

Humbroich: Ich würde mir wünschen, dass der Gemeinschaftssinn und das Demokratieverständnis wieder stärker in den Mittelpunkt rücken. Wir brauchen auch in der Zukunft eine Gesellschaft, in der man gegenseitig Verantwortung übernimmt.

Sechting: Wir müssen lernen, miteinander besser umzugehen, und verstehen, dass das große Ganze zählt. Kompromissbereitschaft muss wieder mehr in den Fokus rücken, weil sich durch Teamgeist sehr viel mehr entwickelt.

Mehr zur Ferdinand-Tönnies-Schule: Wie BO-Koordinatorin Leonie Engels Berufsorientierung gestaltet

TEXT Anja Nacken
FOTO Sophie Blady