Mitglieder des Oberstufenchors machen sich auf die Reise ihres Lebens
Für Anne Lipkow, seit über 20 Jahren Lehrerin für Musik, Biologie und Darstellendes Spiel am Gymnasium Kronshagen und Leiterin des Oberstufenchors, fühlt es sich immer noch etwas unwirklich an. Sie wird erstmals in diesem Jahr zusammen mit 11 Mitgliedern ihres Chores eine zweiwöchige Begegnungs- und Bildungsfahrt nach Uganda unternehmen. Auf dem Reiseplan der Delegation des Gymnasiums in Kronshagen steht nicht nur der Besuch der Partnerschule „RUYONZA SECONDARY School“ im 6374 Kilometer entfernten Bushenyi, sondern auch ein buntes, vielfältiges, spannendes und kulturelles Programm, das garantiert Grenzen verschieben wird.
Frau Lipkow, das Gymnasium Kronshagen ist bereits seit vielen Jahren die Partnerschule der ‚RUYONZA SECONDARY School‘ in Bushenyi. Aber erst vor zwei Jahren ist es zu einem ersten Treffen zwischen Vertretern der afrikanischen Gemeinde und der Schule gekommen. Wer war der Initiator des Treffens?
Die Partnerschaft zwischen den Gemeinden Bushenyi und Kronshagen existiert bereits seit vier Jahrzehnten und wird durch den hier ansässigen Freundschaftsverein KroBu (Kronshagen-Bushenyi/Ishaka) und seine engagierten Mitgliedern, wie Dr. Klaus Onnasch und Ev Pagel, maßgeblich gepflegt. Als der Verein 2022 ein Treffen angeregte, war ich sofort begeistert. Wann haben die Schülerinnen und Schüler schon die Gelegenheit, in eine fremde Kultur einzutauchen? Außerdem erhoffte ich mir von der Zusammenkunft eine gute Gelegenheit, den doch etwas ‚eingeschlafenen‘ Kontakt zwischen den Schulen wiederzubeleben.
Warum ist Ihnen der Austausch wichtig?
Gerade als Vertreterin der ‚Bildungseinrichtung Schule‘ sehe ich es als einen wichtigen Auftrag Schülerinnen und Schüler in ihrer Meinungsbildung zu unterstützen und ihr Demokratieverständnis zu fördern. Für diesen Prozess sind Begegnungen mit anderen Menschen und Kulturen wichtig. Nur wer offen ist, kann voneinander lernen und etwaige Vorurteile abbauen. Manchmal verschiebt ein kleines gemeinsames Erlebnis die Perspektiven, und die gedachte Kluft löst sich in Luft auf und Freundschaften entstehen. Als Schule wollen wir einen Schritt gegen Rassismus und Diskriminierung unternehmen und neben Projekttagen zum Thema Diskriminierungsfreie Schule ist die Uganda-Fahrt ein weiterer Schritt in diese Richtung.
Wie lief der Besuch der afrikanischen Delegation an der Schule denn ab und wie haben Sie sich darauf vorbereitet?
Eine vierköpfige Delegation – bestehend aus dem Bürgermeister von Bushenyi, Richard Byaruhanga und zwei weiteren Mitarbeitern sowie der Leiterin der NGO Rukararwe*, Abby Ayebaze – haben 2022 unseren Musikunterricht besucht. Als wir uns unter Abbys Anleitung die Trommeln schnappten und zusammen ein ugandisches Lied sangen, hielt es den Bürgermeister nicht mehr auf seinem Platz und er fing an zu tanzen. Nach und nach bewegten wir uns alle im Takt zu den mitreißenden afrikanischen Rhythmen. Dieser Besuch und dieses musikalische Gemeinschaftserlebnis war für alle Beteiligten eine Art Eisbrecher und im Anschluss waren sich meine Schülerinnen und Schüler einig: ‚Wir müssen unbedingt nach Bushenyi und mehr über die dortige Lebensweise kennenlernen!‘. Nach dem die Schulleitung grünes Licht für die Reise gegeben hatte, folgte eine lange Phase der Abstimmung und Organisation.
Was gab es zu bedenken und vorzubereiten?
Zunächst mussten wir uns schlau machen, wie so eine weite Reise vernünftig geplant und natürlich auch finanziert werden könnte. Immerhin reden wir von über 2.300 Euro Eigenbeteiligung pro Person, die bislang weitestgehend privat finanziert werden müssen. Die Reise wird unmittelbar nach dem erfolgreichen Abschluss der Abiturprüfungen erfolgen. Nichtsdestotrotz hat sich die anfängliche Begeisterung meiner hochmotivierten Gruppe bis heute nicht gelegt und neben einem regen Briefkontakt mit ihren Mitschülerinnen und Mitschülern aus Bushenyi setzten sie durch gewinnbringende Schulaktionen alles daran ihren Traum zu verwirklichen.
Was haben Sie auf die Beine gestellt?
Um diese wundervolle Erfahrung nicht von den individuellen finanziellen Möglichkeiten abhängig zu machen, sind wir einfach auf Fördermittel und Spenden angewiesen. Viele Anfragen waren daher notwendig. Bisher haben wir Gelder von der Kulturstiftung des Kreises Rendburgs/Eckernförde und vom Kirchenkreis Altholstein erhalten. Wir hoffen noch auf Gelder von ‚Schule trifft Kultur‘ und dem Kirchlichen Entwicklungsdienst der Nordkirche (KED). Außerdem wird uns der Förderverein des Gymnasiums Kronshagens sämtliche Einnahmen des Benefizkonzertes zur Verfügung stellen und uns zusätzlich mit einem Betrag in noch nicht festgelegter Höhe unterstützen. Der KroBu Verein hat uns Handwerkskunst aus Rukararwe zur Verfügung gestellt, die wir bei den Konzerten zu unseren Gunsten verkaufen dürfen. Wir nehmen auch regelmäßig etwas Geld mit dem Verkauf von Waffeln und ugandischen Spezialitäten bei unseren Konzerten und in der Schule ein; eine Mutter stellt ihr Können und ihre Ausbildung zur Verfügung und bietet Yoga und Achtsamkeitsworkshops an, deren Erlös an uns geht und ein Schüler hat ein Crowdfunding ins Leben gerufen. All dies reicht jedoch nicht, um die Kosten zu decken beziehungsweise den Eigenanteil stark zu reduzieren.
Was steht denn auf dem zweiwöchigen Uganda-Programm?
Wir werden eine gute Woche in der NGO Rukararwe verbringen, den Bürgermeister wieder treffen und ein kleines Konzert geben, unsere Partnerschule und eine Grundschule besuchen, das Krankenhaus und einen traditionellen Heiler, am Sonntagsgottesdienst der dortigen Gemeinde teilnehmen, Bäume pflanzen und viel Zeit für die Mitschülerinnen und Mitschüler und deren Familien haben. Die Jugendlichen werden ihre Partnerfamilien alleine besuchen, da ich sehr viel Wert auf einen ungestörten Austausch zwischen den Gleichaltrigen lege. Im Fokus des Besuchs werden gemeinsame Gespräche, Singen, Tanzen, Musizieren und der Austausch von Ideen für eine gleichberechtigte Welt und nachhaltige Ideen für den Klimaschutz stehen. Wir haben die Möglichkeit, die einzigartige Natur des zweitgrößten Kontinents auf einer Safari zu erleben und etwas über die Projektarbeit in der Landwirtschaft zu lernen. Anschließend verbringen wir die letzten Tage in Entebbe, von wo aus wir u.a. die Hauptstadt Kampala erkunden, ein weiteres Naturschutzgebiet besuchen, den Viktoriasee erleben und in einem Tanzstudio in Kampala an zwei Afro Dance Klassen teilnehmen.
Eine solche Reise muss nicht nur finanziell vorbereitet werden. Wie haben Sie sich und die Schülerinnen und Schüler thematisch vorbereitet?
Für mich steht das gemeinsame Erleben ganz klar im Vordergrund, aber selbstverständlich haben wir jede Gelegenheit der Wissensvermittlung zu unserem Reiseziel im Vorfeld wahrgenommen. Die Tante eines Mitschülers hat beispielsweise lange in Uganda gelebt und zum Thema Schimpansen geforscht und im letzten Jahr hierzu einen Vortrag in der Schule gehalten; außerdem haben wir mit einem afrikanischen Tanztrainer eine kleine Choreographie einstudiert, die wir wahrscheinlich zur Erheiterung aller vorführen werden. Darüber hinaus bringen wir einige deutsche und plattdeutsche Lieder mit und präsentieren einen norddeutschen Fischertanz, um einen Einblick in unsere Kultur zu geben. Außerdem hat uns ein bildender Künstler aus Bushenyi/Uganda und Kiel in Form eines Workshops mit ugandischer Kunst vertraut gemacht und uns vieles über sein Land und insbesondere Bushenyi erzählt. Interessant waren hierbei unter anderem auch die Verhaltensregeln für den Besuch der für uns noch neuen Kultur. Vor unserer Abreise wird er uns noch einen kleinen mehrteiligen Sprachkurs in Runyankore, seiner Muttersprache, geben. Es ist wichtig und respektvoll, sich ein wenig in der Landessprache unterhalten zu können. Letztendlich geht es bei dieser Reise darum, ein gegenseitiges Verständnis und Gemeinsamkeiten herauszustellen. Die Jugendlichen sollten sich darüber klar werden, dass sie mehr eint als trennt und eine gemeinsame Weltpolitik sowie ein gemeinsamer Klimaschutz durch eine gute Vernetzung und ein enges Miteinander möglich ist.
Welchen Nutzen haben die anderen Mitschülerinnen und Mitschüler von dieser Reise?
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer bereiten gerade die verschiedensten landestypischen Aspekte wie Geografie, Flora und Fauna, Geschichte, Politik, Wirtschaft und Landwirtschaft und Musik als Schaubilder und Präsentationen vor, die in der Schule für die gesamte Schulgemeinschaft ausgestellt werden. Diese Ausstellung wird über einen längeren Zeitraum bestehen bleiben und nach unserer Rückkehr durch Videos, Berichte und Vlogs ausgebaut werden. Natürlich liegt es uns am Herzen, dass alle an unseren Erlebnissen teilhaben können. Außerdem ist auch der jetzige 9. Jahrgang bereits fleißig dabei, neue Brieffreundschaften zu pflegen, so dass die Durchführung eines weiteren Besuchs und natürlich eines Gegenbesuchs in Zukunft durchaus denkbar ist. Ich sehe diese Fahrt als Startschuss dafür, einen intensiven kulturellen Austausch zwischen den beteiligten Schulen und Gemeinden zu schaffen und langfristige Freundschaften entstehen zu lassen.
Wir sind auf die Ergebnisse gespannt und freuen uns auf einen Nachbericht dieser spannenden Reise
*Die NGO (zu deutsch: Nichtregierungsorganisation) Rukararwe the alternative travel center https://www.rukararwe.com/ bietet neben Projekten für Menschen der Region vielfältigen Ökotourismus an. Jedes Jahr gibt es übrigens hier auch die Möglichkeit, ein freiwilliges ökologisches Jahr zu absolvieren.
TEXT Anja Nacken
FOTO Michael Ruff, privat